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BSG: Auch Hirnschädigung kann Grundlage für Blindengeld sein (Foto: xixinxing/Fotolia.com)
Voraussetzungen für Blindengeld

BSG: Demenz kann Grundlage für Blindengeld sein

ESV-Redaktion Recht
15.06.2018
Die Frage, ob für den Bezug von Blindengeld das Auge selbst beeinträchtigt sein muss, oder ob auch eine Funktionsstörung des Gehirns zu berücksichtigen ist, die zum völligen Sehverlust führt, ist umstritten. Nun hat das Bundessozialgericht (BSG) hierüber aktuell entschieden.
Die Klägerin ist aufgrund ihrer Alzheimer-Demenz schwerst hirngeschädigt und hat keine visuelle Wahrnehmung mehr. Sie kann Sinneseindrücke kognitiv nicht mehr verarbeiten beantragte daher Blindengeld. Dies lehnte der beklagte Freistaat Bayern ab. Auch das Sozialgericht (SG) hat die hiergegen gerichtete Klage in erster Instanz abgewiesen.

LSG Bayern: Ob Defekt der Augen oder des Gehirns vorliegt, ist unerheblich

Demgegenüber gab das Landessozialgericht der Klage statt. Zur Begründung stützten sich die Landessozialrichter darauf, dass bei der Klägerin nachweislich eine zerebrale Schädigung mit hochgradiger Einschränkung aller Sinnesfunktionen vorliege. Es sei unerheblich, ob hierbei das visuelle System stärker betroffen sei als die anderen Sinnesmodalitäten.

Den Landessozialrichtern zufolge hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 11.08.2015 – B 9 BL 1/14 R – seine alte Rechtsprechung aufgegeben, nach derlei cerebralen Schäden eine spezifische Störung des Sehvermögens für den Nachweis der Blindheit erforderlich sei.

Störungen beim „Erkennen” und beim „Benennen” - nach BSG-Urteil vom 11.08.2015 - AZ: B 9 BL 1/14 R
Das BSG hatte bis zu seiner Entscheidung vom 11.08.2015, die das LSG zitiert, zwischen Schädigungen des Sehapparates und Störungen bei der Verarbeitung von optischen Reizen unterschieden:
  • Schädigungen des Sehapparates: Störungen beim „Erkennen”
  • Schädigung in der Verarbeitung optischer Reize: Störungen beim „Benennen”
Diese Differenzierung hatte das BSG mit seiner Entscheidung aus 2015 verworfen. Gerade bei cerebral geschädigten Menschen wäre diese Differenzierung kaum nachvollziehbar, denn die Ursache der Beeinträchtigung des Sehvermögens lasse sich exakt bestimmen lasse, so die revidierte Auffassung des BSG. 

Freistaat Bayern: Klägerin nicht „blind“ im Sinne des Gesetzes

Obwohl die Klägerin ganz offensichtlich nichts mehr sehen kann, rügt der beklagte Freistaat mit seiner Revision, dass allein der Verlust der kognitiven Verarbeitungsfähigkeit noch keine „Blindheit im Sinne des Blindengeldes“ wäre. Letzteres, so die Argumentation des Beklagten weiter, sei kein „Bewusstlosengeld“.

Im Wortlaut: Bayerisches Blindengeldgesetz in der Fassung vom 24.07.2013  Artikel 1: Anspruch
(1) Blinde und taubblinde Menschen erhalten auf Antrag  ......  ein monatliches Blindengeld. Blind ist, wem das Augenlicht vollständig fehlt. Als blind gelten auch Personen,
  1. deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/50 beträgt,
  2. bei denen durch Nummer 1 nicht erfasste Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad bestehen, dass sie der Beeinträchtigung der Sehschärfe nach Nummer 1 gleichzuachten sind.

BSG: Auch schwerst Hirngeschädigte ohne visuelle Wahrnehmung können Anspruch auf Blindengeld haben

Der 9. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen. Diese muss den Fall nun erneut prüfen und hat dabei folgendes zu berücksichtigen:
  • Cerebrale Störungen führen grundsätzlich zur Blindheit im Rechtssinne: Grundsätzlich ist bei cerebralen Störungen auch dann Blindheit anzunehmen, wenn der Betroffene aufgrund der Störung nichts mehr sieht, obwohl keine augenspezifische Sehstörung nachweisbar ist.
  • Blindengeld in Form von pauschalen Mehraufwendungen: Liegt Blindheit in diesem Sinne vor, wird Blindengeld zum Ausgleich von blindheitsbedingten Mehraufwendungen pauschal erbracht.
  • Anspruchsvernichtende Zweckverfehlung in Ausnahmen möglch: Erst dann, wenn ein blindheitsbedingter Aufwand aufgrund der Eigenart des Krankheitsbildes gar nicht erst entstehen kann, wird der Zweck des Blindengelds verfehlt. Nur in diesen Fällen, so der Richterspruch aus Kassel weiter, dürfe die zuständige Behörde den anspruchsvernichtenden Einwand der Zweckverfehlung geltend machen. Ob hier ein solcher Ausschlussgrund vorliegt, ließ der Senat aber offen. Diese Frage muss nun die Vorinstanz neu prüfen. 
Quelle: PM des BSG vom 14.06.2018 zur Entscheidung vom selben Tag – AZ: B 9 BL 1/17 R
 
Eintragungen im Schwerbehindertenausweis 28.12.2017
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Welche Voraussetzungen sieht das Gesetz für eine Eintragung des Merkzeichens „Bl” in den Schwerbehindertenausweis vor? Muss hierzu tatsächlich das Auge beeinträchtigt sein oder ist auch eine Funktionsstörung des Gehirns zu berücksichtigen? Hierzu hat sich das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) aktuell geäußert. mehr …

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(ESV/bp)

Programmbereich: Sozialrecht und Sozialversicherung