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Fan-Anleihen: Alternatives Finanzierungsinstrument vorrangig im Fußball (Foto: Agenzia Visione/Fotolia.com)
Nachgefragt bei: Prof. Dr. Thomas Bezold

„Das Renditemotiv spielt bei Fans nur eine Nebenrolle”

ESV-Redaktion Management und Wirtschaft
14.12.2015
Fan-Anleihen erweisen sich als interessante Alternative zu klassischen Finanzierungsinstrumenten im Profifußball. Prof. Dr. Thomas Bezold äußert sich im Interview mit der ESV-Redaktion über Vor- und Nachteile – sowohl aus Sicht der Vereine als auch der Fans.
Was sind die wesentlichen Merkmale einer Fan-Anleihe?

Thomas Bezold: Bei einer Fan-Anleihe, auf englisch fan bond, handelt es sich um ein Wertpapier, das verzinslich und kapitalmarktfähig ist. Die ausgebenden Fußballvereine oder -kapitalgesellschaften versuchen meist damit anlassbezogen eine Projektfinanzierung zu realisieren, z. B. für den Bau eines Nachwuchsleistungszentrums oder für einen Stadionumbau. Der größte Unterschied zur klassischen Unternehmensanleihe liegt im vergleichsweise geringen Emissionsvolumen und der teilweisen Verbriefung in Form von Schmuckurkunden. So liegen das aktuell größte Emissionsvolumen bei 17,5 Millionen Euro und der bisher höchste Anteil an Schmuckurkunden bei 60 Prozent. Bilanziell stellt jede Fan-Anleihe Fremdkapital dar, das der emittierende Verein im Durchschnitt nach 5,8 Jahren mit einer Durchschnittsverzinsung von 5,6 Prozent p.a. an die Anleger zurückbezahlen muss.

Während normalerweise bei Geld die Freundschaft aufhört, scheint Geld die Freundschaft des Fans zu seinem Verein noch zu vertiefen. Woran liegt das?

Thomas Bezold: Viele Fans, die eine Fan-Anleihe kaufen, fühlen sich durch ihr finanzielles Engagement stärker mit dem Verein verbunden, was sicherlich „gefühlt“ auch so ist. Allerdings ist dies rechtlich nicht der Fall, denn Anleihen sind keine Aktien. Man erwirbt beim Kauf von Anleihen kein Miteigentum oder Mitspracherechte. Anleihezeichner stellen dem Emittenten der Anleihe lediglich einen Kapitalbetrag zur Verfügung, den sie nach Laufzeitende, zuzüglich einer jährlichen Verzinsung, zurückerhalten. Käufer einer Fan-Anleihe sind weniger stark renditeorientiert als traditionelle Wertpapierkäufer, das Unterstützungsmotiv dominiert.

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Wer gewinnt bei der Entscheidung zum Kauf einer Fan-Anleihe: Der Verstand oder die Emotion?

Thomas Bezold: Das ist eine interessante Frage. Sowohl Verstand als auch Emotion haben immer einen gewissen Anteil an der Kaufentscheidung, auch bei Finanzprodukten, was die Forschungsergebnisse im Bereich der Behavioral Finance eindrucksvoll belegen. Es kommt dabei auf das Verhältnis zwischen den beiden Extremen an. Wie eine aktuelle Studie belegt, steht beim Kauf von Fan-Anleihen durch Fans als Hauptmotiv die Unterstützung des Vereins mit 83,7 Prozent ganz klar an erster Stelle. Dieses Motiv erreicht bei neutralen Anlegern lediglich 13,5 Prozent, wohingegen bei dieser Gruppierung die Höhe der Rendite mit 59 Prozent auf Platz eins liegt. Das Renditemotiv hat bei Fans dagegen nur eine Bedeutung von 8,8 Prozent. Wenn man sich die aktuelle Niedrig-Zinsphase mit marginalen Zinserträgen aus Anlegersicht vor Augen führt und das Totalausfallrisiko nicht in die Bewertung mit einbezieht, haben die Anleihezeichner eine lukrativ verzinste Geldanlage gewählt. Dementsprechend haben sich die Zeichner einer Fan-Anleihe rational für ein attraktiv verzinstes Anlageprodukt entschieden.

