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BGH: Einwendungen gegen Stromrechnung entbinden den Kunden prinzipiell nicht von seiner Zahlungspflicht (Foto: PeJo/Fotoloia.com)
Streit um Stromabrechnung

BGH zu Einwendungen gegen überhöhte Stromabrechnungen

ESV-Redaktion Recht
19.02.2018
Einwendungen gegen Stromnachzahlungen kann der Haushaltskunde nach § 17 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV nur bei der ernsthaften Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers erheben. Wann eine solche Möglichkeit besteht, hat der BGH aktuell entschieden.
Die Klägerin hatte die beklagten Mieter von Wohnraum mit Strom beliefert. In dem betreffenden Haushalt lebte ein älteres Ehepaar sowie zeitweise deren Enkel. Für den Abrechnungszeitraum 2014/2015 von etwa einem Jahr berechnete die Klägerin den Beklagten einen Betrag von 9.073,40 Euro. Als Basis hierfür diente der abgelesene Verbrauch von angeblich 31.814 kWh. Dieser Verbrauch hätte in etwa das 10-fache des Vorjahresverbrauchs und des üblichen Verbrauchs von vergleichbaren Haushalten ausgemacht.

Den Stromzähler der Beklagten hatte die Klägerin noch im Juli 2015 ausbauen lassen und entsorgt. Die Prüfung durch eine staatlich anerkannte Prüfstelle hatte laut eines darüber ausgestellten Prüfprotokolls keine Mängel ergeben. Die Beklagten hatten den benannten Verbrauch bestritten.

Instanzgerichte uneinig

Das Landgericht hatte die Beklagten dennoch zur Zahlung verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hin hat die Berufungsinstanz das LG-Urteil jedoch abgeändert und die Klage abgewiesen. Danach kann sich aus der enormen und nicht plausibel erklärbaren Abweichung der Verbrauchswerte die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers im Sinne von § 17 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV ergeben.

OLG Oldenburg: Mehrverbrauch rätselhaft

Das OLG sah auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagten die exorbitante Strommenge tatsächlich selbst verbraucht haben könnten. So blieb für die OLG-Richter aus Oldenburg nach dem eher bescheidenen Lebenszuschnitt und der Auflistung der vorhandenen Stromabnehmer in deren Haushalt rätselhaft, wie es zu dem außergewöhnlich hohen Verbrauchs gekommen sei. Das OLG hatte die Revision allerdings zugelassen und die Klägerin verfolgte ihre Ansprüche vor dem Bundesgerichtshof (BGH) weiter.

Im Wortlaut - § 17 StromGVV Zahlung, Verzug
(1)  (...)  Einwände gegen Rechnungen und Abschlagsberechnungen berechtigen gegenüber dem Grundversorger zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur,
1. soweit die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht oder 
2. sofern
    a)   der in einer Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch wie
          der vergleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeitraum ist und
    b)   der Kunde eine Nachprüfung der Messeinrichtung verlangt
    und solange durch die Nachprüfung nicht die ordnungsgemäße Funktion des Messgeräts festgestellt ist.

BGH: Offensichtlicher Fehler bei 10-fachem Mehrverbrauch naheliegend

Die Auffassung des OLG Oldenburg teilte auch der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH). Das oberste deutsche Zivilgericht hat die Revision der Klägerin daher zurückgewiesen. Danach hat das Berufungsgericht keinen unzutreffenden Maßstab zu Gunsten der beklagten Kunden angewendet. Vor allem die Wertung des OLG, wonach die „ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers“ im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV besteht, sah auch der VIII. Zivilsenat als naheliegend an. So hatte das Berufungsgericht insbesondere keinen zu großzügigen Maßstab zu Gunsten der Kläger angelegt. Im Einzelnen stützte der Senat seine Entscheidung auf folgende Gründe:

Grundsätzlich keine Einwendungen des Kunden im Zahlungsprozess

  • Ausgangspunkt dieser Überlegung ist der Schutzgedanke von § 17 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV. Danach muss der Versorger grundsätzlich keine Verzögerung hinnehmen.
  • Dies beruht dem Senat zufolge auf der Erwägung des Verordnungsgebers, dass der Grundversorger prinzipiell zur Vorleistung verpflichtet ist.
  • Im Zahlungsprozess muss der Versorger daher keine Verzögerungen aus unberechtigten Kundeneinwänden hinnehmen.  
  • Dementsprechend wird die Beweisaufnahme in den Fällen, in denen der Kunde nach § 17 StromGVV mit seinen Einwendungen ausgeschlossen ist, auf den Rückforderungsprozess des Kunden verlagert, führt der BGH hierzu aus.
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Ausnahme: Ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers

  • Damit, so die Karlsruher Richter weiter, werde der Kunde aber nicht rechtlos gestellt. Sofern er nämlich die „ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers“ aufzeigen kann, sei er mit seinem Einwand nicht mehr auf einen späteren Rückforderungsprozess verwiesen.
  • In diesem Fall ist sein Einwand, dass er berechnete Strommenge nicht bezogen habe, schon im Rahmen der Zahlungsklage des Versorgers zu prüfen.

Volle Beweislast dann beim Energieversorger

In diesem Fall müsse dann der Energieversorger nach allgemeinen Grundsätzen die Voraussetzungen seines Anspruchs beweisen. Hierzu gehöre auch der Stromverbrauch. Insofern hatte die Klägerin jedoch keinen tauglichen Beweis in den Tatsacheninstanzen angetreten und den streitgegenständlichen Zähler zudem entsorgt.

Quelle: PM des BGH vom 07.02.2018 zum Urteil vom selben Tag – AZ: VIII ZR 148/17

Was die Entscheidung des BGH bedeutet - Ass. jur. Bernd Preiß, ESV-Redaktion Recht
  • Zahlungsprozess und Rückforderungsprozess: Der Entscheidung zufolge kann der Kunde im Regelfall seine Einwendungen gegen die Stromabrechnung nicht in der Zahlungsklage des Versorgers geltend machen. Ihm bleibt daher prinzipiell nur eine Rückforderungsklage. Der grundsätzliche Schutz des vorleistenden Stromversorgers nach § 17 Absatz 1 StromGVV bleibt daher unangetastet.

  • Einwendung gegen Zahlungsklage als Ausnahme: Nur ausnahmsweise kann der Kunde seine Einwendungen doch schon im Zahlungsprozess geltend machen. Der Fall betraf eine Abrechnung mit einem Vergleichsverbrauch vom 10-fachen des üblichen Verbrauchs und einer Nachzahlungsforderung von etwa 9.000 Euro ohne plausible Erklärung. Hier nahm der BGH eine Ausnahme an.

  • Grenzen fließend: Wo die Grenzen zwischen einem normalen Mehrverbrauch und der „ernsthaften Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers“ liegen, bleibt aber offen. Diese Grenze dürfte bei einem Mehrverbrauch, der einige hundert Euro im Jahr ausmacht, wohl noch nicht überschritten sein.
Die Regelung des §§ 17 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 StromGVV blieb laut der Pressemeldung des BGH vom 07.02.2018 außen vor. 

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(ESV/bp)

Programmbereich: Energierecht