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Der BGH klärt einige Fragen zum Schadenersatz im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal. (Foto: psdesign1 / Fotolia.com)
Schadenersatz beim VW-Diesekskandal

BGH zum Diesel-Abgasskandal: Nicht alle VW-Käufer bekommen Schadenersatz

ESV-Redaktion Recht
05.08.2020
Am 25.5.2020 entschied der BGH, dass VW Käufer von Diesel-Fahrzeugen mit manipulierter Abgassoftware prinzipiell arglistig getäuscht hat. Nach einigen weiteren Entscheidungen zu diesem Themenkomplex stellt der BGH nun klar, dass VW nicht stets Schadenersatz in vollem Umfang leisten muss. Nachfolgend finden Sie dazu einige Fallgruppen.
In mehreren aktuellen Verfahren vor dem VI. Zivilsenat des BGH ging es nun darum, ob und in welchem Umfang sich VW-Käufer Gebrauchsvorteile anrechnen lassen müssen, weil sie das betreffende Fahrzeug eine Zeit lang gefahren haben. Darüber hinaus hat der Senat die Frage geklärt, ob getäuschte VW-Käufer Anspruch auf sogenannte Deliktszinsen haben. Ebenso befasste sich der Senat damit, ob VW für Käufe nach Bekanntwerden des Dieselskandals noch Schadensersatz leisten muss. Schließlich entschied der Senat noch, dass der Fahrzeughersteller trotz Aufspielen eines Software-Updates grundsätzlich schadenersatzpflichtig bleibt. 


Gebrauchsvorteile können Schadensersatzanspruch vollständig aufzehren 

In dem betreffenden Fall hatte der Kläger im Mai 2014 von einem Dritten einen VW Passat zum Preis von 23.750 Euro gekauft. Beim Kauf hatte das Fahrzeug eine Laufleistung von etwa 57.000 Kilometern. Aktuell liegt der Kilometerstand bei rund 255.000 Kilometern. Ein Software-Update, dass die Beklagte dem Kläger angeboten hatte, ließ dieser nicht aufspielen. Von VW verlange er nun als Schadenersatz die volle Erstattung des Kaufpreises. Zudem machte er sogenannte Deliktszinsen seit Mai 2014 geltend.

Die Berufungsinstanz – das OLG Braunschweig – wies die Klage ab. Die Brauschweiger Richter gingen davon aus, dass ein VW-Passat eine Gesamtlaufleistung von rund 250.000 Kilometern hat. Damit habe der Kläger das Auto bis zu seinem Lebensende genutzt, so das OLG, das damit auch etwaige Ansprüche gegen VW verneinte.

Die Revision gegen das Urteil des OLG Braunschweig zum BGH hatte keinen Erfolg. Der VI. Zivilsenat ließ die Auffassung der Berufungsinstanz, nach der die Nutzung des Fahrzeugs den Kaufpreis vollständig aufzehrt, unbeanstandet. Die vom OLG angenommene Gesamtlaufleistung hatte der Kläger mit seiner Revision nicht angegriffen. Auch den Zinsanspruch sah der BGH nicht.

Quelle: PM des BGH vom 30.7.202 zur Entscheidung vom selben Tag – VI ZR 354/19


Keine Deliktszinsen

In dem Streitfall erwarb die Klägerin im August 2014 einen gebrauchten VW Golf VI 1,6 TDI mit einer Laufleistung von rund 23.000 Kilometern. Der Kaufpreis betrug 15.888 Euro. Der Golf hatte einen Dieselmotor mit der manipulierten Abgassoftware. Das Kraftfahrt-Bundesamt sah darin eine unzulässige Abschalteinrichtung und gab VW im Jahr 2017 auf, ein Software-Update auf das Fahrzeug aufspielen. Die Klägerin verlangt von VW neben Schadenersatz für den Kaufpreises auch Zinsen ab Kaufpreiszahlung nach § 849 BGB.
 
Der VI. Zivilsenat des BGH bejahte zwar den Schadenersatzanspruch dem Grunde nach.  Den Anspruch auf die Deliktszinsen lehnte der Senat aber ab. Demnach steht einer Anwendung von § 849 BGB der Umstand entgegen, dass die Klägerin tatsächlich ein voll nutzbares Fahrzeug erhalten hat. In diesem Fall entspricht die Verzinsung nicht dem Zweck von § 849 BGB, so der Senat.
 
