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BVerwG: Fahrverbote für Dieselfahrzeuge sind nicht bei jeder Grenzwertüberschreitung zwingend (Foto: Animaflora PicsStock / stock.adobe.com)
BVerwG zu Dieselfahrverboten

BVerwG: Dieselfahrverbote können unverhältnismäßig sein

ESV-Redaktion Recht
10.03.2020
Spätestens seitdem das BVerwG im Februar 2018 den Weg für Dieselfahrverbote frei gemacht hat, mussten zahlreiche Städte ihre Luftreinhaltepläne entsprechend erweitern. Allerdings erfordert nicht jede Überschreitung der zulässigen Grenzwerte ein Fahrverbot, wie das BVerwG jüngst entschieden hat.
Aufgrund einer älteren Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) von Februar 2018 befürchteten zahlreiche Fahrer von Dieselmodellen flächendeckende Fahrverbote. Zwar haben einige Instanzgerichte die jeweiligen Bundesländer in der Tat dazu verpflichtet, Umweltzonen und damit flächendeckende Fahrverbote in bestimmten Innenstädten einzurichten – so zum Beispiel in Stuttgart. Oft kam es aber auch nur zu Streckenfahrverboten, wie etwa in Berlin oder Darmstadt. In einigen Städten ist diese Frage noch offen – beispielsweise in Frankfurt oder Köln. Ein Automatismus für flächendeckende Diesel-Fahrverbot lässt sich aus dieser Entscheidung also nicht ableiten.

In dem aktuellen Streitfall hatte der Kläger - ein deutschlandweit tätiger Umweltverband - von dem beklagten Land Baden Württemberg verlangt, den zuletzt 2018 überarbeiteten Luftreinhalteplan für die Stadt Reutlingen fortzuschreiben, weil der zulässige Grenzwert für Stickstoffdioxid dort überschritten worden sein soll. Daher habe das beklagte Land zu Unrecht auf Dieselfahrverbote verzichtet, so die Umweltschützer.

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  • Dieselfahrverbote in einigen Städten von NRW vorerst abgewendet: In neun Städten in Nordrhein-Westfalen (NRW) drohen vorerst keine Fahrverbote. Dies ergibt sich aus aktuellen Pressemeldungen des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Nordrhein-Westfalen. Danach haben sich die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und das Land NRW im Rahmen von Schlichtungsgesprächen auf unterschiedliche Maßnahmenpakete geeinigt. Dies betrifft die Städte Bielefeld, Bochum, Bonn, Dortmund, Düren, Gelsenkirchen, Hagen, Oberhausen und Paderborn. 

Vorinstanz: Bei Dieselfahrverbot hätte der gesetzliche Grenzwert schon 2019 eingehalten werden können

Dieser Auffassung schloss sich der VGH Mannheim – als erste Instanz nach § 7 Abs. 2 Satz 1 UmwRG – in seinem Urteil vom 18.3.2019 (10 S 1977/18) an. Der VGH hat das Land Baden Württemberg dazu verurteilt, den Luftreinhalteplan für die Stadt Reutlingen – unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung – so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des zulässigen Grenzwertes im Stadtgebiet einhält. Dabei legte das Gericht einen Grenzwert für NO2 von 40 Mikrogramm/Kubikmeter im Stadtgebiet Reutlingen zugrunde, der über das Kalenderjahr gemittelt wurde. Insoweit besteht dem Gericht zufolge eine Erfolgspflicht in Form einer verschuldensunabhängigen Ergebnisverpflichtung.
 
Nach den weiteren Ausführungen des VGH hätte der benannte Grenzwert bei der zusätzlichen Aufnahme eines Dieselfahrverbots zu dem Maßnahmenpaket, das der Beklagte vorgesehen hatte, schon im 2019 flächendeckend eingehalten werden können. Zudem, so der VGH weiter, wären die Prognosen, die bei der Planung zugrunde gelegt wurden, zum Teil nicht hinreichend belegt worden. 


Land Baden Württemberg: NO2 Belastung auch ohne Fahrverbote gesunken


Gegen diese Entscheidung des VGH gingen das Land Baden-Württemberg und die Stadt Reutlingen in Revision. Nach ihrem Vortrag ist die NO2-Belastung auch ohne Fahrverbote stetig gesunken. Auch einer Prognose zufolge würde der zulässige Grenzwert in diesem Jahr unterschritten.

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BVerwG: Dieselfahrverbot nicht zwingend

Der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) hob das Urteil der Vorinstanz auf und verpflichtete das beklagte Land dazu, den streitgegenständlichen Luftreinhalteplan unter Beachtung seiner Rechtsauffassung fortzuschreiben. Zwar leidet der Luftreinhalteplan in der Tat an den vom VGH festgestellten Prognosefehlern. Allerdings war ein Dieselfahrverbot – entgegen der Auffassung des VGH – nicht zwingend. Die weiteren wesentlichen Erwägungen der Leipziger Richter:

  • Verhältnismäßigkeitsprinzip gilt auch bei Maßnahmen zur Einhaltung von Grenzwerten: Nach Meinung der Leipziger Richter gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt nicht nur bei der Anordnung von Maßnahmen zur Einhaltung der Grenzwerte, sondern auch bei deren Ausgestaltung.
  • Fahrverbot nicht verhältnismäßig:  So kann ein Dieselfahrverbot auch dann unverhältnismäßig sein, wenn die baldige Einhaltung des Grenzwerts absehbar ist. Dies nahm das BVerwG vorliegend an.
  • Prognose auf sicherer Datenbasis: Voraussetzung ist aber, dass die Prognose auf einer hinreichend gesicherten Grundlage basiert. Auch hiervon gingen die Leipziger Richter aus.  
Auch aus dem vor kurzem in Kraft getretenen § 47 Absatz 4a BImSchG ergibt sich dem Senat zufolge nichts anderes. Danach kommen Verbote für Dieselfahrzeuge grundsätzlich nur dort in Betracht, wo der Wert von 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel überschritten worden ist.

Quellen:

  • PM des BVerwG vom 27.2.2020 zum Urteil vom selben Tag - 7 C 3.19
  • PM des OVG Münster vom 28.2.2020, vom 23.2.2020 sowie vom 22.1.2020 zu den Verfahren in Bielefeld (6 D 111/18.AK ), Bochum (8 D 105/18.AK), Bonn (8 A 4774/18.AK), Dortmund (8 D 106/18.AK), Düren (8 D 9/19.AK), Gelsenkirchen (8 A 4952/18), Hagen (8 D 109/18.AK), Oberhausen (8 D 110/18.AK) und Paderborn (8 D 7/19.AK)

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(ESV/bp)

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