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Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments einigen sich auf härtere Steuerregeln für große Unternehmen (Foto: CMS Hasche Sigle)
Nachgefragt bei: Dr. Björn Demuth (CMS Hasche Sigle)

Demuth: „EU ist sich beim Reporting einig und schüttet alten Wein in neue Schläuche“

ESV-Redaktion Steuern
08.06.2021
Nach fünf Jahren Streit haben sich Vertreter der EU-Staaten und des Europaparlaments auf die Regeln des sog. Country-by-Country-Reporting geeinigt. Im Interview mit der ESV-Redaktion erläutert Unternehmenssteuerexperte Dr. Björn Demuth, was auf die betroffenen Unternehmen zukommt.
Einige große Unternehmen nutzen Steuersparmodelle, um Gewinne in Länder mit möglichst niedrigen Unternehmenssteuersätzen zu verschieben und damit Steuern zu vermeiden. Schätzungen zufolge verlieren die EU-Staaten dadurch bis zu 50 Milliarden Euro jährlich an Steueraufkommen. Dem möchte die EU mit dem nun beschlossenen Country-by-Country-Reporting begegnen. Welche Regelungen sieht diese Einigung vor und welche Unternehmen sind davon betroffen?

Björn Demuth: Das Country-by-Country-Reporting, kurz CbCR, ist nichts gänzlich Neues. Es beruht auf einer Initiative der OECD vom 5. Oktober 2015, bekannt unter dem Stichwort Base Erosion and Profit Shifting, abgekürzt BEPS. Im Aktionspunkt 13 sind entsprechende Regelungen bereits vorgesehen. In einzelnen Staaten – so auch in Deutschland – wurde die Reportingpflicht schon 2016 eingeführt. Die EU legte 2017 ihre Verhandlungsposition fest. Aber erst jetzt haben sich Vertreter des Europäischen Rates und des Europäischen Parlaments vorläufig politisch über die vorgeschlagene Richtlinie geeinigt. Die formal erforderlichen Beschlüsse gelten als Formsache. Allerdings muss die Richtlinie über die Offenlegung von Ertragsteuerinformationen, besser bekannt als Richtlinie über die länderbezogene Berichterstattung, noch final formuliert werden.

Aus dem Entwurfstext geht hervor, dass die adressierten Unternehmen Ertragsteuerinformationen offenlegen müssen. Die Offenlegungspflicht umfasst Informationen aus den Mitgliedstaaten, Ländern auf der schwarzen Liste, den sogenannten Steueroasen, und Ländern, die während zwei aufeinanderfolgenden Jahren auf der grauen Liste stehen, also solche, die zwar nicht alle internationalen Steuerstandards erfüllen, aber Reformen zugesagt haben, wie etwa die Türkei.

Die Konzernspitzen internationaler Unternehmen mit einem Konzernumsatz von mindestens 750 Millionen Euro im vergangenen Jahr müssen zukünftig dezidierte Reports über die Geschäftsbeziehungen mit verbundenen Unternehmen über Grenzen hinweg erstellen. Veröffentlicht werden sollen – unter anderem – Nettoumsätze, Gewinn oder Verlust vor Steuern und die tatsächlich gezahlten Ertragssteuern ebenso wie die Anzahl der Mitarbeiter und Tochterfirmen. Dies soll Transparenz schaffen.

Für diese Transparenz hätte es jedoch keines Gesetzes bedurft. Diese Informationen sind zumeist leicht aus Unternehmensberichten und ähnlichen Dokumenten ersichtlich. Das ist „Effekthascherei“ für die Öffentlichkeit, der solche Informationen leicht verdaulich zugespielt werden sollen, um dann propagandistisch mit dem Finger auf gewisse Unternehmen – je nach Sichtweise – zeigen zu können. So äußerten sich auch Grüne und links orientierte Politiker der EU. Laut dem Bundeszentralamt für Steuern ist eine Veröffentlichung der Informationen nicht vorgesehen. Aber dies wird nach dem Willen dieser Politiker sicherlich noch passieren.

Unternehmen müssen, neben steuerlichen Daten, auch Informationen zu den wichtigsten Geschäftstätigkeiten wie Forschung und Entwicklung, Besitz oder Verwaltung von geistigem Eigentum, konzerninterne Finanzierung, regulierte Finanzdienstleistungen, Versicherungen sowie Besitz von Aktien oder anderen Wertpapieren mit Beteiligungscharakter offengelegen. Erfreulich ist bisher nur, dass besonders kritische Informationen, wie die Kalkulationen der Leistungsbeziehungen und Leistungserstellungen, nicht mehr beinhaltet sind. Schließlich ist das Steuergeheimnis nicht in allen Vertragsstaaten auf einem mit Deutschland vergleichbaren Niveau und Wirtschaftsspionage wäre hier Tür und Tor geöffnet.

Diese Informationen müssen Unternehmen in Deutschland dem Bundeszentralamt für Steuern beziehungsweise der jeweilig zuständigen Stelle des Ansässigkeitsstaats, neben dem bereits zu erstellenden Master File und den länderspezifischen Local Files, übermitteln. Sie werden dann dem jeweiligen Fiskus des Vertragsstaats zugeleitet, so dass beide Finanzbehörden umfassend informiert sind. Diese informieren dann die jeweils lokal für die Steuererhebung und -prüfung zuständigen Finanzämter.

Die Local Files und Country-by-Country-Reports müssen jeweils für das bilaterale Verhältnis zwischen den Unternehmenseinheiten von zwei Staaten erstellt werden, in dem die verbundenen Unternehmen des berichtspflichtigen Konzerns sitzen. Die Übermittlung des Reports muss jeweils binnen zwölf Monaten ab dem Bilanzstichtag in einem vorgegebenen digitalen Format entsprechend dem OECD-Schema erfolgen. Unter gewissen Voraussetzungen kann für die Offenlegung ein Aufschub von bis zu fünf Jahren gewährt werden. Die Berichtspflicht besteht immer für die Unternehmensspitze, also das Unternehmen, welches einen Konzernabschluss zu erstellen hat und ist grundsätzlich im Sitzstaat dieses Konzerns zu erfüllen. Allerdings kann die Konzernspitze die Berichtspflicht auch an ein verbundenes Unternehmen für dessen bilaterales Verhältnis delegieren. Umgekehrt kann das Bundeszentralamt für Steuern auch Unternehmensteilen im Inland einen Report abverlangen, wenn es bisher keinen Report vom eigentlich verpflichteten Konzern erlangt hat.

Woher die Zahlen des entgangenen Steueraufkommens stammen und ob diese realistisch sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Mit Mehrsteuereinnahmen hat das aber alles nichts zu tun, sondern mit Prangerwirkung. Diese soll Unternehmen treffen, die sich legal steueroptimaler aufstellen als andere, was ja für Unternehmensführer auch Teil ihrer Pflicht zur erfolgreichen Unternehmensführung ist. Natürlich kann man moralische Pflichten etablieren, freiwillig höhere als gesetzlich geforderte Steuern zu zahlen – eine Rechtspflicht dazu gibt es nicht. Unternehmenslenker dürfen zudem solche Zahlungen aus Compliancegründen nicht leisten. Auch der Datenschutz auf Unternehmensebene wird durch diese Regelungen ins Gegenteil gezerrt. Zudem wird durch die Masse an Daten, die zwischen den Staaten transferiert werden, die Datensicherheit ein massives Problem werden. Hacker werden hier ihre wahre Freude haben.

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Die Aufschlüsselung der Daten gilt demnach für alle EU-Staaten, Staaten auf der sog. Schwarzen Liste der Steueroasen und Staaten, die mindestens zwei Jahre hintereinander auf der sogenannten Grauen Liste stehen. Halten Sie vor diesem Hintergrund die nun getroffenen Regeln für einen „Meilenstein für mehr Steuergerechtigkeit“ oder eher für einen „zahnlosen Papiertiger“?

Björn Demuth: Von einem Meilenstein würde ich keineswegs sprechen. Dazu müsste man zunächst die Zielsetzung definieren. Steuergerechtigkeit ist etwas rein Subjektives und wird je nach Blickwinkel des Betrachters anders beurteilt werden. Sicher ist: Es wird Transparenz auf Basis bereits bekannter Daten auf Kosten der Unternehmen geschaffen. Die Daten sind den nationalen Finanzbehörden schon immer bekannt gewesen, nur hätten sie diese selber zusammenstellen und austauschen müssen.

Transparenz als solche ist sicherlich ein Baustein von Gerechtigkeit. Was sich daraus etwa aus dem Blickwinkel Deutschlands für Effekte ergeben und ob dies aus Sicht gerecht ist, wird sich zeigen. Ich bin hier sehr skeptisch. Man darf ja nicht vergessen, dass jeder Staat – abgesehen von Steueroasen, die durch Arbeitsplatzbeschaffung auf Steuern verzichten – sein Steueraufkommen optimieren, sprich erhöhen, möchte. Den Kuchen, nämlich die steuerpflichtigen Unternehmensgewinne, kann man aber nur einmal besteuern. Also muss der Betrag des gesamten Steueraufkommens zwischen den Staaten verteilt werden und das muss jede Seite gleichermaßen als gerecht empfinden. Echte Mehreinnahmeeffekte wird es nur geben, wenn der Zugriff auf Einkünfte in normal besteuernden Staaten ermöglicht oder erhöht wird und eine Nicht- oder Geringbesteuerung, etwa in Steueroasen oder bestimmten Staaten wie Irland, so aufgestockt wird. Das funktioniert aber nur sauber, wenn die Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den Staaten dies ermöglichen. Hier wird es sicherlich zukünftig noch Anpassungen zwischen verschiedenen Staaten geben müssen.

Die Neuregelung ist also bestenfalls ein erster Trippelschritt – aber kein Meilenstein. Zudem gibt es damit nur in der EU-Region ein abgestimmtes Vorgehen. Was die Weltwirtschaft anbelangt, ist das nur ein Bruchteil. Um zu einem weltweiten Konsens zu gelangen, bedarf es noch vieler Gespräche und Konsensfähigkeit. Die Sicherstellung des Steuergeheimnisses wird dabei ein entscheidender Faktor bleiben. Wichtig wäre beim Ausrollen über weitere Staaten auch, dass kein Flickenteppich unterschiedlichster Regelungs- und Informationsmechanismen aufgebaut wird. Das würde für Unternehmen eine unnötige und unzumutbare bürokratische Mehrbelastung bedeuten. Dass es gelingen kann, zeigen die internationalen multilateralen Abkommen zum Informationsaustausch und Amtshilfe. Zudem ist die Erstellung von CbCRs bereits mit verschiedenen weiteren Ländern vereinbart – aktuell insgesamt 68 Staaten.

Wie könnten/sollten diese Regeln ergänzt werden, um dem Ziel von (mehr) Steuergerechtigkeit näher zu kommen? Wäre hierfür eine globale Mindeststeuer sinnvoll?

Björn Demuth: Die Idee der globalen Mindeststeuer ist ein denkbarer Ansatz für eine faire Besteuerung – würde sie doch die Probleme des Außensteuerrechts mit Niedrigsteuerstaaten ebenso wie die Folgen des neuen Steueroasen-Abwehrgesetzes beseitigen. Allerdings ist das Problem meistens nicht der Steuersatz, sondern die Bemessungsgrundlage, auf die dieser Steuersatz anzuwenden ist. Überlegt werden sollte, ob ein weltweit einheitlicher Steuersatz auf eine gleiche Bemessungsgrundlage tatsächlich richtig ist. Was machen Staaten, die niemals in den Genuss von großen Produktionen gelangen werden? Wie sichern diese ihr Staatsaufkommen? Ist das gerecht? Die Mindeststeuer ist noch lange nicht durch, denn nicht G7, sondern G20 müsste dies vereinbaren mit der OECD. Zudem bleibt das Thema Bemessungsgrundlage offen. Selbst bei einer Vereinheitlichung wären viele Konzerne außen vor, weil eine Mindestrendite von zehn Prozent Voraussetzung wäre. Handelskonzerne schaffen das beispielsweise nicht und bleiben dann unberührt, auch wenn sie keine Steuer in Europa zahlen. Daran sieht man, dass das Geschäftsmodell eine entscheidende Rolle spielt. Viele politisch motivierte Konzepte sind schlichtweg untauglich für die Praxis und ändern nichts an dem, was die Politik eigentlich ändern möchte.

Weitere Konzepte der EU sind etwa die brandneu geschaffene Europäische Staatsanwaltschaft und eine europäische Steuerbeobachtungsstelle zur Bekämpfung von Steuermissbrauch. Allein die Begrifflichkeiten zeigen, was Motto ist: Geregelt wird nicht für die Allgemeinheit, sondern für den Einzelfall – nämlich einzelne kriminelle Steuerhinterzieher. Es ist nur eine ganz kleine Minderheit der Unternehmen, die wirklich kriminell Steuern vermeiden. Der erhebliche Zuwachs an Bürokratie und die Freiheitsrechteinschränkungen treffen aber alle Unternehmen.

Auch stehen die Steuermehreinnahmen nicht unbedingt im Einklang mit den Mehrkosten. Zudem werden viele Kosten vom Fiskus auf die Unternehmen abgewälzt, die damit nicht nur die konsequent angestrebte Steuererhöhung zu tragen haben – und das ohne Steuersatzerhöhung. Die Konsequenz: Nur große Unternehmen können dem noch einigermaßen adäquat begegnen. Und schließlich ist das unabgestimmte Nebeneinander eines Flickenteppichs von unterschiedlichsten Gesetzesinitiativen – EU-weit und national – ein riesiges Befolgungs- und Compliance-Problem für Unternehmen.

Zur Person
Dr. Björn Demuth ist Partner und Co-Head im Geschäftsbereich Steuerrecht bei CMS Deutschland und am Standort Stuttgart tätig. Seine Beratungspraxis erstreckt sich auf Unternehmenscompliance und wesentliche Gebiete des Steuerrechts. Als Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht verfügt er über vertiefte Expertise im Unternehmens-, Umsatzsteuer- sowie Steuerstrafrecht. Regelmäßig berät er seine Mandanten in Fragen des internationalen Steuerrechts und Unternehmensnachfolge. Zunehmend intensiver wird Dr. Björn Demuth zu kritischen Betriebsprüfungen und in Fällen des Steuerstrafrechtes hinzugezogen. Diese Themen betreffen zunehmend öfter Unternehmer und Geschäftsführer im Rahmen der Steuercompliance und Haftungsinanspruchnahme, weil die Finanzbehörden in Betriebsprüfungen zunehmend Steuerhinterziehungs- und/oder Korruptionsverdacht zu erkennen glauben. Dies ist vielfach in internationalen Konzernen im Zusammenhang mit Umsatzsteuer, Transferpreisen und Einkommensteuern der Fall.


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(ESV/fl)

Programmbereich: Steuerrecht