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Vorzeitiger Ruhestand setzt 45 Jahre Wartezeit voraus (Foto: Photocreo Bednarek/Fotolia.com)
Rente ab 63 und Arbeitslosigkeit innerhalb der Wartezeit

BSG: Wann eine vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers vorliegt

ESV-Redaktion Recht
11.07.2018
Für die Rente mit 63 zählen Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs innerhalb von zwei Jahren vor Rentenbeginn nur dann als Anwartschaftszeit, wenn der Leistungsbezug Folge einer Insolvenz oder vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers ist. Wann eine Geschäftsaufgabe vorliegt, hat nun das Bundessozialgericht entschieden.
Das Unternehmen, bei dem der im Februar 1951 geborene Kläger tätig war, betrieb 100 Standorte in Deutschland. Der Standort des Klägers wurde wegen betriebsorganisatorischer Veränderungen geschlossen. Aus diesem Grund hatte der Arbeitgeber dem Kläger aus dringenden betrieblichen Gründen zum 31.12.2012 gekündigt. Im Anschluss hieran erhielt der Kläger Arbeitslosengeld (ALG), und zwar von Januar 2013 bis Juni 2014.

Rentenversicherungsträger: Zeiten des Bezuges von ALG vorliegend nicht berücksichtigungsfähig

Die Gewährung einer vorzeitigen Altersrente ab dem 01.07.2014 lehnte der beklagte Rentenversicherungsträger allerdings ab. Danach hat der Kläger seine 45-jährige Wartezeit (540 Monate) nicht erfüllt. Bis Ende Dezember 2012, so der Beklagte weiter, habe er nur 536 Monate zurückgelegt.

Die Zeiten des ALG-I-Bezuges in den letzten zwei Jahren vor dem gewünschten Rentenbeginn könnten nicht berücksichtigt werden, weil der Arbeitgeber des Klägers nicht seine gesamte Betriebstätigkeit eingestellt habe. Damit liegt dem Beklagten zufolge keine vollständige Geschäftsaufgabe vor.

Auch vor den Instanzgerichten hatte der Kläger keinen Erfolg. Die Ausgangsinstanz - das Sozialgericht – hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht – das  Landessozialgericht – hat die Berufung des Klägers mit den Argumenten des Beklagten zurückgewiesen. Dem Gesetzeswortlaut zufolge reichte es nicht aus, dass der Arbeitgeber irgendeines seiner Geschäfte aufgebe. Vielmehr müsse er seine gesamten wirtschaftlichen Tätigkeiten vollständig aufgeben.  

Im Wortlaut: § 236 b Absatz 1 Nr. 1 und 2 SGB VI
(1) Versicherte, die vor dem 1. Januar 1964 geboren sind, haben frühestens Anspruch auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte, wenn sie
  1. das 63. Lebensjahr vollendet und
  2. die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt
 haben.
Im Wortlaut:  § 51 Absatz 3 a) SGB VI
(3a) Auf die Wartezeit von 45 Jahren werden Kalendermonate angerechnet mit

3. Zeiten des Bezugs von

a) Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung,

soweit sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind; dabei werden Zeiten nach Buchstabe a in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt, es sei denn, der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung ist durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt.

BSG: Maßgebend ist die Aufgabe des gesamten Unternehmens

Der 5. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) teilte die Auffassung der Vorinstanz im Ergebnis und stützte dieses auf folgende Erwägungen: 
  • Anrechnung nur für ALG-Zeiten nach dem 01.07.2017: Zeiten des Bezugs von ALG können in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nur dann auf die 45-jährige Wartezeit angerechnet werden, wenn diese nach dem 01.07.2014 liegen. An diesem Tag sind die entsprechenden Normen in Kraft getreten. Im Streitfall endete die Arbeitslosigkeit aber schon im Juni 2014.
  • Keine vollständige Geschäftsaufgabe: Eine vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers als Voraussetzung im oben genannten Sinne ist nur dann gegeben, wenn das gesamte Unternehmen des Arbeitgebers als Basis vorhandener Beschäftigungen wegfällt. Zwar ist der Begriff der vollständigen Geschäftsaufgabe dem Senat zufolge im Gesetz nicht näher umschrieben. Allerdings, so das BSG weiter, wäre dem Sinn und Zweck der Norm zu entnehmen, dass der Arbetigeber rechtlich komplett wegfallen muss, um eine missbräuchliche Frührente auszuschließen.
  • Gesetzessystematik: Für diese Auslegung würden auch die systematischen Bezüge zum rechtlich gleichgeordneten Rückausnahmetatbestand der Insolvenz sprechen.
  • Keine verfassungsrechtlichen Bedenken: Ebensowenig sahen die Richter aus Kassel verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 51 Absatz 3a Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a Teilsätze 2 und 3 SGB VI.  


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(ESV/bp)

Programmbereich: Sozialrecht und Sozialversicherung