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BVerG: Wille des Verstorbenen in Bezug auf lebensverlängernde Maßnahmen war vorliegend nicht feststellbar (Foto: Klaus Eppele und AllebaziB/Fotolia.com)
Arzthaftung

BVerfG zur Haftung eines Arztes für hinausgezögerten Tod eines Patienten

ESV-Redaktion Recht
02.12.2022
Kann ein Arzt dafür haften, wenn er das Leiden seines an Demenz erkrankten Patienten am Lebensende verlängert? Hiermit hat sich das BVerfG in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss befasst.
In dem Streitfall verbrachte der 2011 gestorbene Vater des Beschwerdeführers seine letzten Lebensjahre in einem Münchner Pflegeheim. Er konnte nur noch bewegungsunfähig im Bett liegen und war nicht mehr in der Lage, sich mitzuteilen. Außerdem litt er unter Schmerzen und Fieber.
 
Der Verstorbene hatte allerdings keine Patientenverfügung. Nach den Feststellungen der Fachgerichte ließ sich sein Wille zum Einsatz lebenserhaltender Maßnahmen auch nicht anderweitig feststellen.
 
Sein Sohn, der in die USA ausgewandert war, hielt dies für eine sinnlose Quälerei. Er warf dem behandelnden Arzt vor, dass er die Ernährung per Magensonde nicht irgendwann gestoppt hatte, was den Tod des Vaters zur Folge gehabt hätte. Als Erbe verlangte er hierfür mindestens 100.000 EUR Schmerzensgeld und mehr als 52.000 EUR an Pflegekosten. Der Fall, der sich durch die Instanzen zog, landete zwischenzeitlich auch vor dem BGH und schließlich vor dem BVerfG.
 
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BGH: Ein leidensbehaftetes Weiterleben ist kein Schaden

Der BGH sah als Revisionsinstanz keine Ansprüche des Sohnes gegen den Arzt. Demnach steht einem Dritten kein Urteil über den Wert eines Lebens zu. Ein Weiterleben könne deswegen auch nicht als Schaden angesehen werden. Dies gilt dem BGH zufolge auch dann, wenn das Weiterleben leidensbehaftet ist (vgl. hierzu BGH in seinem Urteil vom 02.04. 2019 – VI ZR 13/18). Gegen die benannte BGH-Entscheidung zog der Sohn mit einer Verfassungsbeschwerde dann vor das BVerfG.
 

Beschwerdeführer: Zahlreiche Grundrechte verletzt

Mit seiner Beschwerde rügte der Sohn die Verletzung der Rechte seines Vaters und von eigenen Rechten. Demnach sind vor allem die Grundrechte seines Vaters auf
 
  • den Schutz der Menschenwürde nach Art. 1 Absatz 1 GG,
  • dessen Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Absatz 2 Satz 1 GG sowie
  • dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht
verletzt. Weil sein Vater verstorben sei, könne dieser die Verletzungen nicht mehr selbst geltend machen. An die Stelle des Grundrechtsschutzes tritt nach Auffassung des Beschwerdeführers der Schmerzensgeldanspruch, der demnach auch am Grundrechtsschutz teilnimmt.
 
In Bezug auf seine eigene Person sieht der Beschwerdeführer sein nach Art. 14 GG geschütztes Erbrecht, den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG und das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG verletzt.
 

BVerfG: Mutmaßlicher Wille des Verstorbenen maßgebend

Auch die Verfassungsbeschwerde blieb erfolglos: Der 1. Senat der 3. Kammer des BVerfG nahm diese nicht zur Entscheidung an und wies sie als teilweise unzulässig zurück. Demnach stößt die angegriffene BGH-Entscheidung nicht auf durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken. Die wesentlichen Erwägungen des Senats:
 
  • Arzthaftung zwar nicht von vornherein ausgeschlossen: Zwar sind dem Senat zufolge haftungsrechtliche Folgen aus lebensverlängernden Maßnahmen gegen den Willen des Betroffenen nicht per se ausgeschlossen.
  • Aber – Wille des Verstorbenen entscheidend: Vorliegend, so der Senat weiter, ist jedoch der Wille des Verstorbenen entscheidend.
  • Wille des Verstorbenen nicht feststellbar: Der tatsächliche oder mutmaßliche Wille des Verstorbenen war aber nicht festzustellen. So blieb bei dem dementen Vater ungeklärt, ob und wie lange er die Sonde gewollt hätte, die ihm 2006 gelegt wurde. Er hinterließ keine Patientenverfügung, in der er schriftliche Behandlungsanweisungen niedergelegt hatte und selbst äußern konnte er sich nicht mehr, so der Senat abschließend. 
Quellen:
 
  • Zahlreiche Medienberichte unter Berufung auf dpa
 


Die Prozesslawine rollt weiter

Arzthaftpflicht-Rechtsprechung III


Das Arzthaftpflichtrecht spielt in Deutschland immer noch eine große Rolle. Die Zahl der Schadensersatzprozesse, die Patienten gegen ihren Arzt führen, weil er einen Behandlungsfehler begangen oder seine ärztliche Aufklärungspflicht verletzt haben soll, ist gleichbleibend hoch. Für Ärzte wiederum bedeuten die Gefahr eines solchen Prozesses und die drohende Haftung eine wesentliche Belastung, auch bei ihrer Berufsausübung.

Unerschöpfliche Informationsquelle: Die Sammlung Arzthaftpflicht-Rechtsprechung bietet seit Jahrzehnten einen umfassenden und zuverlässigen Überblick über die Rechtsprechung auf diesem Gebiet. Nicht ohne Grund erntet die Sammlung seit Erscheinen des ersten Teils deshalb auch hervorragende Kritiken.

Mittlerweile ein Klassiker auf dem Gebiet des Arzthaftpflichtrechts, enthält das Gesamtwerk alle seit 1949 ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen sowie rechtskräftige, schwer zugängliche Entscheidungen der unteren Instanzen. Die Entscheidungen werden von Richtern aus den Spezialsenaten für Arzthaftpflichtrecht am BGH und an Oberlandesgerichten mit hoher medizinischer Fachkompetenz ausgewählt und dem überzeugenden Konzept der Sammlung folgend übersichtlich nach Sachgebieten aufbereitet.

Die Entscheidungen sind den medizinischen Fachgebieten mit entsprechenden Hinweisen zugeordnet. Anmerkungen zu einzelnen Entscheidungen enthalten z. T. Hinweise auf Besprechungen oder auf Zusammenhänge mit anderen Urteilen.

Arzthaftpflicht-Rechtsprechung bietet Antworten auf wichtige Fragen:

  • Welche Pflichten hat ein Arzt?
  • Wie weit muss der Patient aufgeklärt werden?
  • Welche Rechtsfolgen hat eine Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht?
  • Wer haftet für Fehler von Hilfskräften?
  • Wer trägt im Prozess wofür die Darlegungs- und Beweislast?
  • Welche weiteren speziellen prozessrechtlichen Probleme sind zu beachten? 
Arzthaftpflicht-Rechtsprechung besteht aus drei Teilen: Teil III umfasst Entscheidungen ab dem Jahr 2000 bis heute, Teil II von 1993 bis 1999, Teil I von 1949 bis 1992.

Diese Sammlung ist weiterhin als ergänzbare Printausgabe im praktischen Ordner erhältlich.

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(ESV/bp)

Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht