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BVerfG: Der Impfschutz gegen Corona zum Schutz von besonders gefährdeten Personengruppen bleibt relevant (Foto: Ahmet Aglamaz / stock.adobe.com)
Impfpflicht gegen Corona für Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen

BVerfG: Eilantrag gegen Impfpflicht für Mitarbeiter in Pflegeinrichtungen erfolglos

ESV-Redaktion Recht
14.02.2022
Die Impfpflicht gegen Corona ist heiß umstritten. Das gilt sowohl für eine allgemeine Impflicht für jedermann als auch für eine spezielle Impflicht für Pflegepersonal, die der Gesetzgeber bereits beschlossen hat. Unter anderem gegen diese Teil-Impfpflicht zogen zahlreiche Personen mit einer Verfassungsbeschwerde – verbunden mit einem Eilantrag – vor das BVerfG. Ohne Erfolg: Die Karlsruher Richter haben Eilantrag abgelehnt.
Die Regelung von § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG sieht vor, dass Personen, die in bestimmten Pflegeinrichtungen tätig sind, ab dem 15.03.2022 geimpft oder genesen sein müssen. Bis zum genannten Datum müssen betroffene Personen der Leitung der Einrichtung Nachweise vorlegen, die den Anforderungen von § 2 Nr. 3 und 5 COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung in ihren jeweils geltenden Fassungen entsprechen. Zur Konkretisierung verweist die benannte VO auf die Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts (RKI).
 
Die überwiegende Zahl der Beschwerdeführer arbeitet in den betreffenden Einrichtungen entweder selbstständig oder in Angestellten- bzw. Beamtenverhältnissen. Überwiegend sind diese ungeimpft oder lehnen weitere Impfungen ab. Einige Beschwerdeführer waren bereits an Corona erkrankt. Weitere Beschwerdeführende haben leitende Funktionen in den Einrichtungen, die auch künftig ungeimpfte Personen beschäftigen wollen. Ein weiterer Teil der Beschwerdeführ ist bei ungeimpften Ärzten, Zahnärzten oder sonstigen medizinischen Dienstleistern in Behandlung.

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BVerfG: Gründe für Außervollzugsetzung wiegen nicht schwer genug

Vor dem 1. Senats des BVerfG hatte der Eilantrag keinen Erfolg. In seiner Begründung wies der Senat zunächst auf die hohen Hürden für Eilanträge hin, die den Vollzug einer gesetzlichen Norm aussetzen sollen. Dies, so der Senat, sei ein erheblicher Eingriff in die originäre Zuständigkeit des Gesetzgebers. Deshalb müssten die Gründe, die für eine vorläufige Regelung sprechen, im Regelfall so schwer wiegen, dass eine einstweilige Anordnung unabdingbar ist. Hieran gemessen konnte der Eilantrag dem Senat zufolge keinen Erfolg haben. Die Karlsruher Richter sahen nämlich die mit dem Eilantrag verbundene Verfassungsbeschwerde als offensichtlich unbegründet an.
 
Der 1. Senat des BVerfG hatte schon wenig verfassungsrechtliche Bedenken an einer bereichsbezogenen Impflicht. Allerdings zweifelte der Senat an der Verfassungskonformität der gesetzgeberischen Regelungstechnik, die dem § 20a IfSG zugrunde liegt. Die weiteren Erwägungen des Senats:
 
  • Doppelte dynamische Verweisung problematisch: Vorab richtete der Senat seinen Blick auf die sogenannte doppelte dynamische Verweisung. Der Gesetzgeber verweist nämlich zunächst auf die COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung. Diese verweist ihrerseits dann auf die Web-Seiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des RKI. Die Frage, ob die darin liegende bindende Außenwirkung der dynamisch in Bezug gesetzten Regelwerke der beiden Bundesinstitute noch eine hinreichende gesetzliche Grundlage hat, wollte der Senat jedoch nicht ad hoc beantworten. Falls diese Frage aber zu bejahen wäre, müsste weiterhin aufgeklärt werden, ob es einen tragfähigen sachlichen Grund dafür gibt, dass nicht der Verordnungsgeber selbst die Vorgaben für die vorzulegenden Impf- oder Genesenennachweise konkretisiert, sondern dass dies den benannten Bundesinstituten obliegen soll.
  • Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht gerechtfertigt: Da die vorbenannten Fragen nicht im Eilverfahren zu klären sind, so der Senat weiter, wäre der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht gerechtfertigt. Würde die beantragte einstweilige Anordnung nämlich ergehen und bliebe die Verfassungsbeschwerde erfolglos, hätten dem Senat zufolge die Nachteile, die sich aus der Nichtanwendung der angegriffenen Regelungen ergeben, ein sehr hohes Gewicht. In diesem Fall würden bestimmte Personengruppen in der Zeit bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde nämlich einem deutlich größeren Infektionsrisiko ausgesetzt.
  • Impfschutz noch immer relevant: Insoweit beriefen sich die Karlsruher Richter auf die Einschätzung von den angehörten Sachverständigen. Demnach ist davon auszugehen, dass Corona-Impfungen – auch vor dem Hintergrund von Omikron – noch einen relevanten Schutz bieten. Dies gilt auch dann, wenn dieser mit der Zeit deutlich nachlässt.
  • Folgenabwägung: Im Rahmen seiner Folgenabwägung betonte der Senat dann, dass sich bei der Außervollzugsetzung der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht weniger Personen impfen lassen werden – mit der weiteren Folge, dass sich dort mehr Arbeitskräfte infizieren. Somit steigt in der Schwebezeit, also bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, auch die Gefahr, dass sich mehr vulnerable Personengruppen irreversibel mit dem Virus infizieren oder gar sterben, als ohne Außervollzugsetzung. Insoweit gehen die Karlsruher Richter von einer noch immer hohen Infektionsdynamik mit hohen Fallzahlen aus. Demzufolge ist es wichtig, Übertragungsketten möglichst früh zu unterbrechen. Dem steht nach Senatsauffassung eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit von gravierenden Folgen einer Impfung gegenüber. Hinter diesen Belangen muss das Interesse der Beschwerdeführer, bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde ohne Impfung in den betreffenden Einrichtungen arbeiten zu können, zurücktreten.

Was die Entscheidung bedeutet

  • Das BVerfG hat in einem Eilverfahren zu einer Verfassungsbeschwerde entschieden. Dabei ging es lediglich um die Teil-Impfpflicht für Personal im Pflegebereich. Die Hauptsache – also die Verfassungsbeschwerde selbst – ist noch nicht vom Tisch. Das BVerfG hat dem Hauptsacheverfahren nur wenig Erfolgsaussichten eingeräumt. Ein anderes Ergebnis in der Hauptsache ist also noch möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich.
  • Ebenso wenig sagt dieses Ergebnis etwas über die Zulässigkeit einer generellen Impfpflicht aus. Hierüber hat das BVerfg explizit nicht entschieden.
Gerichtsentscheidungen rund um Corona

Corona hat dazu geführt, dass der Gesetzgeber und die Behörden existenzielle Bürgerrechte eingeschränkt haben. Dies führte zu zahlreichen Gerichtsverfahren. Mittlerweile hat auch das BVerfG Sachentscheidungen getroffen. An dieser Stelle fassen wir fortlaufend wichtige Gerichtsentscheidungen zusammen, über die wir berichtet haben. mehr …




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Corona im Rechtsstaat

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