BGH zu Schönheitsreparaturen: Vermieter und Mieter in der Pflicht
LG Berlin – 18. Zivilkammer: Dekorativer Verschleiß kein Mangel im Sinne von § 536 Absatz 1 BGB
In dem ersten BGH-Streitfall (VIII ZR 163/1) mieteten die Kläger im Jahr 2002 von der beklagten Vermieterin eine unrenovierte Wohnung in Berlin. Da sich der Zustand der Wohnungsdekoration bis März 2016 verschlechtert hatte, verlangten sie von der Vermieterin, dass diese Tapezier- und Anstricharbeiten ausführen lässt. Ihrem Verlangen – das erfolglos blieb – hatten sie einen entsprechenden Kostenvoranschlag beigefügt. Anschließend klagten die Mieter auf Zahlung eines entsprechenden Vorschusses von 7.312,78 €. Ihren Anspruch stützen sie auf § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Die Klage hatte in den Vorinstanzen jedoch keinen Erfolg. Die 18. Zivilkammer des LG Berlin meinte als Berufungsinstanz, dass nur aufgrund des dekorativen Verschleißes kein Mangel im Sinne von § 536 Abs. 1 BGB vorlag und wies die Klage ab. Die zentralen Erwägungen der 18. Zivilkammer:
- Schönheitsreparaturklausel zwar unwirksam: die 18. Zivilkammer des LG Berlin hielt die Schönheitsreparaturklausel des Mietvertrags für unwirksam und sah auch eine grundsätzliche Pflicht des Vermieters zur Instandhaltung.
- Aber – unrenovierter Zustand ist vertragsgemäß: Allerdings hatten die Kläger nach Auffassung der Kammer den unrenovierten Zustand als vertragsgemäß akzeptiert. Hinzu kommt, dass der Zustand der Mietwohnung im Fall einer Renovierung erheblich besser wäre als der vertraglich geschuldete Zustand.
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LG Berlin – 63. Zivilkammer: Unwirksame AGB gehen zu Lasten des Vermieters
- Grundsätzlich gilt – Kenntnis des schlechten Zustands führt zur Billigung: Auch nach Meinung der 63. Zivilkammer billigt der Mieter die Wohnung grundsätzlich in Kenntnis ihres Zustands. Demnach wäre der Vermieter allenfalls dazu verpflichtet, den ursprünglichen Abnutzungsstand wiederherzustellen. Er müsste also keine vollständige Renovierung durchführen, die den Zustand der Wohnung gegenüber dem Ausgangszustand deutlich verbessert, so die Kammer.
- Aber – der Anfangszustand ist nicht immer eine Beschaffenheitsvereinbarung: Jedoch ist der Kammer zufolge nicht stets der schlechte Anfangszustand einer Wohnung als vertraglich vereinbart zugrunde zu legen. Vielmehr setzt eine konkrete Beschaffenheitsvereinbarung, die sich auf den schlechten Anfangszustand einer Wohnung bezieht, übereinstimmende Erklärungen der Parteien voraus. Solche Erklärungen sah die 63. Kammer des LG Berlin in dem vorliegenden Fall nicht.
- Verpflichtung des Vermieters ist Spiegelbild unwirksamer AGB: Hierbei berücksichtigte die Kammer auch die unwirksame Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter. Diese soll dazu führen, dass die von beiden Seiten gewollte regelmäßige Durchführung der Schönheitsreparaturen spiegelbildlich den Vermieter trifft. Dies folgt nach Auffassung der Kammer zwangsläufig aus der Unwirksamkeit der AGB.
BGH: Mieter kann – unter bestimmten Voraussetzungen – die Durchführung von Schönheitsreparaturen verlangen
- Verschlechterung des Dekorationszustandes: Der Dekorationszustand der Wohnung muss sich wesentlich verschlechtert haben. Dies ist bei langjährigen Mietverträgen anzunehmen, so der Senat.
- Unrenovierte Wohnung als vertragsgemäß: Der unrenovierte Zustand der Wohnung muss vertragsgemäß gewesen sein.
- Keine wirksame Abwälzung der Schönheitsreparaturen: Die Schönheitsreparaturen dürfen nicht wirksam auf den Mieter übertragen worden sein. Dies ist dem Senat zufolge nach wie vor dann der Fall, wenn die Wohnung unrenoviert übergeben wurde.
Die weiteren wesentlichen Überlegungen des Senats:
- Schönheitsreparaturklauseln unwirksam: Dem Senat zufolge sind zwar beide Berufungskammern in Berlin zutreffend davon ausgegangen, dass die Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf die Mieter in den jeweiligen Formularmietvertrag unwirksam ist, weil den Mietern die Wohnung ohne Ausgleich unrenoviert überlassen wurden.
- Keine uneingeschränkte Renovierungspflicht für Vermieter: Die Auffassung der 63. Zivilkammer des LG Berlin, wonach sich der Vermieter spiegelbildlich an der von beiden Parteien gewollten frischen Renovierung festhalten lassen muss und ihn daher eine uneingeschränkte Renovierungspflicht trifft, teilte der BGH in dem Verfahren VIII ZR 270/18 aber nicht.
- Ansprüche des Mieters scheiden nicht vorn vornherein aus: Ebenso wenig können die Instandhaltungsansprüche der Mieter unabhängig von dem weiteren Verschleiß der Dekoration aber von vornherein ausscheiden, wie die 18. Zivilkammer des LG Berlin meint.
- Instandhaltungspflicht des Vermieters bei wesentlicher Verschlechterung: Vielmehr trifft den Vermieter eine Instandhaltungspflicht, wenn sich der Ausgangszustand der Dekoration wesentlich verschlechtert hat. Dies ist dem Senat zufolge bei langjährigen Mietverhältnissen eher die Regel.
- Frische Renovierung zweckmäßig: Da die Wiederherstellung in den vertragsgemäßen Ausgangszustand meist unpraktikabel und/oder unwirtschaftlich ist, hält der VIII. Zivilsenat des BGH allein eine Schönheitsreparatur für sach- und interessengerecht, durch die Wohnung frisch renoviert wird.
- Ausgleichsanspruch des Vermieters: Allerdings, so der Senat weiter, wird die Wohnung dann in einen besseren Zustand versetzt als geschuldet. Damit würde es der Grundsatz von Treu und Glauben gebieten, die Interessen der Vertragspartner angemessen auszugleichen.
Quelle: PM des BGH vom 8.7.2020 zur Entscheidung vom selben Tag – VIII ZR 163/18 und VIII ZR 270/18
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(ESV/bp)
Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht