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BGH: Beim gutgläubigen Erwerb eines Fahrzeugs muss der Erwerber darlegen, dass er die Zulassungsbescheinigung Teil II  überprüft hat (Foto: FM2 / stock.adobe.com)  
Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten

BGH zur Beweislast bei gutgläubigem Erwerb eines Fahrzeugs

ESV-Redaktion Recht
26.09.2022
Kann sich der Erwerber eines gebrauchten Fahrzeugs auf den gutgläubigen Erwerb von einem Nichtberechtigten berufen, wenn ihm im Rahmen des Erwerbs eine hochwertige Fälschung der Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt wurde? Hierüber hat der BGH vor Kurzem entschieden.
In dem Streitfall kaufte eine italienische Gesellschaft im März 2019 über einen Vermittler ein Fahrzeug von einem Autohaus, bei dem sich das Fahrzeug auch befand. Eigentümerin war aber die spätere Beklagte, eine Leasinggesellschaft. Diese hatte das Fahrzeug an das Autohaus verleast. 
 
Nachdem der Kaufpreis von etwa 30.800 EUR bezahlt war, holte der Vermittler das Fahrzeug Anfang April 2019 bei dem Autohaus ab und brachte es nach Italien.
 
Als die Klägerin ein weiteres Auto von dem Autohaus kaufen wollte, war dieses geschlossen und gegen dessen Geschäftsführer wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Betruges in über 100 Fällen eingeleitet. Die Zulassungsbescheinigung Teil II für das gekaufte Fahrzeug, befand sich noch immer bei der Leasinggesellschaft, die die Herausgabe der Bescheinigung verweigerte.  
 
Daraufhin verklagte das italienische Unternehmen die Leasinggesellschaft auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II. Die Klägerin meinte, dass sie gutgläubig Eigentum an dem Fahrzeug erworben habe. Im Wege der Widerklage verlangte die Leasinggesellschaft von der Klägerin dann  das Fahrzeug heraus, weil auch sie meint, Eigentümerin zu sein.
 

Keine Einigkeit bei den Instanzgerichten

Die Ausgangsinstanz, das LG Stuttgart (14 O 43/20), hat die Klage abgewiesen. Auf die Widerklage hin hat es die Klägerin dazu verurteilt, das Fahrzeug herauszugeben. Anderer Ansicht war die Berufungsinstanz. So hat das OLG Stuttgart (9 U 90/21) die Beklagte zur Herausgabe der Zulassungsbescheinigung verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Hiergegen wendete sich die Beklagte mit einer Revision zum BGH.

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BGH: Beklagte hat Eigentum am Fahrzeug verloren

Das Rechtsmittel der Beklagten hatte vor dem V. Zivilsenat des BGH keinen Erfolg. Der Senat hat die Revision zurückgewiesen. Demnach konnte sich die Klägerin auf den gutgläubigen Erwerb des Fahrzeugs berufen. Die weiteren tragenden Erwägungen des Senats: 

  • Übergabe des Fahrzeugs und Einigung: Ursprünglich war die beklagte Leasinggesellschaft Eigentümerin an dem Fahrzeug. Allerdings hat zwischen der Klägerin und dem Autohaus eine Übergabe des Fahrzeugs mit Einigung im Sinne von § 929 Satz 1 BGB stattgefunden, so der Senat weiter. Zwar gehörte das Fahrzeug nicht dem Autohaus, sodass die Klägerin das Eigentum nur gutgläubig erwerben konnte.
  • Beweislast für Bösgläubigkeit liegt bei der Beklagten: Dem Senat zufolge hätte die Beklagte nun beweisen müssen, dass die Klägerin beim Erwerb nicht in gutem Glauben war. Demnach hat der Gesetzgeber die fehlende Gutgläubigkeit im Verkehrsinteresse bewusst als Ausschlussgrund geregelt. Zwar muss derjenige, der sich auf gutgläubigen Erwerb beruft, die Voraussetzungen des Erwerbs nach § 929 BGB darlegen und beweisen. Hierzu gehört aber nicht seine Gutgläubigkeit, so der Senat weiter.
  • Dennoch – sekundäre Darlegungslast für den (gutgläubigen) Erwerber: Den Erwerber, der einen gutgläubigen Erwerb geltend macht, trifft jedoch grundsätzlich eine sekundäre Darlegungslast. Er muss also vortragen, dass er die Zulassungsbescheinigung Teil II überprüft hat. Hierzu gehören auch Angaben darüber, wann und wo er die Bescheinigung geprüft und und wer ihm diese vorgelegt hat. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, muss der bisherige Eigentümer beweisen, dass diese Angaben nicht der Wahrheit entsprechen. Das Berufungsgericht war der Ansicht, dass die Klägerin mit ihrem Vortrag – nach dem ihr eine hochwertige Fälschung vorgelegt wurde – ihre sekundäre Darlegungslast erfüllt hatte und dass die Beklagte die fehlende Gutgläubigkeit der Klägerin nicht bewiesen hatte.
  • Fehlende Aushändigung der Zulassungsbescheinigung Teil II unschädlich: Nach den weiteren Ausführungen der Vorinstanz hatte die Klägerin ihren guten Glauben auch nicht deshalb verloren, weil das Autohaus dem Vermittler die Zulassungsbescheinigung Teil II nicht ausgehändigt hatte. Hierdurch sollte der Berufungsinstanz zufolge sichergestellt werden, dass die Klägerin – wie auch vertraglich vereinbart – die sogenannte Gelangensbestätigung nach § 17a Absatz 2 Nr. 2 UStDV übersendet. Mit dieser kann beim innergemeinschaftlichen Erwerb die Umsatzsteuerfreiheit nachgewiesen werden. Diese Ausführungen der Vorinstanz hat der V. Zivilsenat des BGH im Rahmen seiner eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle nicht beanstandet.
Quelle: PM des BGH  vom 23.09.2022 zum Urteil vom selben Tag – V ZR 148/21


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(ESV/bp)
 

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