BGH zum Diesel-Abgasskandal: Nicht alle VW-Käufer bekommen Schadenersatz
Gebrauchsvorteile können Schadensersatzanspruch vollständig aufzehren
Quelle: PM des BGH vom 30.7.202 zur Entscheidung vom selben Tag – VI ZR 354/19
Keine Deliktszinsen
Der kostenlose Newsletter Recht - Hier können Sie sich anmelden! |
Redaktionelle Nachrichten zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps. |
Kein Schadensersatz bei Kauf nach Bekanntwerden des Dieselskandals
- Pressemitteilung von VW: Am 22.9.2015 informierte VW die Öffentlichkeit über Unregelmäßigkeiten der verwendeten Software bei Dieselmotoren in einer Pressemitteilung. Zudem teilte der Fahrzeughersteller mit, dass er daran arbeite, die Abweichungen zwischen Messwerten am Prüfstand und dem realen Fahrbetrieb technisch zu beseitigen. Darüber hinaus stehe VW mit dem Kraftfahrt-Bundesamt in Kontakt, so die weiteren Informationen des Fahrzeugherstellers.
- Medienberichte über Bereitstellung eines Software-Updates: Zudem hatte das Kraftfahrt-Bundesamt dem beklagten Fahrzeughersteller im Oktober 2015 aufgegeben, die Vorschriftsmäßigkeit der bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeuge zu sichern. Daraufhin hatte die Beklagte ein Software-Update bereitgestellt. Diese wurde nach August 2016 auch bei dem Fahrzeug des Klägers aufgespielt. Auch über die Software-Updates hatten Presse, Funk und Fernsehen umfangreich berichtet, so der BGH.
Der VI. Zivilsenat des BGH hat hier Ansprüche des Klägers gegen VW aus § 826 BGB verneint. Der Senat sah das Verhalten des Autoherstellers nicht mehr als sittenwidrig an. Demnach sind die potenziell schadensursächliche Handlung und der Eintritt des Schadens nicht nur zeitlich auseinandergefallen. Vielmehr hatte VW sein Verhalten zwischenzeitlich auch nach außen erkennbar geändert. Damit, so der Senat weiter, lagen wesentliche Elemente, die das bisherige Unwerturteil begründeten, nicht mehr vor. Dies ließ den Vorwurf der Sittenwidrigkeit entfallen. Dem Senat zufolge war schon die Mitteilung von VW vom 22.9.2015 objektiv dazu geeignet, das Vertrauen von VW-Käufern in eine vorschriftsgemäße Abgastechnik zu erschüttern. Dies hatte die Folge, dass potenzielle VW-Käufer nicht mehr arglos sein konnten.
Quelle: PM des BGH vom 30.7.202 zur Entscheidung vom selben Tag – VI ZR 5/20
Aber – Schadensersatz auch bei Software-Update
- BGH zu Anforderungen an Klägervortrag: Nach Auffassung des BGH musste der Käufer – entgegen der Meinung der beiden Vorinstanzen – nicht näher vortragen, welche konkrete Person, die bei VW beschäftigt ist, für den Einsatz der illegalen Abschalteinrichtung verantwortlich ist. Der Grund: Die Entscheidung über den Einsatz der Abschalteinrichtung betrifft die grundlegende strategische Frage, wie die Beklagte die Stickoxidgrenzwerte der Euro-5-Norm sicherstellen wollte. Daher hat die Behauptung des Klägers ausgereicht, dass diese Entscheidung auf Vorstandsebene oder durch einen verfassungsmäßig berufenen Vertreter getroffen bzw. gebilligt wurde.
- Wirtschaftliches Selbstbestimmungsrecht des Klägers verletzt: Darüber hinaus ist der Schaden des Klägers im Sinne von § 826 BGB nicht aufgrund des Software-Updates entfallen. Die Begründung: Der Schaden des Klägers liegt in einem von VW sittenwidrig herbeigeführten Vertragsschluss, den der Kläger so nicht gewollt hat. Damit habe VW das wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht des Klägers verletzt, so der Senat. Auch ein solcher Schaden falle unter den Schutzzweck von § 826 BGB.
Quelle: PM des BGH vom 30.7.2020 Entscheidung vom selben Tag – VI ZR 367/19
Mehr zum Thema
Erste BGH-Entscheidung zum VW-Abgasskandal | 25.05.2020 |
BGH bejaht vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch VW im Dieselskandal | |
Hat VW den Käufer eines gebrauchten VW-Sharans, der mit einer unzulässigen Abschaltsoftware ausgestattet war, vorsätzlich sittenwidrig geschädigt? Der BGH hat dies bejaht und damit die Entscheidungen der Mehrheit der Oberlandesgerichte bestätigt. Allerdings muss sich der Käufer einen Gebrauchsvorteil anrechnen lassen, wenn er das Fahrzeug zurückgeben will. mehr … |
VRSdigitalDie Verkehrsrechts-Sammlung (VRS) ist jeden Monat Ihre direkteste Route zu sorgfältig ausgewählter verkehrsrechtlicher Rechtsprechung und relevanten Fach- und Branchennews.Recherchieren Sie systematisch in über 22.000 wichtigen Entscheidungen seit 1951 – über treffgenaue Volltextsuche nach Begriff, Paragraph, Aktenzeichen oder Gericht. Lesen Sie aktuelle Meldungen rund um das Verkehrsrecht. Ergänzend haben Sie Zugriff auf zentrale Gesetze. Neben allen verkehrsrechtlichen Standardbereichen finden Sie auch relevante Nachbarfelder adäquat berücksichtigt:
|
|
Verlagsprogramm | Weitere Nachrichten aus dem Bereich Recht |
(ESV/bp)
Programmbereich: Verkehrsrecht, -wirtschaft, -technik