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BGH: Kein Entschädigungsanspruch hessischer Mieter gegen das Land wegen enttäuschtem Vertrauen in die Wirksamkeit der Mietenbegrenzungsverordnung (Foto: Fokussiert / stock.adobe.com)
Unwirksame Mietenbegrenzungsverordnung in Hessen

BGH: Unwirksame Mietenbegrenzungsverordnung in Hessen begründet keinen Amtshaftungsanspruch

ESV-Redaktion Recht
03.02.2021
Seit geraumer Zeit steigen die Mieten vor allem in Ballungsräumen drastisch. Aus diesem Grund haben verschiedene Landesregierungen Verordnungen erlassen, die die Mieten begrenzen sollen. Doch was droht den Mietern, wenn die Mietenbegrenzungsverordnung unwirksam ist? Haftet hierfür nun das jeweilige Bundesland? Hierüber hat der BGH kürzlich entschieden.

Vorprozesse

Die Klägerin forderte aus abgetretenem Recht der Mieter auf Grundlage der Mietenbegrenzungsverordnung des Landes Hessen die Rückzahlung der überhöhten Miete von der Vermieterin. Die Klage wurde jedoch abgewiesen, da die Verordnung gegen die Begründungspflicht aus § 556d Abs. 2 S. 5-7 BGB verstößt und somit keine Wirkung entfalten konnte.

Aktuelle Verfahren

Die Klägerin geht nun aus abgetretenem Recht gegen das Land Hessen vor und fordert – wegen der fehlenden Begründung der Verordnung – Schadensersatz unter dem Aspekt der Amtshaftung.

Klägerin: Die fehlerhafte Verordnung begründet eine Amtspflichtverletzung

Die Klägerin ist der Auffassung, dass das Land Hessen seine Amtspflicht gegenüber den Mietern verletzt hat, indem es eine fehlerhafte Verordnung erlassen hatte. Dadurch sei das Vertrauen der Mieter in die Verordnung enttäuscht. Wäre die Verordnung wirksam, stünde den Mietern ein Rückzahlungsanspruch zu.

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BGH: Keine Drittbezogenheit bei legislativem Unrecht

Der III. Zivilsenat des BGH folgte diesen Argumenten nicht. Danach setzt eine Verletzung der Amtspflicht nach § 839 Abs. 1 S. 1 BGB voraus, dass eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten „Dritten“ besteht. Die weiteren Erwägungen des Senats:

  • Mietenbegrenzungsverordnung in Hessen keine individuelle Regelung: Übertragen auf den Streitfall wäre es notwendig, dass die betreffende Regelung in Form einer Einzelfallverordnung erlassen wurde. Es muss also eine individuelle und konkrete Regelung vorliegen. Die hessische Mietenbegrenzungsverordnung betrifft nach Ansicht des Senats aufgrund ihres weiten räumlichen und persönlichen Geltungsbereichs aber einen unüberschaubar großen und nicht individuell begrenzten Personenkreis. Der Gesetzgeber nimmt also ausschließlich Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit wahr, sodass bei der Verordnung keine für die Amtspflicht notwendige Drittbezogenheit vorliegt. Auch etwaige Grundrechtsverletzungen durch legislatives Unrecht begründen noch keine Drittbezogenheit, da das Tatbestandserfordernis des „Dritten“ dann in § 839 BGB leerlaufen würde.

  • Gesetzgebung im Zusammenhang mit § 556d BGB verfolgt allgemeine sozialpolitische Ziele: Die Nachteile, die den Mietern aus der Gesetzgebung des § 556d BGB und den daraus resultierenden Rechtsverordnungen entstanden sind, lösen deshalb keine Amtshaftung aus, weil die betreffenden Regelungen sozialpolitische Ziele verfolgen und keine Handlungspflicht des Staates gegenüber Einzelnen oder Gruppen vorsehen, so die Karlsruher Richter abschließend.


Ausblick

Mieter die können also die jeweilige Landesregierung, die eine unwirksame Verordnung zur Mietenbegrenzung mit räumlich und persönlich weitem Geltungsbereich erlassen hat, nach der BGH-Entscheidung nicht in Anspruch nehmen.

Auch Mietern in Berlin drohen – bei Einstufung des Mietendeckels als verfassungswidrig – Nachteile. In diesem Fall wären die Mieter gegenüber ihren Vermietern Mietnachzahlungen ausgesetzt. Hierfür würde das Land Berlin demnach wohl auch nicht haften. Allerdings ist die Sachlage hier komplexer. So ist es den Vermietern in Berlin sogar ausdrücklich verboten, überhöhte Mieten anzunehmen. Möglicherweise dürfen Mieter hier also stärker auf die Wirksamheit der Berliner Regelung vertrauen. Allerdings war die Berliner Regelung von Anfang an sehr umstritten und zahlreiche Vermieter und Verbände sind sehr früh mit Verfassungsbeschwerden hiergegen vorgegangen, über die zum Teil noch nicht entschieden wurde.

Quelle: PM des BGH vom 28.01.2021 zum Urteil vom selben Tag – III ZR 25/20

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  • Wirksamkeit von Schönheitsreparaturklauseln bei unrenoviertem Wohnraum
  • Folgen der Verletzung der Anbietpflicht nach Eigenbedarfskündigung
  • Anforderungen an die formelle Wirksamkeit von Betriebskostenabrechnungen
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(ESV/pc/bp)

Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht