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Wann liegt eine Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 15a UStG vor? (Foto: Juan David Ferrando / stock.adobe.com)
Neues aus der Finanzverwaltung

BMF zur Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG bei Aufgabe nur einer von mehreren Tätigkeiten

ESV-Redaktion Steuern
09.09.2022
Liegt eine Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 15a UStG vor, wenn bei einer ursprünglich gemischten Verwendung im Sinne des § 15 Abs. 4 UStG, bei der eine Tätigkeit aufgegeben wird (z. B. die zum Vorsteuerabzug berechtigende) und das Wirtschaftsgut nunmehr ausschließlich für Zwecke der beibehaltenen Tätigkeit     (z. B. der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden) genutzt wird?

EuGH zum Vorlageersuchen des BFH am 9. Juli 2020

Auf ein Vorlageersuchen des BFH hat der EuGH mit Urteil vom 9. Juli 2020, C-374/19, Finanzamt Bad Neuenahr-Ahrweiler, entschieden, dass das Unionsrecht einer nationalen Regelung nicht entgegenstehe, nach der ein Steuerpflichtiger, der das Recht erworben hat, die auf die Errichtung einer zur Nutzung sowohl für besteuerte als auch für steuerbefreite Umsätze bestimmten Cafeteria im Anbau eines von ihm umsatzsteuerfrei betriebenen Alten- und Pflegeheims entfallende Vorsteuer anteilig abzuziehen, zur Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzugs verpflichtet ist, wenn er jeglichen besteuerten Umsatz in den Räumlichkeiten dieser Cafeteria eingestellt hat, sofern er weiterhin steuerbefreite Umsätze in diesen Räumlichkeiten getätigt und diese somit nunmehr ausschließlich für diese Umsätze genutzt hat.

Im Streitfall des BFH war Klägerin eine GmbH, die ein Alten- und Pflegeheim steuerfrei betrieb. Im Jahr 2003 errichtete sie in einem Anbau eine Cafeteria, die für Besucher durch einen Außeneingang und für Heimbewohner durch den Speisesaal des Pflegeheims zugänglich war. Sie ging dabei davon aus, dass sie die Cafeteria ausschließlich für steuerpflichtige Umsätze nutze. Nach einem Prüfungsvermerk des Finanzamts kam es zu einer Verständigung, eine steuerfreie Nutzung der Cafeteria zu      10 % anzunehmen. Dies führte zur Annahme einer Berichtigung nach § 15a UStG für die Jahre ab 2003. Im Anschluss an eine Außenprüfung ging das Finanzamt davon aus, dass die GmbH in den Streitjahren 2009 bis 2012 in der Cafeteria keine Warenumsätze mehr ausgeführt habe. Im Februar 2013 sei das diesbezügliche Gewerbe abgemeldet worden. Dies habe zu einer weitergehenden Berichtigung nach § 15a UStG geführt, da jetzt überhaupt keine Nutzung für Umsätze mit Recht auf Vorsteuerabzug vorliege.

Reaktion des BFH

In seinem Folgeurteil vom 27. Oktober 2020 – V R 20/20 (V R 61/17), hat der BFH daraufhin entschieden, dass bei einem Gegenstand, den der Unternehmer zunächst gemischt für steuerpflichtige und steuerfreie Umsätze genutzt hatte und bei dem die Verwendung für die steuerpflichtigen Umsätze entfällt, während der Unternehmer die Verwendung für die steuerfreien Umsätze fortsetzt, dies zu einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG führen könne. Demgegenüber bewirke der bloße Leerstand ohne Verwendungsabsicht keine Änderung der Verhältnisse.

BMF ändert UStAE

Der EuGH hat im Urteil C-374/19 bestätigt, dass bei einer ursprünglichen Nutzung der Räumlichkeiten einer Cafeteria sowohl für besteuerte Tätigkeiten als auch für steuerbefreite Tätigkeiten der Wegfall der besteuerten Tätigkeit bei ausschließlicher Nutzung der Räumlichkeiten für die steuerbefreite Tätigkeit ein Anwendungsfall des         § 15a UStG sein kann.

Auch der BFH ist im Folgeurteil V R 20/20 (V R 61/17) dieser Entscheidung im Grundsatz gefolgt. Lediglich aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem streitigen Sachverhalt möglicherweise ausnahmsweise doch keine Berichtigung des Vorsteuerabzuges nach § 15a UStG durchzuführen war, weshalb er die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Finanzgericht zurückverwiesen hat.

Im Streitfall hing eine Änderung der Verhältnisse demnach davon ab, ob die verfahrensgegenständliche Cafeteria ständig verschlossen gewesen war und nur anlässlich der (auch in den Vorjahren erfolgten) Nutzung für einzelne Veranstaltungen im Zusammenhang mit steuerfreien Umsätzen geöffnet worden ist. In diesem Fall liegt keine Nutzungsänderung der Cafeteria hinsichtlich der aufgegebenen Tätigkeit vor, sondern weiterhin eine zum Vorsteuerabzug berechtigende erfolglose Investition.

Für den Fall jedoch, dass die Cafeteria jederzeit offenstand und damit potenziell hätte genutzt werden können, liegt eine tatsächliche Nutzung nur noch für steuerfreie Umsätze und damit eine Änderung der Verhältnisse i. S. v. § 15a UStG vor. Eine derartige Entscheidung kann nur unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalles getroffen werden.

Im UStAE werden daher in Abschnitt 15a.2 Abs. 8 die Sätze 4 bis 6 angefügt.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Fundstelle: BMF, Schreiben vom 01. September 2022, III C 2 - S 7316/19/10002 :001.


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Programmbereich: Steuerrecht