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Die Bundesnotbremse war seit dem 23.04.2021 die Rechtsgrundlage für Ausgangssperren und führte zeitweise zu leeren Innenstädten, wie etwa in München (Foto: Michael Eichhammer / stock.adobe.com)
Beschränkungen aufgrund von Corona

BVerfG bestätigt wesentliche Teile der „Bundesnotbremse“

ESV-Redaktion Recht
30.11.2021
Das Vierte Bevölkerungsschutzgesetz, das seit dem 23.04.2021 für etwa zwei Monate galt und auch als „Bundesnotbremse“ bezeichnet wird, hat zahlreiche Kritiker dazu bewogen, vor das BVerfG zu ziehen. Bisher hatte das Gericht nur über Eilanträge entschieden. Nun haben die Karlsruher Verfassungshüter erste Sachentscheidungen veröffentlicht.
Bis einschließlich 31.07.2021 gingen laut den Angaben des BVerfG insgesamt 301 Verfahren in Karlsruhe ein, hierunter 281 Verfassungsbeschwerden, wovon wiederum 200 mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden waren. 20 weitere Anträge auf Erlass von einstweiligen Anordnung wurden isoliert gestellt und weitere 151 Eingaben wurden im Allgemeinen Register erfasst. Die Eingaben richten sich teilweise gegen einzelne Vorschriften, insbesondere:

  • gegen Ausgangsbeschränkungen nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG,  
  • oder gegen Beschränkungen von Freizeiteinrichtungen nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG.
  • gegen Kontaktbeschränkungen nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG
  • gegen Schulschließungen und Testpflichten nach § 28b Abs. 3 IfSG,
Schon mit seinem Beschluss vom 05.05.2021 hatte der Erste Senat des BVerfG den Erlass von einstweiligen Anordnung in fünf Verfassungsbeschwerdeverfahren abgelehnt. Im Weiteren hatte das Gericht unter anderem 139 Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen.

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BVerfG: Ausgangssperren, Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen verfassungsgemäß

Gegenstand der Beschlüsse vom 19.11.2021, die am 30.11.2021 veröffentlicht wurden, waren vor allem Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen sowie Beschränkungen von Freizeiteinrichtungen und Schulschließungen. 

Die Angriffe gegen Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen, Einschränkungen von Kultureinrichtungen u.a.

Nach Auffassung des Ersten Senats des BVerfG gehörten die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen zu einem umfassenden Schutzkonzept des Gesetzgebers. Das Konzept diente in seiner Gesamtheit dem Lebens- und Gesundheitsschutz und sollte das funktionsfähige Gesundheitssystem – das im überragend wichtigen Gemeinwohlinteresse liegt – aufrechterhalten. Die weiteren Erwägungen des Senats: 

  • Grundrechtseingriffe zwar erheblich: Bei allen Maßnahmen der Bundesnotbremse lagen erhebliche Eingriffe in verschiedene Grundrechte vor. Die Rechtmäßigkeit der Eingriffe hat der Senat anhand der verfassungsrechtlichen Anforderungen geprüft.
  • Aber - Eingriffe verhältnismäßig: Die zu bewertenden Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen sieht der Senat aber aufgrund der „äußersten Gefahrenlage der Pandemie“ als mit dem Grundgesetz vereinbar an. Sie waren dem Senat zufolge trotz des Eingriffsgewichts verhältnismäßig.
  • Verfassungbschwerde gegen Kultureinrichtungen, Ladengeschäften u.a. unzulässig: Allerdings waren die Verfassungsbeschwerden gegen Freizeit- und Kultureinrichtungen, Ladengeschäften, Sport und Gaststätten, dem Senat zufolge unzulässig.

Auch Angriffe gegen Schulschließungen erfolglos

Bei den Verfassungsbeschwerden gegen die Schulschließungen argumentiert der Erste Senat des BVerfG ähnlich. So hat er zwar das Recht von Kindern und Jugendlichen auf schulische Bildung anerkannt und deshalb liegt auch mit den Schulschließungen ein schwerwiegender Grundrechtseingriff vor. Dies schließt der Senat aus den tatsächlichen Folgen der Maßnahmen, die in sachkundigen Stellungnahmen dargelegt wurden.

Aber auch hier gab der Senat den
überragenden Gemeinwohlbelangen der Gesundheit den Vorrang gegenüber den schwerwiegenden Grundrechtseingriffen. Demnach konnte der Gesetzgeber der Pandemie auch mit Schulschließungen begegnen. Die weiteren Erwägungen hierzu:
 
  • Differenzierte Voraussetzungen für Schließung: Zu den Schulschließungen kam es erst bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 165 und nicht schon bei einer Inzidenz von 100. Damit waren die Schließungen zwar zulässig. Aus dem Recht auf Bildung folgt aber auch die verfassungsrechtliche Pflicht, den Präsenzunterricht nach Möglichkeit durch Distanzunterricht zu ersetzen.
  • Schulschließungen zeitlich begrenzt: Zudem waren die Schließungen auf gut zwei Monate befristet. Dies stellte sicher, dass die schwerwiegenden Belastungen nicht über die Zeit hinaus gelten konnten, an denen der Schutz von Leben und Gesundheit seine Dringlichkeit verloren hätte.
  • Gesetzgeber trifft auch Maßnahmen zur Reduzierung der Belastungen: Darüber hinaus hatte der Bund schon vor Geltung der „Bundesnotbremse“ Vorbereitungen getroffen, die das Ziel hatten, die Schulen zu entlasten. Hierzu zählt der Senat die sogenannte „StopptCOVID-Studie“ zur Erforschung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen sowie Finanzhilfen von etwa 1,5 Milliarden Euro, wie etwa den „DigitalPaktSchule“. Diese Maßnahmen sollten die Rahmenbedingungen für den digitalen Distanzunterricht verbessern. 
Die Karlsruher Richter betonen aber noch, dass die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen an dem Erkenntnisstand zum Zeitpunkt ihres Erlasses zu messen ist. 

Quellen:

  • PM des BVerfG vom 30.11.2021 zu den Beschlüssen vom 19.11.2021 – 1 BvR 781/21 (bzw. 1 BvR 798/21; 1 BvR 805/21; 1 BvR 820/21; 1 BvR 854/21; 1 BvR 860/21 und 1 BvR 889/2) 1 sowie BvR 971/21 (bzw. 1 BvR 1069/21


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(ESV/bp)

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