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BGH: Provider darf bei offensichtlichen Verletzungen des Urheberrechts Protokolle über vergebene IP-Adressen nicht löschen (Foto: foto_don/Fotolia.com)
Urheberrecht - Sicherung der Drittauskunft

BGH zur Providerauskunft bei Urheberrechtsverletzungen über das Internet

ESV-Redaktion Recht
29.11.2017
Bei Urheberrechtsverletzungen im Internet kann oft nur der Zugangsprovider mittels der IP-Adressen die Identität des betreffenden Anschlussinhabers ermitteln. Über die Providerpflichten gegenüber dem Rechteinhaber und den Verfahrensweg im Streitfall hat der Bundesgerichtshof in einem aktuell veröffentlichten Urteil entschieden.
Die Klägerin stellt Tonträger her. Die Beklagte hatte ihren Kunden als sogenannter Access-Provider Zugang zum Internet vermittelt und dafür dynamische IP-Adressen vergeben. Mit Schreiben vom 22.03.2011 forderte die Klägerin die Beklagte vergeblich auf, Verbindungsdaten zu 21 IP-Adressen mit den dazu gehörigen Verbindungszeitpunkten zunächst nicht zu löschen. Dem Schreiben zufolge hatten Kunden der Beklagten unter diesen IP-Adressen Musikaufnahmen zum Herunterladen bereitgestellt, an denen die Klägerin die ausschließlichen Verwertungsrechte hielt. Hierbei, so die Klägerin weiter, hätten die Kunden eine File-Sharing-Software eingesetzt.

Am 22.03.2011 stellte die Klägerin dann zunächst einen entsprechenden Unterlassungsantrag im Verfügungsverfahren nach den Regelungen der ZPO. 

Das Landgericht (LG) Hamburg hatte der Beklagten daraufhin per einstweiliger Anordnung aufgegeben, die Daten, aus denen sich ergibt, welchen Kunden die betreffenden IP-Adressen zu den jeweiligen Zeitpunkten zugeordnet waren, bis zum Abschluss des Auskunftsverfahrens nach § 101 Absatz 2 und 9 UrhG nicht zu löschen. Auf die Beschwerde der Beklagten hob das Landgericht diesen Beschluss wieder auf und wies den Antrag auf Gestattung der Auskunft zurück. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Klägerin hat das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) Hamburg zurückgewiesen.

Klägerin macht Ansprüche zunächst im Klageverfahren nach ZPO geltend

Mit ihrer anschließenden Klage verfolgte die Klägerin ihren Antrag aus dem Eilverfahren, der auf das Verbot der Datenlöschung gerichtet war, in Bezug auf 20 IP-Adressen weiter. In diesem Verfahren erteilte die Beklagte dann Auskunft über einige IP-Adressen. Im Übrigen gab sie an, dass ihr keine weiteren Daten vorliegen. Daraufhin erklärte die Klägerin den Rechtsstreit im Umfang der erteilten Auskunft in der Hauptsache einseitig für erledigt. In Bezug auf die weiteren IP-Adressen verfolgte die Klägerin ihren Anspruch zwar weiter. Das Landgericht hat die Klage jedoch abgewiesen.

In der hiergegen gerichteten Berufung vor dem OLG Hamburg stellte die Klägerin zwei Feststellungsanträge mit sinngemäß folgenden Inhalten:
  1. Die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, die Daten nicht zu löschen, über die sie im Klageverfahren der Vorinstanz keine Auskunft erteilt hat.
  2. Die Auskunfts-und Löschungsansprüche hinsichtlich der Daten, über die die Beklagte Auskunft erteilte, wären erledigt.

OLG Hamburg: Ansprüche sind im FamFG-Verfahren geltend zu machen

Das OLG Hamburg hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung führten die Hanseatischen OLG-Richter aus, dass die Klage bereits unzulässig sei. Die geltend gemachten Ansprüche wären über die Verfahren geltend zu machen, die das FamFG zur Verfügung stellt.

Zudem, so das OLG, fehle es der Klage an einem Rechtsschutzbedürfnis. Dies gelte vor allem deshalb, weil die Klägerin einen telefonischen Hinweis der Vorinstanz erhalten hatte. Danach hätten die klägerischen Ansprüche im FGG-Verfahren geltend gemacht werden müssen. Dennoch hatte die Klägerin im streitigen Verfahren Klage erhoben. 

BGH: Verfahrensweg zur ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit eröffnet

Die Revision der Klägerin hatte zum Teil Erfolg. Dabei kam der I. Zivilsenat des BGH zu im Wesentlichen folgenden Ergebnissen:
  • Rechtsweg zur ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit eröffnet: Die ZPO hat die größere Sachnähe zum Streitgegenstand. Gleiches gilt für den Anspruch auf Auskunftserteilung nach § 101 Absatz  2 Satz 1 Nr. 3 UrhG. Beide Regelungen weisen dem Senat zufolge den engeren Bezug zur streitgegenständlichen Rechtsmaterie auf.
  • Keine Löschung in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung: Internet-Provider dürfen bei offensichtlichen Rechtsverletzungen Verkehrsdaten bis zum Abschluss des Gestattungsverfahrens erhobene Verkehrsdaten nicht löschen, wenn diese Daten die Auskunftserteilung gegenüber dem Rechteinhaber möglich machen.
  • Rechtsschutzbedürfnis gegeben, soweit sich die Sache erledigt hat: Für die Feststellung, dass sich die Hauptsache erledigt hatte, sah der Senat das nach § 256 Absatz 1 ZPO notwendige Feststellungsinteresse in der für den Kläger günstigen Kostenfolge. Diese konnte er bei Erledigung der Hauptsache nach Erhebung der Klage nur mit Hilfe einer entsprechenden Antragsänderung herbeiführen.
  • Kein Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich der übrigen IP-Adressen: Insoweit hat der BGH ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klägerin abgelehnt, weil eine Leistungsklage Vorrang gehabt hätte.
Urteil des BGH vom 21.09.2017 - AZ: I ZR 58/16

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(ESV/bp)

Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht