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Zahlreiche Kritiker bemängeln vor allem das alleinige Kriterium der Inzidenzwerte als Maßstab für die vorgesehenen Grundrechtseinschränkungen (Foto: Dina Morosova / stock.adobe.com)
Bekämpfung von Corona

Bundestag beschließt Corona-Notbremse

ESV-Redaktion Recht
21.04.2021
Der Deutsche Bundestag hatte am 21.4.2021 im Kampf gegen Corona die viel diskutierte neue „Notbremse“ beschlossen. Diese sieht bundeseinheitliche Regeln und strenge Kontaktbeschränkungen vor, wenn die sogenannte 7-Tage-Inzidenz bestimmte Werte überschreitet. Die Reform, die inzwischen in Kraft getreten ist, bleibt jeoch sehr umstritten.
Die „Notbremse“ soll im Rahmen einer „Formulierungshilfe“ zum vierten Bevölkerungsschutzgesetz eingeführt werden. Kern der Neuregelung ist ein neuer § 28b im IfSG. Bislang sollte der Beschluss von Bund und Ländern vom 3.3.2021 gelten. Diesen haben die Länder aber nicht einheitlich oder zum Teil gar nicht umgesetzt. Die neue „Notbremse“ würde nun automatisch gelten – und zwar ohne weitere Beschlüsse von Bund, Ländern oder Gemeinden.

Die Maßnahmen sind abhängig von der sogenannten 7-Tage-Inzidenz in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt. Überschreitet diese an drei aufeinander folgenden Tagen einen Wert von 100, würden dort ab dem übernächsten Tag zusätzliche Einschränkungen gelten. Für Einschränkungen des Schulbetriebs gilt ein Inzidenzwert von mehr als 165. Am 20.4.2021 hat sich die Regierungskoalition im Wesentlichen auf nachfolgend aufgeührten Punkte geeinigt.

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Die Kernregelungen 

Überschreiten der 100er Inzidenz 

Bei Überschreiten des Inzidenzwertes von 100 sieht das Reformpaket im Wesentlichen folgende Einschränkungen der Grundrechte vor: 

  • Kontaktbeschränkungen für private Treffen drinnen und draußen: Treffen eines Haustandes mit nur einer weiteren Person. Zusammenkünfte von Ehe- und Lebenspartnern oder zur Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts sollen aber erlaubt sein. Bei Trauerfeiern sollen bis zu 30 Menschen zusammenkommen dürfen.
  • Öffnungen von Geschäften: Offen bleiben können Geschäfte des Lebensmittelhandels, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Zeitungsläden, Buchhandlungen, Blumengeschäfte, Tierbedarfsmärkte, Futtermittel- und Gartenmärkte.  Voraussetzung ist aber, dass entsprechende Hygienekonzepte und die Maskenpflicht einhalten werden. Alle anderen Geschäfte dürfen nur dann Kunden einlassen, die einen negativen Corona-Test vorlegen und einen Termin gebucht haben. Bei Inzidenzwrten von über 150, wäre in diesen Geschäften Click & Collect erlaubt.
  • Dienstleistungsbereich allgemein: Dienstleistungsbetriebe dürfen öffnen, solange dieses nicht ausdrücklich untersagt wird. Hierzu zählen etwa Fahrrad- und Autowerkstätten, Banken Sparkassen, Poststellen.
  • Körpernahe Dienstleistungen: Körpernahe Dienstleistungen sollen nur zu medizinischen, therapeutischen, pflegerischen oder seelsorgerischen Zwecken erbracht werden dürfen. Bei Friseuren müssen die Kunden einen tagesaktuellen negativen Corona-Test vorlegen. Zudem sind Masken zu tragen. Andere körpernahe Dienstleistungen sollen nicht mehr möglich sein.
  • Sport/Freizeit: Berufssportler und Leistungssportler der Bundes- und Landeskader können weiterhin trainieren und auch Wettkämpfe austragen. Allerdings weiter ohne Zuschauer und bei Einhaltung von Schutz- und Hygienekonzepten. Ansonsten ist Sport nur alleine, zu zweit oder ausschließlich mit Mitgliedern des eigenen Hausstandes möglich. 
  • Ausgangssperren: zwischen 22 Uhr und 5 Uhr ist für das Verlassen der Wohnung ein wichtiger Grund erforderlich. Erlaubt ist dann etwa der Weg zur Arbeit oder die Inanspruchnahme medizinischer Hilfe. Auch Hunde dürfen ausgeführt werden. Auch Joggen und Spaziergänge sollen bis Mitternacht erlaubt bleiben, aber nur alleine.
  • Homeoffice: Die Regelungen zum Homeoffice werden Betandteil des IfSG und aus der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung entfernt. Neu  ist, dass die Arbeitnehmer dazu verpflichtet sind, Angebot von Homeoffice anzunehmen, wenn dem  keine Gründe entgegenstehen. Als Gründe hierfür kpmmen etwa die Störung durch Dritte im Homeoffice in Betracht oder ein fehlender adäquater Arbeitsplatz.
  • Tests in Unternehmen: Zusätzlich sollen Betriebe nach der ergänzten SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung dazu verpflichtet werden, allen Beschäftigten, die nicht ausschließlich im Homeoffice arbeiten, mindestens zwei Mal pro Woche einen Selbst- und Schnelltest anzubieten. 
  • Kinderkrankentage: Der bisherige Anspruch von 20 Tagen soll auf 30 Tage pro Kind und Elternteil an steigen. Bei Alleinerziehenden würde sich der Anspruch von 40 auf 60 Tage erhöhen. Die Inanspruchnahme soll gesetzlich Krankenversicherten möglich sein, wenn Kinder erkrankt sind, Schulen und Kitas geschlossen bleiben, die Präsenzpflicht aufgehoben oder der Zugang zum Betreuungsangebot der Kita eingeschränkt ist. Die Regelungen soll auch dann gelten, wenn die Eltern im Homeoffice arbeiten.
Ende der Einschränkungen

Die Einschränkungen sollen automatisch außer Kraft treten, wenn der Inzidenzwert in dem betreffenden Gebiet fünf Tage hintereinander den Wert von 100 unterschreitet.

Verordnungsermächtigung für Bundesregierung

Darüber hinaus soll die Bundesregierung nach § 28b Abs. 6 IfSG bei einer Inzidenz von über 100 auch Verordnungen beschließen können, die die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen verschärfen oder lockern können. Einer solchen Verordnung muss dann der Bundestag zustimmen.

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Überschreiten der Inzidenz von 165 

Erst ab einer Überschreitung des 7-Tage-Inzidenzwertes von 165 innerhalb drei aufeinanderfolgenden Tagen, darf kein Präsenzunterricht an Schulen mehr durchgeführt werden. Ausnahmen soll es für Abschlussklassen und Förderschulen geben. Auch die Regelbetreuung in Kitas ist dann untersagt.

Inzidenzwert unter 100

Unterhalb der Schwelle von einem Inzidenzwert von 100 können die Länder über Beschränkungen und Lockerungen selbst entscheiden.

Änderungen beim Rechtsschutz

Die Bundes-Notbremse betrifft auch den Rechtsschutz. So scheidet die Anrufung der Oberverwaltungsgerichte aus, denn die Normenkontrolle ist nach § 47 VwGO nur gegen Verordnungen der Landesregierungen möglich.

Gegen Bußgeldbescheide bleibt aber der Einspruch sowie der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten möglich. Ansonsten können Betroffene mit
einer vorbeugenden Feststellungsklage klären lassen, ob sie tatsächlich von der einer bestimmten Regelung betroffen sind. Im Übrigen steht noch die Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe zur Verfügung.

Die Hauptkritikpunkte

Der Regierungsentwurf hat zahlreiche Kritiker auf den Plan gerufen. Die wesentlichen Kritikpunkte:

  • Einseitige Fokussierung auf Inzidenzen? Ein Haupt-Kritikpunkt ist die ausschließliche Orientierung der Grundrechtseinschränkungen an den Inzidenzwerten. Vielmehr soll nach Auffassung der Kritiker die Ausrichtung an anderen Faktoren, wie etwa dem R-Wert oder an der Zahl Intensivpatienten erfolgen.
  • Verhältnismäßigkeit einzelner Maßnahmen? Andere wiederum halten die Ausgangssperren oder die Schließung von Schulen oder Geschäften für verfassungswidrig.

Ausblick

Update: Das Gesetzepaket wurde am 22.04.2021 in Bundesgesetzbaltt 2021, Nr. 18, Seite 802 ausgegeben und ist am 23.4.2021 in Kraft getreten. 

Quelle: PM der Bundesregierung vom 13.4.2021 und zahlreiche Medienberichte


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(ESV/bp)

Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht