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Durchschnittswerte liefern nur Indizien für sachgerechte Richterarbeit (Foto: James Steidl/Fotolia.com)
Richterliche Unabhängigkeit

BGH: Richter können wegen zu langsamer Arbeit ermahnt werden

ESV-Redaktion Recht
13.09.2017
In einem Rechtsstreit wehrt sich ein OLG-Richter gegen eine dienstrechtliche Ermahnung, seine Fälle schneller abzuschließen. Der betroffene Richter sieht sich hierdurch in seiner richterlichen Unabhängigkeit verletzt und brachte die Sache vor den Bundesgerichtshof (BGH).
Der Fall bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Unabhängigkeit der Justiz und Erwartungen der Dienstaufsicht. Es geht darum, wie schnell, sachgerecht und gründlich Richter arbeiten müssen.  

Dienstaufsicht: Erledigungszahlen unterschreiten großzügigen Toleranzbereich erheblich

Der Antragsteller – Richter am Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe - hatte nur etwa 68 Prozent des durchschnittlichen Pensums seiner Kollegen erreicht. Nachdem er in einen anderen OLG-Senat wechselte, veranlasste die Präsidentin eine Sonderprüfung des Verfahrensbestands in dem Dezernat, in dem der Antragsteller vorher gearbeitet hatte. Anschließend warf sie ihm vor, seine Fälle zu langsam abzuschließen. Sie meinte, dass diese Erledigungszahlen den großzügigen Toleranzbereich erheblich unterschreiten würden. Im Jahre 2011 habe er sogar weniger Verfahren erledigt als ein durchschnittlicher Halbtagsrichter am OLG. Daher ermahnte sie ihn dienstaufsichtlich, seine Amtsgeschäfte unverzögert zu erledigen.

Kläger: Ermahnung ist Eingriff in richterliche Unabhängigkeit

Der Kläger sieht in dieser Ermahnung einen Eingriff in seine richterliche Unabhängigkeit. Schon die Sonderprüfung durch die Präsidentin des OLG Karlsruhe sei unzulässig, so der betroffene OLG-Richter. Vielmehr sieht er darin den Versuch, ihn zu einer Änderung seiner Rechtsprechung anzuhalten.

Zudem könne er eine höhere Erledigungszahl nur erreichen, wenn er zum Beispiel Sachverhalte weniger intensiv prüfen würde.

Mit diesen Argumenten hatte der Richter allerdings weder vor dem Dienstgericht am Landgericht (LG) Karlsruhe noch vor dem Dienstgerichtshof am Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart Erfolg.

Im Wortlaut: § 26 DRiG Dienstaufsicht

(1) Der Richter untersteht einer Dienstaufsicht nur, soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt wird. 

(2) Die Dienstaufsicht umfasst vorbehaltlich des Absatzes 1 auch die Befugnis, die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen. 

(3) Behauptet der Richter, dass eine Maßnahme der Dienstaufsicht seine Unabhängigkeit beeinträchtige, so entscheidet auf Antrag des Richters ein Gericht nach Maßgabe dieses Gesetzes.

BGH: Sonderprüfung zulässig

Die Anordnung einer Sonderprüfung sah auch der BGH als rechtmäßig an. Dem Richterspruch zufolge verletzt eine solche Anordnung die richterliche Unabhängigkeit noch nicht. Angesichts des zurückgelassenen Aktenbestands beim Senatswechsel habe für die Sonderprüfung ein objektiver Anlass bestanden. Insoweit war die Revision des Antragstellers also erfolglos.

Aber: Zahl der abgeschlossenen Fälle nur Anhaltspunkt

Das Berufungsurteil des Dienstgerichtshofs wegen der Ermahnung zu einer ordnungsgemäßen und unverzögerten Erledigung der Amtsgeschäfte  hatte jedoch keinen Bestand. Der BGH hat das Berufungsurteil insoweit aufgehoben und an den Dienstgerichtshof zurückverwiesen.

Danach ist die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt, wenn dem Richter direkt oder indirekt ein Pensum abverlangt wird, das sich auch von anderen Richtern nicht mehr sachgerecht bewältigen lässt. Allerdings fehlen dem BGH zufolge ausreichende Feststellungen der Vorinstanzen dazu, was andere Richter sachgerecht hätten bewältigen können. Durchschnittszahlen liefern hierfür aber nur Anhaltspunkte, so der BGH.

Was daraus folgt
(1) Auch Richter können prinziell dienstrechtlich wegen zu geringem Arbeitstempo ermahnt werden.

(2) Hierzu sind Sonderprüfungen des Verfahrensbestands eines richterlichen Dezernats möglich, wenn entsprechende Anhaltspunkte vorliegen.

(3) Vorliegend muss der Dienstgerichtshof am OLG Stuttgart aber eingehend prüfen, ob der Antragsteller tatsächlich mehr Verfahren hätte sachgerecht abschließen können und darf hierfür nicht nur Durchschnittszahlen berücksichtigen.

Quelle: PM vom 07.09.2017 - AZ: RiZ (R) 1/15, 2/15 und 3/15

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(ESV/bp)

Programmbereich: Öffentliches Dienstrecht