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Bundesregierung: Nur die kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit der Patienten soll für die Zuteilung von Intensivkapazitäten entscheidend sein (Foto: Vadim / stock.adobe.com)
Triage

Bundesregierung will Triage gesetzlich regeln

ESV-Redaktion Recht
25.08.2022
Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf beschlossen, der die sog. Triage in besonderen Ausnahmesituationen regeln soll. Mit dem Vorhaben will die Bundesregierung dem Beschluss des BVerfG vom 16.12.2021 Rechnung tragen, um Benachteiligungsrisiken bei Personen mit Behinderungen entgegenzuwirken.
Der Begriff „Triage“ entspringt der französischen Sprache und stammt ursprünglich aus der Militärmedizin. Demnach werden Patienten bei Versorgungsengpässen nach der Schwere ihrer Verletzungen eingeteilt. Dies soll Ärzte und Pflegepersonal die Entscheidung erleichtern, wer in medizinischen Mangelsituationen zuerst behandelt wird.

Der nun vorgelegte Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes betrifft Situationen, in denen aufgrund von übertragbaren Krankheiten keine ausreichenden intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten vorhanden sind.

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Die zentralen Regelungen des Entwurfs

  • Grundsatz der Gleichbehandlung: Die Regelungen zur Zuteilung im Fall von nicht ausreichenden, aber  überlebenswichtigen intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten bei übertragbaren Krankheiten gelten für alle Patienten, und zwar unabhängig von der Ursache der intensivpflichtigen Behandlungsbedürftigkeit.
  • Zuteilungskriterium: Das entscheidende Kriterium für die Zuteilung ist die aktuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit der Patienten. Kriterien, die sich nicht hierauf auswirken, wie Alter, Behinderungen oder Grad der Gebrechlichkeit, sind unbeachtlich.
  • Kein Abbruch von erfolgsversprechenden Behandlungen: Ausdrücklich ausgeschlossen ist auch der Abbruch einer erfolgsversprechenden Behandlung zugunsten von anderen Patienten mit einer höheren aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit (also keine Ex-Post-Triage).
  • Mehraugenprinzip: Zuteilungsentscheidungen sind unter Anwendung des Mehraugenprinzips zu treffen. Ist ein Patient mit einer Behinderung oder Komorbidität betroffen, muss eine Fachexpertise in die Zuteilungsentscheidung einfließen.
  • Verfahrensanweisungen und Dokumentation: Darüber hinaus müssen Krankenhäuser die Umsetzung der vorgeschriebenen Entscheidungsabläufe durch Verfahrensanweisungen absichern. Zudem sieht der Entwurf bestimmte Dokumentationspflichten vor.


Hintergrund

Die Beschwerdeführer in dem oben benannten Verfahren vor dem BVerfG gehörten zu einer Risikogruppe, bei der im Fall einer Corona-Erkrankung schwere Krankheitsverläufe wahrscheinlicher sind. Sie befürchteten, dass Infizierte aus der Risikogruppe bei Versorgungsengässen aufgrund ihrer Vorerkrankungen oder Behinderungen von lebensrettenden Behandlungen ausgeschlossen werden, weil bei diesen Personen die Erfolgsaussichten einer Intensivbehandlung statistisch geringer sind (siehe auch den Hinweis unten). Ihre Verfassungsbeschwerde hatten sie mit einem Eilantrag verbunden. Die 3. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat den Eilantrag aber abgelehnt. Die Kammer hält es für sehr problematisch, den Staat im Eilverfahren dazu zu verpflichten, zu diesem Thema verbindliche medizinische Regeln zu erlassen.

Quelle: PM des Bundesministeriums für Gesundheit vom 24.08.2022 zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes



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(ESV/bp)

Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht