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Vorsteuer: Anteiliger Abzug bei wirtschaftlicher und hoheitlicher Verwendung eines Marktplatzes (Foto: Anobis/Fotolia.com)
Umsatzsteuer

Bundesfinanzhof: Anteiliger Vorsteuerabzug bei gemischter Nutzung eines Marktplatzes

ESV-Redaktion Steuern
14.12.2017
Inwieweit kann eine Stadt, die ihren Marktplatz sowohl für wirtschaftliche als auch hoheitliche Zwecke verwendet, Vorsteuer geltend machen? Dieser Frage ist nun der Bundesfinanzhof in einer aktuellen Entscheidung nachgegangen.
Verwendet eine Stadt ihren Marktplatz sowohl für wirtschaftliche wie auch für hoheitliche Zwecke, kann sie diesen nach dem nun veröffentlichten Urteil des Bundesfinanzhofs vom 03.08.2017 (Az. V R 62/16) nicht in vollem Umfang ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zuordnen und ist deshalb nur anteilig zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Klägerin des Urteilsfalls, die Stadt X, einem staatlich anerkannten Heilbad mit dem Recht, die Bezeichnung „Bad“ im Stadtnamen zu führen, errichtete in der Stadtmitte auf dem Gelände eines ehemaligen Supermarktes einen als „Marktplatz“ bezeichneten Platz. Dieser Platz umfasste eine Bühnenanlage mit Zuschauertribüne, Ruhebänken sowie einem Geräte- und Abstellraum. Weiterhin wurden Basaltsäulen errichtet und Hinweistafeln angebracht, die über die Bedeutung des Badeortes im Hinblick auf die Lehren, Therapien und ähnliches informieren. Schließlich ließ die Klägerin einen Wasserlauf mit zwei Brunnen erstellen, den Platz entsprechend befestigen, gärtnerisch gestalten und teilweise umzäunen. Im Zuge der Baumaßnahmen wurde auf dem an den Marktplatz angrenzenden Kurpark eine öffentliche Toilettenanlage errichtet.

Die Klägerin machte die auf die Umbaukosten für den Marktplatz entfallenen Vorsteuerbeträge in ihren im September 2011 (für 2009, rund 120.000 Euro) und Juli 2012 (für 2010, rund 10.000 Euro) eingereichten Umsatzsteuererklärungen geltend.

Weinfest und „public viewing” standen dem Vorsteuerabzug entgegen

Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung stellte der Prüfer fest, dass der Platz in den Sommermonaten 2010 für die Ausrichtung eines Weinfestes, für „public viewing“ zur Fußballweltmeisterschaft 2010 sowie für verschiedene Open-Air-Konzerte mit freiem Eintritt genutzt wurde, nicht aber für Zwecke des - jeweils am Dienstag an anderer Stelle stattfindenden - Wochenmarktes. Hieraus folgerte er, dass der Marktplatz nicht für eine steuerpflichtige wirtschaftliche Tätigkeit (Kurbetrieb der Klägerin) verwendet werde und deshalb kein Anspruch auf Vorsteuerabzug bestehe.

Das Finanzamt lehnte daraufhin den Vorsteuerabzug für die Kosten des Marktplatzes ab. Die dagegen eingelegten Einsprüche wies das Finanzamt im Wesentlichen als unbegründet zurück; lediglich für das Jahr 2009 wurden weitere Vorsteuerbeträge von rund 1.900 Euro zum Abzug zugelassen, welche die Anschaffung und Anbringung von einzelnen Wirtschaftsgütern betrafen, die dem Betrieb gewerblicher Art „Kurverwaltung“ dienten bzw. in einem objektiven wirtschaftlichen Zusammenhang mit diesem stünden.

Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht ab. Der Platz wurde nach den Feststellungen des Gerichts sowohl von Kurgästen (gegen Kurbeitrag) als auch von Nicht-Kurgästen (unentgeltlich) und damit „gemischt“ genutzt. Der unternehmerische Bereich der Klägerin (Kurverwaltung) beinhalte das Bereitstellen von Einrichtungen des Fremdenverkehrs gegen die Entrichtung von Kurbeiträgen. Daneben sei die Klägerin im Rahmen der ihr obliegenden öffentlichen Aufgaben als Straßenbaulastträger (Errichtung von Straßen und Plätzen zur allgemeinen Nutzung) hoheitlich tätig geworden. Dieses Tätigwerden vollziehe sich innerhalb des nichtunternehmerischen Bereichs.

Der Vorsteuerabzug scheide bereits mangels rechtzeitiger Dokumentation der Zuordnungsentscheidung aus. Die Klägerin habe es unterlassen, bei Bezug der Eingangsleistungen eine Zuordnungsentscheidung zu treffen und diese in den bis 31.05.2010 bzw. 31.05.2011 abzugebenden Umsatzsteuererklärungen zu dokumentieren. Diese seien erst im September 2011 (2009) bzw. im Juli 2012 (2010) beim Finanzamt eingereicht worden.

BFH: Keine zeitnahe Dokumentation einer Zuordnungsentscheidung erforderlich

Der BFH hingegen sah die Revision der Klägerin als begründet an und verwies die Sache an die Vorinstanz zurück. Das Finanzgericht hat den Vorsteuerabzug nach Auffassung der Richter des BFH zu Unrecht mit der Begründung versagt, dass es an einer rechtzeitigen Dokumentation der Zuordnungsentscheidung fehle und damit § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 1 UStG verletzt.

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Entgegen der Entscheidung der Vorinstanz erfordert der Vorsteuerabzug im Streitfall keine zeitnahe Dokumentation einer Zuordnungsentscheidung, stellt der Senat des BFH in seiner Begründung klar.

Kein Zuordnungswahlrecht: Weitere Verwendung des Marktplatzes betrifft Hoheitsbereich und nicht Privatbereich

Eine zeitnahe Zuordnungsentscheidung hat der Unternehmer nach dem Urteil des BFH für Zwecke des Vorsteuerabzugs nur dann zu treffen und zu dokumentieren, wenn ein Zuordnungswahlrecht besteht. Das Zuordnungswahlrecht besteht jedoch nicht für jede gemischte Nutzung eines Gegenstands, sondern nur für die gemischte Nutzung im Rahmen des „Sonderfalls einer Privatentnahme“ i.S. von Art. 5 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr: Art. 16 und Art. 26 Abs. 1 MwStSystRL), bei der ein Unternehmer den gemischt wirtschaftlich und privat verwendeten Gegenstand voll dem Unternehmen zuordnen und dann aufgrund der Unternehmenszuordnung in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug berechtigt sein kann.

Das Finanzgericht ist in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass eine gemischte Nutzung des Marktplatzes vorliege, weil die Klägerin diesen Platz im Rahmen ihres Kurbetriebs unternehmerisch und im Rahmen ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgabe als Straßenbaulastträger (Errichtung von Straßen und Plätzen zur allgemeinen Nutzung) nichtunternehmerisch nutzt.

Im Streitfall betrifft die weitere Verwendung des Marktplatzes den Hoheitsbereich der Klägerin und nicht deren private Zwecke, sodass ihr kein Wahlrecht zugunsten einer Zuordnung des gesamten Gegenstands zu ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zusteht und damit auch kein Zuordnungserfordernis besteht, so die Richter des BFH.

Das Urteil des Finanzgerichts widerspricht den o.g. Rechtsprechungsgrundsätzen und war daher aufzuheben.

Fehlende Spruchreife

Die Sache ist nicht spruchreif, da die Feststellungen des Finanzgerichts nicht ausreichen, um beurteilen zu können, ob die Klägerin aus den Kosten für die Errichtung und Gestaltung des sog. Marktplatzes einen (anteiligen) Vorsteuerabzug geltend machen kann. Dieser könnte sowohl an der Unternehmereigenschaft der Klägerin als auch am Erfordernis eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz scheitern.

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 (ESV/fl)

Programmbereich: Steuerrecht