Warum stellt die Fan-Anleihe eine Alternative zu den „klassischen“ Finanzierungsinstrumenten dar?

Thomas Bezold: Zunächst muss man festhalten, dass gewisse Voraussetzungen gegeben sein müssen, um das Finanzierungsinstrument der Fan-Anleihe erfolgreich anwenden zu können. Dazu gehört eine solide wirtschaftliche und infrastrukturelle Situation des Vereins sowie eine breite loyale Fanbasis, die auch sportliche und wirtschaftliche Rückschläge, wie beispielsweise einen Abstieg, verkraften kann. Die Fan-Anleihe bietet aus der Perspektive des Emittenten einige Vorteile. Es müssen keine Mitspracherechte abgegeben werden, die Ausgabe führt nicht zu erhöhten Publizitätspflichten und Fan-Anleihen müssen nicht gesondert besichert werden. Die Haftung liegt ausschließlich beim Zeichner. Gerade wenn Bankdarlehen aufgrund von restriktiver werdenden Rahmenbedingungen, wie Basel III, schwerer zu erhalten sind, kann eine Fan-Anleihe unter den oben beschriebenen Voraussetzungen durchaus eine sinnvolle Finanzierungsalternative sein.

Kritiker sehen in Fan-Anleihen primär ein „Kundenbindungsinstrument“. Ein berechtigter Kritikpunkt?

Thomas Bezold: Ja und Nein! Ja, weil die Zeichner sich finanziell engagieren und damit vom wirtschaftlichen und sportlichen Erfolg des Vereins direkt abhängig sind. Die emotionale Verbindung wird „monetarisiert“ und damit entsteht faktisch eine Kundenbindung. Der Zeichner ist für die Dauer der Anlage in jedem Fall mit dem Verein verbunden. Und Nein, weil für den Zeichner die Fan-Anleihe auch ein interessantes Geldanlageprodukt mit einer attraktiven Verzinsung darstellt. Es ist ein Bündnis auf Zeit.

Setzen außer Fußballvereinen auch noch andere Sportvereine auf das Finanzierungsinstrument der Fan-Anleihe?

Thomas Bezold: International ja, in Deutschland bislang noch nicht, was bei den Gesamtumsätzen und der bilanziellen Vermögenslage der Profivereine in anderen Sportarten auch nicht überraschend ist. Wenn die strukturellen, bilanziellen und sportlichen Voraussetzungen erfüllt sind, kämen aber auch einige Vereine aus der Deutschen Eishockey Liga, der Beko Basketball Bundesliga und der DKB Handball Bundesliga hierfür in Frage.

(ESV/ms)

Zum Autor
Prof. Dr. Thomas Bezold ist zusammen mit Timo Lurk Autor des Buches „Fan-Anleihen als Finanzierungsinstrument im Profifussball”. Bezold lehrt als Professor Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Sportmanagement, an der Reinhold-Würth-Hochschule der Hochschule Heilbronn in Künzelsau. Nach Studium und Promotion in den Fächern Sportwissenschaft, Allgemeine Betriebswirtschaft und Marketing arbeitete er bei verschiedenen Organisationen im Sport, u.a. in der professionellen Sportvermarktung und in der öffentlichen Sportverwaltung als Leiter des Sportamtes der Stadt Bayreuth. Arbeitsfelder in Lehre und Forschung sind Sportmarketing, Sportcontrolling, Sportfinanzierung, Markenmanagement im Sport sowie internationale Aspekte im Sportmanagement.

Programmbereich: Management und Wirtschaft