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Die klagenden Ärzte können sich dem BGH zufolge nicht gegen den Eintrag ihrer Daten Basis-Daten bei „jameda“ wehren (Foto: Rafael Henrique / stock.adobe.com)
Allgemeines Persönlichkeitsrecht

BGH: Update – Mediziner haben Eintrag im Ärzte-Such-Portal „Jameda“ zu dulden

ESV-Redaktion Recht
11.01.2022
Müssen Ärzte sich gegen ihren Willen auf dem Ärzteportal „jameda“ mit ihren Basisdaten listen lassen oder verstößt der unfreiwillige Eintrag gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht? Hierzu hatte sich der BGH im November 2021 in zwei Parallelverfahren geäußert. Inzwischen liegen die Entscheidungsgründe vor.
Die Beklagte betreibt unter „www.jameda.de“ ein Arztsuch- und Bewertungsportal. Von diesem können Nutzer kostenfrei Informationen über Ärzte und Träger anderer Heilberufe abrufen – wie etwa den Namen, den akademischen Grad, die Fachrichtung oder die Praxisanschrift mit Sprechzeiten und ähnlichen praxisbezogenen Informationen. Jameda bezieht diese Angaben über allgemein zugängliche Quellen und der Abruf der Daten ist kostenfrei.
 
Zudem können Nutzer die gelisteten Ärzte nach vorgegebenen Kriterien benoten und durch freie textliche Kommentare bewerten. Dabei errechnet das Portal aus den Einzelbewertungen für die unterschiedlichen Kategorien dann Durchschnittsnoten, woraus sich eine Gesamtnote für den betreffenden Arzt ergibt.
 
Gegen monatliche Zahlungen – 69 Euro für „Gold“ oder 139 Euro für „Platin“ – können die Ärzte ihre Profilseiten aufbessern, zum Beispiel durch Fotos, durch Verlinkung auf die eigene Webseite oder die Veröffentlichung von Fachartikeln. Bei Nichtzahlern bleibt es bei dem Standardprofil.
 
Geklagt hatte in dem Streitfall ein Mediziner-Ehepaar. Die Klägerin, eine Fachzahnärztin für Parodontologie (VI ZR 488/19) und der Kläger, ein Fachzahnarzt für Oralchirurgie (VI ZR 489/19), verlangten von der Beklagten die vollständige Löschung ihrer Daten aus dem Portal.
 
Zudem beanstandeten sie 24 Premiummerkmale – unter anderem die unterschiedliche Behandlung von zahlenden und nichtzahlenden Ärzten in Bezug auf bestimmte Serviceleistungen, wie etwa die professionelle Hilfe beim Verfassen von Texten oder die kostenlose Hotline nur für zahlende Ärzte.

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BGH: Keine unzulässige Benachteiligung der Kläger

Die Sache landete letztlich beim BGH. Vor dem VI. Zivilsenat des BGH hatte das Mediziner-Ehepaar aber keinen Erfolg. Mittlerweile hat der VI. Zivilsenat seine Entscheidung begründet. Demnach gibt es keinen generellen Anspruch auf Gleichbehandlung zwischen zahlenden und nicht zahlenden Ärzten. Die wesentlichen Überlegungen des Senats:

  • Medienprivileg greift zwar nicht: Zunächst stellte der Senat klar, dass das Medienprivileg – das sich zugunsten des beklagten Portals aus Artikel 38 Absatz 1 BayDSG in Verbindung mit Artikel 85 Absatz 2 DSGVO ergeben könnte – einem etwaigen Löschungsanspruch nicht entgegen steht. Der Grund: Jameda hat die personenbezogenen Daten der Ärzte nicht zu „journalistischen Zwecken“ verarbeitet. Hierfür fehlte dem Senat zufolge an einem ein Mindestmaß an inhaltlicher Bearbeitung.
  • Aber – Datenverarbeitung rechtmäßig im Sinne von Art. 6 DSGVO: Jameda hatte frei zugängliche Daten des Ärzteehepaars verwendet. Damit war die Datenverarbeitung nach einer Interessenabwägung des Senats rechtmäßig im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 Satz 1 f) DSGVO. Nach Meinung des Senats verfolgt das beklagte Portal berechtigte Interessen, die dem Schutz der Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit nach Artikel 11 GRCh sowie dem Schutz der unternehmerischen Freiheit nach Artikel 16 GRCh unterliegen. Zumindest in der konkreten Ausgestaltung des Ärztebewertungsportals geht die Datenverarbeitung nicht über das unbedingt Erforderliche hinaus, so dass die Interessen des Ärzteehepaars nicht überwiegen.
Da der Senat stark auf den Einzelfall abgestellt hat, kann dem Karlsruher Richterspruch kaum ein genereller Charakter zugesprochen werden. Noch im Jahre 2018 hatte der BGH zugunsten einer Ärztin entschieden. Damals hatte der BGH bezweifelt, dass „jameda“ überhaupt ein neutrales Informationsangebot ist. Auch diese Frage ist in künftigen Fällen zu prüfen. Demzufolge wird es in Zukunft auf alle Umstände des konkreten Einzelfalls ankommen.
  
Quelle: PM des BGH vom 13.10.2021 zu den Entscheidungen vom 12.10.2021 – VI ZR 488/19 und VI ZR 489/19 

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(ESV/bp)

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