BGH: Weiterleben auch bei erheblichem Leiden kein Schaden
Kläger: Arzt hätte Patienten sterben lassen müssen
Nach Auffassung des Sohnes war die Behandlung seines Vaters jedoch eine sinnlose Quälerei. Danach hätte der behandelnde Arzt den Vater sterben lassen müssen. Der Sohn klagte deshalb auf Schmerzensgeld und Schadensersatz. Wegen einer „fortgesetzten Körperverletzung“ und der daraus entstandenen Pflegekosten verlangte er insgesamt 152.000 Euro. Aufgrund des Todes seines Vaters habe er auch dessen Schmerzensgeldansprüche geerbt, so der Kläger.OLG München: Kläger hat Anspruch auf 40.000 Euro
Die Ausgangsinstanz – das Landgericht (LG) München I – hatte die Klage abgewiesen.Demgegenüber gab das Oberlandesgericht (OLG) München als Berufungsinstanz dem Kläger zumindest teilweise Recht und sprach ihm 40.000 Euro Schmerzensgeld zu. Zwar wäre der Hausarzt nicht verpflichtet gewesen, die Behandlung selbst abzubrechen. Dennoch hätte er den Betreuer ansprechen und mit diesem eingehend erörtern müssen, ob die Magensonde entfernt werden soll. Der Kläger lebte zu dieser Zeit jedoch in den USA. Daher betreute ein Rechtsanwalt seinen Vater.
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BGH: Weiterleben kein Schaden
Der Auffassung des OLG München folgte der VI. Zivilsenat des BGH nicht. Dem Senat zufolge ist das Weiterleben kein Schaden. Die Klage auf Schmerzensgeld und materiellen Schadensersatz wies er deshalb ab. Die wesentlichen Erwägungen des Senats:Menschliches Leben als höchstrangiges Rechtsgut absolut erhaltungswürdig
- In dem Streitfall steht das Weiterleben – auch mit krankheitsbedingten Leiden, das durch die künstliche Ernährung möglich wird – dem Tod gegenüber.
- Schon allein deshalb würde es sich verbieten, das Leben als Schaden anzusehen. Dies gilt nach Senatsauffassung auch dann, wenn es mit erheblichen Leiden verbunden ist. Insoweit verweist der BGH auch auf die Menschenwürde nach Art. 1 Absatz 1 GG.
- Die Verfassungsordnung würde jedenfalls aller staatlichen Gewalt verbieten, dieses Leben als Schaden anzusehen. Nur, wenn der Patient sein Leben selbst als lebensunwert erachtet, müssten lebenserhaltende Maßnahmen abgebrochen werden.
Auch einen Anspruch auf Ersatz der Behandlungs- und Pflegeaufwendungen sah der VI. Zivilsenat des BGH nicht. Danach dienen die Aufklärungs- und Behandlungspflichten im Zusammenhang mit lebenserhaltenden Maßnahmen vor allem nicht dazu, den Erben das Vermögen des Patienten möglichst ungeschmälert zu erhalten.
Quelle: PM des BGH vom 02.04.2019 zum Urteil vom selben Tag – AZ: VI ZR 13/18
Was aus der Entscheidung folgt |
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(ESV/bp)
Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht