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Theater greifen als Arbeitgeber fast ausschließlich auf ZAV-Künstlerkartei zu (Foto: arbaes/Fotolia.com)
Arbeitsvermittlung bei Schauspielern

BSG: Vorhang auf für private Schauspielschulen?

ESV-Redaktion Recht
25.10.2017
Arbeitsuchende Schauspieler, die ausschießlich eine private Schauspielausbildung absolviert haben, mussten bisher einen erfolgreichen Eingangstest bestehen, um in die Vermittlungskartei der Bundesagentur für Arbeit aufgenommen zu werden. Über die Rechtmäßigkeit dieses Auswahlverfahrens hat nun das Bundessozialgericht (BSG) aktuell entschieden.
Die Arbeitsvermittlung von Schauspielern und anderen Künstlern obliegt der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit. Schauspieler ohne Abschluss einer staatlichen Schauspielschule nimmt die ZAV nur dann in ihre Vermittlungskartei für Schauspieler auf, wenn diese einen Eingangstest bestanden haben, zu dem auch die Vorsprache vor einem Prüfgremium gehört. Hiergegen wehrte sich die Klägerin, die eine Ausbildung an der privaten „Filmschauspielschule Berlin” absolviert hatte.

Klägerin: Abschlussprüfung an Filmschauspielschule berechtigt zur Aufnahme in Kartei

Die Klägerin ist der Auffassung, sie sei nach erfolgreich abgelegter Abschlussprüfung an der privaten Schauspielschule berechtigt, die Berufsbezeichnung Schauspielerin zu führen. Darüber hinaus habe sie die Siegelprüfung des Verbandes deutschsprachiger privater Schauspielschulen (VdpS) bestanden. Dennoch hatte die Klägerin sich um die Aufnahme in die Schauspielerkartei der ZAV beworben und hierfür auch vor dem Prüfungsgremium vorgesprochen.

ZAV: Klägerin fachlich nicht geeignet

Die Prüfer hatten allerdings beschlossen, die Klägerin nicht in die Kartei aufzunehmen. Sie meinten, dass ihr die fachlichen Voraussetzungen für die Aufnahme in die ZAV-Vermittlungskartei fehlten. Nach Auffassung des Gremiums ist es nicht seine Aufgabe, alle arbeitslosen oder arbeitsuchenden Künstler zu führen und zu vermitteln. 

Landessozialgericht: Differenzierung zwischen Schauspielschulen gerechtfertigt

Die gegen die Entscheidung der Bundesagentur erhobene Klage hatte aus folgenden Gründen keinen Erfolg:
  • Das Landessozialgericht war unter anderem der Meinung, dass eine Differenzierung zwischen Absolventen staatlicher und privater Schauspielschulen sachlich gerechtfertigt wäre. So würden staatliche Schauspielschulen bereits mit dem Aufnahmeverfahren ein differenziertes Profiling durchführen, das sich auf künstlerische Erwägungen stützt. 
  • Im Übrigen habe die Beklagte ihre Ablehnung ermessenfehlerfrei begründet und die Gründe in einem Feedbackgespräch dargelegt.

Revision: Bevorzugung staatlicher Absolventen verstößt gegen Gleichbehandlungsgrundsatz 

Die Revision sieht durch die Bevorzugung der staatlichen Absolventen dennoch den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Auch der Aufnahmeentscheidung für sie private Schauspielschule, die die Klägerin besucht hatte, sei ein Eignungsverfahren mit einem Vorsprechen vorausgegangen. Zudem meint die Klägerin, sie wäre in ihrem Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung verletzt. Künstler, die nicht in die Kartei aufgenommen werden, hätten kaum eine Chance auf eine freie Stelle.

Im Wortlaut § 35 SGB III – Vermittlungsangebot
(1) Die Agentur für Arbeit hat Ausbildungsuchenden, Arbeitsuchenden und Arbeitgebern Ausbildungsvermittlung und Arbeitsvermittlung (Vermittlung) anzubieten. Die Vermittlung umfasst alle Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, Ausbildungsuchende mit Arbeitgebern zur Begründung eines Ausbildungsverhältnisses und Arbeitsuchende mit Arbeitgebern zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses zusammenzuführen. Die Agentur für Arbeit stellt sicher, dass Ausbildungsuchende und Arbeitslose, deren berufliche Eingliederung voraussichtlich erschwert sein wird, eine verstärkte vermittlerische Unterstützung erhalten.

(2) Die Agentur für Arbeit hat durch Vermittlung darauf hinzuwirken, dass Ausbildungsuchende eine Ausbildungsstelle, Arbeitsuchende eine Arbeitsstelle und Arbeitgeber geeignete Auszubildende sowie geeignete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten. Sie hat dabei die Neigung, Eignung und Leistungsfähigkeit der Ausbildungsuchenden und Arbeitsuchenden sowie die Anforderungen der angebotenen Stellen zu berücksichtigen. (....)

BSG: Bisheriges Auswahlverfahren rechtswidrig

Der 11. Senat des BSG folgte der Auffassung der Vorinstanz nicht. Dem Senat zufolge ist das bisherige Auswahlverfahren aus folgenden Gründen rechtswidrig: 

Verweigerung der Aufnahme in Vermittlungskartei verstößt gegen Berufsfreiheit

Den Anspruch auf Aufnahme in die Kartei leitet der Senat aus § 35 SGB III her. Aus der Norm folge ein subjektiv-öffentliches Recht des Arbeitsuchenden auf Tätigwerden der Beklagten. Indem die Beklagte, wie vorliegend, im Rahmen ihres Organisationsermessens spezielle Karteien für bestimmte Berufsgruppen bildet, müsse sie die verfassungsrechtlich garantierte Berufsfreiheit aller Arbeitsuchenden berücksichtigen, die einen entsprechenden Berufsabschluss erworben haben.

Abschluss der privaten „Filmschauspielschule Berlin” gleichwertig

Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Ausbildung an der privaten Schauspielschule einer staatlichen Schauspielerausbildung, wie vorliegend, inhaltlich gleichwertig ist und die Arbeitgeber bei offenen Stellen an Theatern fast ausschließlich auf die ZAV-Künstlerkartei zugreifen. In diesem Zusammenhang hoben die Richter aus Kassel hervor, dass die Klägerin berechtigt ist, aufgrund ihrer privaten Ausbildung in Berlin die Berufsbezeichnung „Schauspielerin” zu führen. In diesem Fall reduziere sich das Ermessen der Behörde auf Null. 

Was daraus folgt - Hinweise für die Praxis
  • Nicht jede private Ausbildung muss gleichwertig sein: Die Entscheidung bedeutet nicht, dass jede private Ausbildung dem ZAV-Aufnahme-Verfahren oder einer staatlichen Ausbidung gleichwertig ist.
  • Einzelfallentscheidung: Das BSG hat ausdrücklich klargestellt, dass sich das Ermessen der Bundesagentur deshalb auf Null reduziert hat, weil im vorliegenden Einzelfall die private Ausbildung der „Berliner Filmschauspielschule” dem ZAV-Verfahren oder einer staatlichen Ausbildung gleichzusetzen ist. Hierbei hat das BSG betont, dass die Klägerin aufgrund dieser privaten Ausbildung berechtigt war, die Berufsbezeichnung „Schauspielerin” zu führen.
  • Arbeitsagentur hat nach wie vor Ermessen: Die Arbeitsagentur darf sich bei der Aufnahme von Arbeitsuchenden in die Kartei also nach wie vor im Rahmen ihres Ermessens bewegen.
  • Private Ausbildung muss zur Berufsbezeichnung „Schauspieler” befähigen: Daraus lässt sich schließen, dass der Abschluss von privaten Schauspielschulen nur dann zwingend zur Aufnahme in die Kartei berechtigt, wenn er dazu führt, dass die Absolventen sich „Schauspieler” nennen dürfen.

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Quelle: PM des BSG vom 12.10.2017 zur Entscheidung vom selben Tag – AZ: B 11 AL 24/16 R

(ESV/bp)
 

Programmbereich: Sozialrecht und Sozialversicherung