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BGH: Masseninkasso mit Auslandsberührung erfordert keine weitere Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG (Foto: marcus_hofmann / stock.adobe.com)
Rechtsdienstleistungen mit Auslandsberührung

BGH zur Klagebefugnis von „Myright“ im VW Abgas-Skandal bei einer Sammelklage aus der Schweiz

ESV-Redaktion Recht
15.06.2022
Ist ein deutscher Inkassodienstleister klagebefugt, wenn er sich den etwaigen Schadenersatzanspruch eines VW-Kunden mit Sitz in der Schweiz im Zusammenhang mit dem Diesel-Skandal nach schweizerischem Recht treuhänderisch übertragen ließ? Hierzu hat sich der BGH aktuell geäußert.
In dem Streitfall hatte der Käufer von einer Schweizer Vertragshändlerin einen VW Tiguan mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 (Erstzulassung 2015) erworben. Die Software des Motors erkannte, wenn sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand mit dem Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) befand und schaltete in diesem Fall in den Stickoxid-optimierten Abgasrückführungsmodus um. Die Folge: Auf dem Prüfstand zeigten sich geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb.

Das Kraftfahrt-Bundesamt bewertete diese Software als unzulässige Abschalteinrichtung und ordnete für die betroffenen Fahrzeuge einen Rückruf an. Der Erwerber des Fahrzeugs ließ Ende 2016 ein Software-Update aufspielen.
 
Im Dezember 2017 trat der Erwerber seine etwaigen Forderungen gegen VW treuhänderisch zur Einziehung an die Inkasso-Dienstleisterin und spätere Klägerin „Myright“ ab. Dieses Unternehmen ist eine in Deutschland ansässige Inkasso-GmbH und wurde nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG (siehe unten) registriert. Die Klägerin sollte die Forderung zunächst außergerichtlich geltend machen. Beim Scheitern sollte sie die Ansprüche einklagen und im Erfolgsfall eine Provision erhalten. Kosten der Rechtsverfolgung sollten beim Erwerber des Fahrzeugs nicht anfallen.
 

OLG Braunschweig: Ausländisches Sachrecht erfordert besondere Inkasso-Erlaubnis

Die Klägerin verklagte VW dann im Jahr 2019 ohne Erfolg vor dem LG Braunschweig auf Schadenersatz. Auch die Berufung der Beklagten zum OLG Braunschweig hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des OLG fehlte der Klägerin für die Geltendmachung der Schadenersatzforderung die Aktivlegitimation. Demnach unterliegt die Übertragung der Forderung dem Schweizer Recht, so dass die Klägerin über eine besondere Sachkunde hätte verfügen müssen. Diese konnte sie aber nicht darlegen. Damit, so das Berufungsgericht weiter, fehle der Klägerin eine Inkasso-Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG. Dieser Verstoß führt dem OLG zufolge auch zur Nichtigkeit der Forderungsübertragung. Das OLG Braunschweig ließ die Revision zum BGH allerdings zu.

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BGH: Keine besondere Inkasso-Erlaubnis bei treuhänderisch übertragener Forderung notwendig

Der Zivilsenat VI a  des BGH – der vorübergehend als Hilfsspruchkörper eingerichtet wurde – hat nun entschieden, dass ein Inkassodienstleister, der nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 RDG registriert ist, keine weitere Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG braucht, wenn er eine Forderung außergerichtlich geltend macht, die ausländischen Sachrecht unterliegt und die ihm treuhänderisch übertragen wurde. Die wesentlichen Überlegungen des Senats: 

  • Ergebnis durch Auslegung geboten: Der Senat will dieses Ergebnis aus dem Wortlaut, aus der Gesetzessystematik, aus dem Sinn und Zweck des RDG sowie aus der Gesetzgebungsgeschichte herleiten. Insoweit hat sich der Senat auch auf die Entscheidungen des VIII. Zivilsenats vom 27. 11.2019 (VIII ZR 285/18) und des II. Zivilsenats vom 13.07.2021 (II ZR 84/20) berufen.
  • Schutzzweck des RDG erfordert keine zusätzliche Erlaubnis: Darüber hinaus meint der Senat, dass der Schutzzweck des RDG vorliegend keine zusätzliche Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG gebietet.
  • Aktivlegitimation gegeben: Damit, so der Senat weiter, ist die Übertragung der streitgegenständlichen Forderung nicht per se nichtig.
Der Senat hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Das Berufungsgericht muss sich nun inhaltlich mit der Berechtigung der Forderung der Klägerin auseinandersetzen. 
 
Quelle: PM des BGH vom 13.06.2022 zum Urteil vom selben Tag – VIa ZR 418/21


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Verlagsprogramm Weitere Nachrichten aus dem Bereich Recht 

Im Wortlaut – § 10 RDG – Rechtsdienstleistungen aufgrund besonderer Sachkunde (Auszug)
(1) Natürliche und juristische Personen sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die bei der zuständigen Behörde registriert sind (registrierte Personen), dürfen aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen in folgenden Bereichen erbringen:

1. Inkassodienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1),

2. [ … ]

3. Rechtsdienstleistungen in einem ausländischen Recht; ist das ausländische Recht das Recht eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, darf auch auf dem Gebiet des Rechts der Europäischen Union und des Rechts des Europäischen Wirtschaftsraums beraten werden.

Die Registrierung […]


(ESV/bp)

Programmbereich: Wirtschaftsrecht