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BGH: Die Pflicht zur Angabe des Klarnamens bei Facebook ist bei Profilen, die bis zum 25.05.2018 angelegt wurden, rechtswidrig. (Foto: Goodpics / stock.adobe.com)
Klarnamenpflicht in sozialen Netzwerken

BGH kippt Klarnamenpflicht bei Facebook für ältere Profile

ESV-Redaktion Recht
28.01.2022
Muss derjenige, der ein Facebook-Profil unterhält, hierfür stets seinen tatsächlichen Namen angeben? Dies verlangt das soziale Netzwerk in seinen Nutzungsbedingungen. Über die Frage, in welchen Fällen diese Pflicht zu Angabe von Klarnamen nicht besteht, hat der BGH nun in zwei Parallelverfahren entschieden.
In den Streitfällen unterhalten die Kläger/innen jeweils ein Nutzerkonto bei dem beklagten sozialen Netzwerk Facebook.

Das Verfahren III ZR 3/21

Im ersten Verfahren verwendete der Kläger ursprünglich ein Pseudonym als Profilnamen. Auf Anfrage von Facebook im März 2018 bestätigte er nicht, dass das Pseudonym sein im Alltag verwendeter Name ist. Anschließend sperrte der Social-Media-Pionier das Nutzerkonto und schaltete es erst nach einer Änderung des Profilnamens wieder frei. Daraufhin verlangte der Kläger von der Beklagten, es künftig zu unterlassen, Änderungen seines Profilnamens zu verhindern.
 
Der III. Zivilsenat BGH hat die Entscheidung der Berufungsinstanz – OLG München – zum Teil aufgehoben. Dem Senat zufolge muss die Beklagte es dulden, dass der Kläger seinen Profilnamen wieder in ein Pseudonym ändert. Zudem muss Facebook dem Kläger den vollen Zugriff auf die Funktionen seines Nutzerkontos gewähren – und zwar unter Verwendung seines Pseudonyms. Die wesentlichen Erwägungen des Senats:
 
  • Nutzungsbedingungen von Facebook unwirksam: Bei den Nutzungsbedingungen von Facebook kam es auf den Stand vom 19.04.2018 an. Demzufolge muss der Kontoinhaber den Namen verwenden, den er auch im täglichen Leben gebraucht. Der Senat hält diese AGB für unwirksam, weil sie den Kläger entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Konkret sind die Bedingungen nicht mit § 13 Absatz 6 Satz 1 TMG vereinbar – und zwar in der Fassung, die bis November 2021 galt. Die TMG-Norm enthielt den Grundgedanken, dass der Anbieter dem Nutzer seine Dienste anonym oder unter einem Pseudonym ermöglichen muss, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist.
  • Interessenabwägung zu Lasten von Facebook: Nach einer umfassenden Abwägung der gegenseitigen Interessen kam der Senat dann zu dem Ergebnis, dass der Beklagten die Nutzung ihrer Dienste unter einem Pseudonym zumutbar ist. Dabei bezog der Senat Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, kurz Datenschutz-Richtlinie, in seine Begründung mit ein.
Die Folge: Die Unwirksamkeit der Bestimmung zur Klarnamenpflicht führt zu ihrem ersatzlosen Wegfall. Daher hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch darauf, das Netzwerk unter einem Pseudonym zu nutzen.

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Das Verfahren III ZR 4/21

Auch im zweiten Verfahren verwendete die Klägerin ein Pseudonym als Profilnamen. Dieses Nutzerkonto sperrte die Beklagte im Januar 2018. Die Klägerin, die zuvor der Aufforderung von Facebook, ihren Profilnamen zu ändern, nicht nachkam, verlangt die Aufhebung der Sperrung. In diesem Verfahren hat der Senat die Beklagte dazu verurteilt, das Nutzerkonto der Klägerin freizuschalten und der Klägerin unbeschränkten Zugriff auf die Funktionen dieses Kontos zu gewähren. 
 
Hier ging es um die Klarnamenpflicht nach den Nutzungsbedingungen der Beklagten zum Stand 30.01.2015, die der Senat ebenfalls für unwirksam hält. Auch diese Bedingungen regeln, dass die Nutzer ihre wahren Namen und Daten angeben müssen. Der Senat ging von der Unwirksamkeit dieser Bestimmung nach § 11 Satz 1 UKlaG aufgrund eines Unterlassungsurteils des LG Berlin vom 16.01.2018 (16 O 341/15) in einem Verbandsklageverfahren aus.
 

Entscheidungen nicht auf neuere Accounts übertragbar

Die Begründungen hat der BGH bisher noch nicht veröffentlicht. Wie die Karlsruher Richter aber betonen, spielte die DS-GVO in beiden Verfahren keine Rolle, weil diese erst seit dem 25.05.2018 gilt. Für die beiden aktuell entschiedenen Fälle kam es jedoch auf den Zeitpunkt der Einbeziehung der jeweiligen Facebook-AGB in die betreffenden Vertragsverhältnisse an. Da die DS-GVO aber keine Regelung kennt, die dem alten § 13 Absatz 6 Satz 1 TMG entspricht, ist die aktuelle BGH-Entscheidung auf neuere Fälle, in denen die DS-GVO anzuwenden ist, nicht übertragbar.
 
Quelle: PM des BGH vom 27.01.2022 zur Entscheidung vom selben Tag – III ZR 4/21; III ZR 3/21


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(ESV/bp)

Programmbereich: Wirtschaftsrecht