PM des BGH vom 30.7.202 zur Entscheidung vom selben Tag – VI ZR 397/19

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Kein Schadensersatz bei Kauf nach Bekanntwerden des Dieselskandals

Der Kläger verlangte Schadenersatz von VW aus dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung. Im August 2016 erwarb er einen gebrauchten VW Touran Match zum Kaufpreis von 13.600 Euro von einem Gebrauchtwagenhändler. Das Fahrzeug hatte einen 2,0-Liter-Dieselmotor vom Typ EA189 mit der Abgasmanipulationssoftware und der Schadstoffnorm Euro 5. Der beklagte Fahrzeughersteller hatte über die Manipulationen an der betroffenen Motorreihe aber wie folgt berichtet: 

  • Pressemitteilung von VW: Am 22.9.2015 informierte VW die Öffentlichkeit über Unregelmäßigkeiten der verwendeten Software bei Dieselmotoren in einer Pressemitteilung. Zudem teilte der Fahrzeughersteller mit, dass er daran arbeite, die Abweichungen zwischen Messwerten am Prüfstand und dem realen Fahrbetrieb technisch zu beseitigen. Darüber hinaus stehe VW mit dem Kraftfahrt-Bundesamt in Kontakt, so die weiteren Informationen des Fahrzeugherstellers.
  • Medienberichte über Bereitstellung eines Software-Updates: Zudem hatte das Kraftfahrt-Bundesamt dem beklagten Fahrzeughersteller im Oktober 2015 aufgegeben, die Vorschriftsmäßigkeit der bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeuge zu sichern. Daraufhin hatte die Beklagte ein Software-Update bereitgestellt. Diese wurde nach August 2016 auch bei dem Fahrzeug des Klägers aufgespielt. Auch über die Software-Updates hatten Presse, Funk und Fernsehen umfangreich berichtet, so der BGH.
BGH: Bisheriges Unwerturteil ist entfallen

Der VI. Zivilsenat des BGH hat hier Ansprüche des Klägers gegen VW aus § 826 BGB verneint. Der Senat sah das Verhalten des Autoherstellers nicht mehr als sittenwidrig an. Demnach sind die potenziell schadensursächliche Handlung und der Eintritt des Schadens nicht nur zeitlich auseinandergefallen. Vielmehr hatte VW sein Verhalten zwischenzeitlich auch nach außen erkennbar geändert. Damit, so der Senat weiter, lagen wesentliche Elemente, die das bisherige Unwerturteil begründeten, nicht mehr vor. Dies ließ den Vorwurf der Sittenwidrigkeit entfallen. Dem Senat zufolge war schon die Mitteilung von VW vom 22.9.2015 objektiv dazu geeignet, das Vertrauen von VW-Käufern in eine vorschriftsgemäße Abgastechnik zu erschüttern. Dies hatte die Folge, dass potenzielle VW-Käufer nicht mehr arglos sein konnten.

Quelle: PM des BGH vom 30.7.202 zur Entscheidung vom selben Tag – VI ZR 5/20


Aber – Schadensersatz auch bei Software-Update

Schließlich meint der VI. Zivilsenat des BGH aber, dass der Käufer eines Fahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung auch dann einen Schadensersatzanspruch gegen VW haben kann, wenn ein Software-Update aufgespielt wurde. In dem Streitfall hatte der Kläger am 4.4.2014 von einem Autohaus einen gebrauchten VW Tiguan 2.0 TDI für 21.500 Euro erworben. Im Februar 2017 ließ er an dem Fahrzeug ein Software-Update durchführen. Die Kernpunkte der Entscheidung:

  • BGH zu Anforderungen an Klägervortrag: Nach Auffassung des BGH musste der Käufer – entgegen der Meinung der beiden Vorinstanzen – nicht näher vortragen, welche konkrete Person, die bei VW beschäftigt ist, für den Einsatz der illegalen Abschalteinrichtung verantwortlich ist. Der Grund: Die Entscheidung über den Einsatz der Abschalteinrichtung betrifft die grundlegende strategische Frage, wie die Beklagte die Stickoxidgrenzwerte der Euro-5-Norm sicherstellen wollte. Daher hat die Behauptung des Klägers ausgereicht, dass diese Entscheidung auf Vorstandsebene oder durch einen verfassungsmäßig berufenen Vertreter getroffen bzw. gebilligt wurde.
  • Wirtschaftliches Selbstbestimmungsrecht des Klägers verletzt: Darüber hinaus ist der Schaden des Klägers im Sinne von § 826 BGB nicht aufgrund des Software-Updates entfallen. Die Begründung: Der Schaden des Klägers liegt in einem von VW sittenwidrig herbeigeführten Vertragsschluss, den der Kläger so nicht gewollt hat. Damit habe VW das wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht des Klägers verletzt, so der Senat. Auch ein solcher Schaden falle unter den Schutzzweck von § 826 BGB.
Der BGH hat das Urteil der Berufungsinstanz – OLG Brauschweig – aufgehoben und zurückverwiesen. Das OLG muss nun unter Beachtung der Grundsätze des BGH-Urteils vom 25.5.2020 (VI ZR 252/19) neu über den Fall verhandeln.

Quelle: PM des BGH vom 30.7.2020 Entscheidung vom selben Tag – VI ZR 367/19


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