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Claudia Pechstein unterliegt vor dem BGH (Foto: Dan Race/Fotolia.com)
Schiedsvereinbarung

BGH: Schadensersatzklage von Claudia Pechstein unzulässig

ESV-Redaktion Recht
10.06.2016
Die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein musste in dem jahrelangen Prozessmarathon eine entäuschende Niederlage einstecken. Der BGH erklärte die Schadensersatzklage der mehrfachen Olympiasiegerin gegen die Internationale Eislauf-Union (ISU) über fünf Millionen Euro für unzulässig.
Dies teilte die Pressestelle des Bundesgerichtshofs (BGH) in ihrer Meldung vom 07.06.2016 mit. Die Erklärung weist auf ein BGH-Urteil vom selben Tag hin. Damit widersprachen die obersten deutschen Zivilrichter dem Oberlandesgericht München.

Wirksame Schiedsvereinbarung?

Im Jahr 2009 hatte die ISU gegen Pechstein wegen zu hoher Retikulozytenwerte im Blut eine Sperre verhängt. Allerdings führt die Sportlerin diese Blutwerte auf eine vererbte Anomalie ihres Vaters zurück. Hierzu hatte sie mehrere medizinische Gutachten vorgelegt. Dopingvorwürfe hatte sie stets bestritten. Der Internationale Sportgerichtshof (CAS) hat die Sperre des Weltverbandes allerdings bestätigt.

Pechstein schaltete daraufhin das Landgericht München I ein. Sie wendete sich vor allem gegen die Struktur des Verbandes. Dem CAS wirft sie vor, nicht neutral, sondern eher verbandsnah zu sein. Darüber hinaus sei sie gezwungen gewesen, sich dem Sportgericht mit einer Schiedsvereinbarung zu unterwerfen. Anderenfalls hätte sie bei großen Wettkämpfen nicht starten können. Diese Schiedsvereinbarung legt fest, dass für Dopingverfahren allein das Sportgericht zuständig ist und die Zivilgerichte ausgeschlossen sind. Die 44-jährige Sportlerin meint, dass diese Vereinbarung rechtswidrig sei.

Nachdem sich das Landgericht München I für diesen Fall unzuständig erklärte, hatte Pechstein vor dem OLG München Erfolg. Dieses Gericht vertrat die Auffassung, dass die Verbände ein strukturelles Übergewicht bei der Besetzung der Schiedsrichter des CAS haben. Daraufhin legte die ISU Revision zum BGH ein.

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BGH: Unterzeichnung der Schiedsvereinbarung erfolgte freiwillig

Der BGH teilte die Meinung des OLG München nicht. Nach Auffassung der Karlsruher Richter ist der CAS ein echtes und unabhängiges internationales Schiedsgericht. Weiter meint das Gericht, dass die Unterzeichnung der Schiedsvereinbarung freiwillig erfolgt sei. Zwar wäre die ISU in der Tat ein Monopolist bei internationalen Veranstaltungen. Allerdings hätte diese ihre marktbeherrschende Stellung als alleiniger Weltverband nicht missbraucht. Es wäre nicht zu verurteilen, dass die Schiedsrichter aus einer geschlossenen Liste und von Vertretern der internationalen Verbände beziehungsweise des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) ausgewählt werden.

Der Einwand von Pechstein, dass die Athleten zu wenig Einfluss auf die Besetzung der Gerichte haben, wäre auch nicht entscheidend, so der BGH weiter. Schließlich würden Verbände und die Athleten mit dem Kampf gegen das Doping die gleichen Interessen verfolgen. Pechstein bliebe immer noch der Gang zu den Gerichten in der Schweiz.

Dem BGH zufolge ist die Schiedsgerichtsklausel also wirksam, obwohl die ISU als Weltverband und einziger internationaler Veranstalter eine marktbeherrschende Stellung hat und die Athleten nicht viel Einfluss auf die Besetzung der Schiedsgerichte haben.

Laut einer Meldung der FAZ vom 08.03.2016 wies Jörg Nothdurft, Leiter der Rechtsabteilung des Bundeskartellamts, im Rahmen einer Anhörung vor dem BGH zunächst auf die Konzentration und Beschleunigung der Verfahren am Internationalen Sportgerichtshof hin. Er sah dies auch als Stärke der jetzigen Organisation. Das würde aber nicht bedeuten, dass dies kartellrechtlich unbedenklich sei. Schiedsgerichte hätten ein Maximalmaß an Neutralität zu gewähren. Vergleichend wies Nothdurft in diesem Zusammenhang auf die Rolle des OLG Düsseldorf in Kartellverfahren hin: „Wenn die Richter beim OLG Düsseldorf vom BDI bestellt würden, bräuchten wir nicht anzutreten”, führte er hierzu weiter aus. Der BDI ist der Bundesverband der Deutschen Industrie. 

Pechstein hat Verfassungsbeschwerde angekündigt

Die Hauptfrage, ob die Sperre durch die ISU rechtswidrig war, bleibt nach der BGH-Entscheidung nun vorerst ungeklärt. Pechstein war aufgrund der Sperre für die olympischen Winterspiele 2010 gesperrt. Hierdurch verlor sie zahlreiche Sponsoren. Zudem entstanden ihr durch mehrere medizinische Gutachten Kosten in erheblicher Höhe.

Die Athletin hat angekündigt, dass sie Verfassungsbeschwerde einlegen will. Ein Anknüpfungspunkt hierfür wäre Art. 101 Absatz 1 Satz 2 GG. Danach darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

Quelle: PM des BGH vom 07.06.2016 zum Urteil vom selben Tag vom – KZR 6/15 

Update  19.07.2022
Wende im Fall Claudia Pechstein? BVerfG kassiert BGH-Urteil

Im Juni 2016 hatte der BGH entschieden, dass Claudia Pechstein die Internationale Eislauf-Union (ISU) nicht in Deutschland auf Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagen darf. Hintergrund war eine Dopingsperre, die die ISU gegen die fünfmalige Olympiasiegerin im Februar 2009 ausgesprochen hatte. Nun hat das BVerfG die BGH-Entscheidung kassiert. mehr …
Im Wortlaut: Art 101 GG
(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

 


Die Ökonomie des Dopings

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(ESV/bp)

Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht