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Kontaktbeschränkungen, Schulschließungen, Beschränkungen im Einzelhandel und die Nichtöffnung kultureller Einrichtungen haben den Ersten Senat des BVerfG beschäftigt (Foto: U. J. Alexander / stock.adobe.com)
Corona und Verfassungsrecht

BVerfG: Verfassungsbeschwerde und mehrere Eilanträge gegen Coronamaßnahmen erfolglos

ESV-Redaktion Recht
25.05.2021
Der Erste Senat des BVerfG hat durch verschiedene Kammern mehrere Anträge auf Erlass von einstweiligen Anordnungen abgelehnt. Diese richteten sich gegen Kontaktbeschränkungen, Schulschließungen und gegen Beschränkungen des Einzelhandels. Ebenso haben die Karlsruher Richter eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die die Untersagung von kulturellen Einrichtungen zum Gegenstand hatte.
Zu den einzelnen Verfahren:

Kontaktbeschränkungen

Der Angriff in dem Verfahren 1 BvR 900/21 richtete sich gegen § 28b Absatz 1 Nr. 1 IfSG ‒ und zwar mit einer Verfassungsbeschwerde, die mit einem Antrag auf eine einstweilige Anordnung (Eilantrag) verbunden war. Dabei kam die 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG zu dem Ergebnis, dass die Nachteile der Kontaktbeschränkungen gegenüber den Nachteilen, die aus einem wirksamen Infektionsschutz resultieren, nicht überwiegen. Damit lehnte die Kammer den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Ihr Ergebnis stütze die Kammer unter anderem auf
 
  • die Abmilderung der Kontaktbeschränkungen aufgrund der die zahlreichen Ausnahmen – etwa für Geimpfte oder für Kinder unter 14 Jahren
  • sowie auf die zeitliche Begrenzung der Verbote bis zum 30.6.2021.
Insgesamt habe die Einschätzung des Gesetzgebers, nach der § 28b Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG besonders wirksam dazu beiträgt, Infektionsketten zu unterbrechen, eine nachvollziehbare Grundlage, so die 1. Kammer hierzu. Die Ablehnung des Eilantrags bedeutet aber noch nicht, dass die angegriffene Vorschrift mit dem GG vereinbar ist. Diese Prüfung findet im Hauptsacheverfahren statt.

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Schulschließung

Angegriffen wurde in diesem Verfahren (1 BvQ 64/21) – mit einem isolierten Eilantrag – die Untersagung von Präsenzunterricht an Schulen nach § 28b Absatz 3 IfSG, bei einer 7-Tage-Inzidenz von über 165. Die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat den Antrag abgelehnt. Dieser war schon deshalb erfolglos, weil der Antragsteller eine Schule besuchte, die in einem Landkreis liegt, in dem die Sieben-Tage-Inzidenz stabil unter 100 liegt, so die Kammer. Eine Folgenabwägung und eine verfassungsrechtliche Bewertung von § 28b Absatz 3 Satz 3 IfSG sind daher nach Auffassung der Kammer nicht geboten.

Beschränkungen des Einzelhandels 

Gegenstand der Verfassungsbeschwerden sowie der Anträge auf einstweilige Anordnungen in den Verfahren 1 BvR 968/21 u. a.  war § 28b Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 IfSG. Die Folgenabwägung, die die 3. Kammer des BVerfG hier vorgenommen hatte, kam zu dem Ergebnis, dass die Gründe, die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechen, nicht überwiegen. Demnach müssen die substantiiert vorgebrachten Gründe, die dazu führen, dass das angegriffene Gesetz nicht weiter gilt, so schwer wiegen, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung unabdingbar ist. Die sich gegenüberstehenden Interessen:

  • Umsatzverluste im Einzelhandel: Auf der einen Seite stehen die laufenden Umsatzverluste im Einzelhandel. Allerdings würden diese schon abgefedert durch die Möglichkeit der Kunden, Einzelhandelsgeschäfte mit Anmeldung oder mit negativem Test aufzusuchen. Auch staatliche Überbrückungshilfen und die Möglichkeit der Kurzarbeit könnten die Verluste teilweise abmildern. 

  • Schutz vor Corona: Andererseits muss der Gesetzgeber, das Leben und die Gesundheit vor Corona-Infektionen schützen und das IfSG hat den Zweck, die Verbreitung des Virus zu senken, meint die 3. Kammer weiter. Daher wiegen die Belastungen der Öffnungsbeschränkungen nicht schwerer als die Nachteile, die aus einem wirksamen Infektionsschutz resultieren. Hierbei ist auch die Leistungsfähigkeit der medizinischen Versorgung in einer weiterhin gefährlichen Pandemie zu berücksichtigen. 
Auch dies heißt noch nicht, dass die angegriffenen Vorschriften mit dem GG vereinbar sind. Eine Prüfung findet auch hier im Hauptsacheverfahren statt.

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Öffnung kultureller Einrichtungen 

Ziel einer Verfassungsbeschwerde – verbunden mit einem Antrag auf eine einstweilige Anordnung – war die Untersagung der Öffnung von kulturellen Einrichtungen im Sinne von § 28b Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 IfSG. Die Beschwerdeführer sahen hierin eine Verletzung der Kunstfreiheit.

Allerdings hält die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG diese Beschwerden vor allem wegen einem nicht ausreichenden Vortrag der Beschwerdeführer für unzulässig. Die Kammer hat die Beschwerde daher nicht zur Entscheidung angenommen und und den Eilantrag für gegenstandslos erklärt (1 BvR 928/21). Die tragenden Günde der Kammer:

  • Kein ausreichender Vortrag zur fehlenden Erforderlichkeit der angegriffenen Maßnahmen: Dem Gericht zufolge hatten die Beschwerdeführer schon nicht dargelegt, dass die Beschränkungen von künstlerischen Veranstaltungen bei dauerhaft hohen Infektionszahlen nicht erforderlich wären. Darüber hinaus, so das BVerfG weiter, habe sich die Beschwerde nicht ausreichend mit der fachgerichtlichen Rechtsprechung auseinandergesetzt, die bisher zur Untersagung der Öffnung von Kultureinrichtungen sowie zu entsprechenden Veranstaltungen ergangen ist.

  • Vorgelegte Studien unrealistisch: Die Beschwerdeführer hatten nicht dargelegt, dass die Untersagung der Öffnung von Kultureinrichtungen für den Publikumsverkehr zur Bekämpfung der Pandemie bei der Berücksichtigung des Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers offensichtlich ungeeignet, nicht erforderlich oder unangemessen wäre. Zwar hatten die Beschwerdeführer hierzu Studien vorgelegt. Allerdings sind diese von niedrigeren Inzidenzwerten ausgegangen und es fehlt eine Darlegung, warum die Studien auch für Inzidenzwerte oberhalb von 100 signifikant aussagekräftig sein sollen.
  • Kein hinreichender Vortag zur Unverhältnismäßigkeit: Weil die angegriffenen Maßnahmen auf Situationen mit hohem Infektionsgeschehen beschränkt sind und angesichts einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems konnte das Gericht dem Vortrag der Beschwerdeführer nicht entnehmen, dass die Einschränkungen aus den Maßnahmen unverhältnismäßig sind. Dabei haben die Karlsruher Verfassungshüter auch berücksichtigt, dass § 28b Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 IfSG nur den Zugang zu bestimmten Veranstaltungsstätten untersagt. Demgegenüber bleiben andere Verbreitungen ‒ wie etwa das Streaming- oder Downloadangebote ‒ unangetastet. Auch angesichts sinkender Inzidenzwerte und verbesserter Perspektiven bei sommerlichen Bedingungen für Open Air-Veranstaltungen hätten die Beschwerdeführer nach Auffassung des BVerfG darlegen müssen, warum der bisherige Zustand nicht noch zwei Monate tragbar sein sollte.
  • Kein Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz: Ebenso wenig hatten die Beschwerdeführer substantiiert aufgezeigt, dass eine im Vergleich zur Durchführung von Gottesdiensten willkürliche Ungleichbehandlung vorliegt.
Quelle: PM des BVerfG vom 20. Mai 2021, zu den Beschlüssen vom selben Tag in den Vefahren  1 BvR 900/211 BvQ 64/211 BvR 968/21 u.a.  und 1 BvR 928/21



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(ESV/bp)

Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht