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Fehler bei der Installation und ihre Folgen (Foto: Chuttersnap/Unsplash)
Unfallversicherung und Recht

Die fehlerhafte Installation der Wanduhr in der Turnhalle

Thomas Wilrich
13.10.2021
In dieser Kolumne erläutert Thomas Wilrich das Strafurteil gegen einen Elektromeister wegen fahrlässiger Körperverletzung.
Die Südwest-Presse berichtete am 4. März 2016 über einen Strafbefehl für einen Elektromeister [1]. Er hatte am 30. Juni 2014 eine Peweta-Wanduhr fehlerhaft in einer Grundschulturnhalle in Ulm installiert. Am 9. Juni 2015 fiel die Uhr auf den Kopf einer 8-jährigen Schülerin, die ein Schädelhirntrauma erlitt.

Strafurteil

Mit Strafurteil vom 21. Oktober 2016 verurteilte das Amtsgericht Ulm den Meister wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen, wobei ein Tagessatz einkommensabhängig auf EUR 45,- festgesetzt wurde = EUR 2.700,-

Das Urteil warf dem selbständigen Elektromeister zwei Fehler vor:
·      Erstens „hängte er die Uhr nicht an den beidseitig angebrachten Langlochplatten, sondern lediglich an einer Schraube an der Plastiköse des Uhrwerks auf“.
·      Zweitens „verschraubte er den Sicherungsaluwinkel nicht mit der erforderlichen Tiefe in der Wand“.

Dies hatte – so das Urteil – „für den Angeklagten vorhersehbar und vermeidbar zur Folge, dass die Plastiköse, welche das Gewicht der Uhr auf Dauer nicht zu tragen vermochte, riss“.

Schadensersatzpflichten

Wie der Fall zivilrechtlich abgewickelt wurde, ist nicht im Detail bekannt. Das Strafurteil berichtet:
·      Es gab eine „zivilrechtliche Einigung“ – das betrifft Schmerzensgeldzahlungen an die Schülerin.
·      Es gab zusätzlich einen Täter-Opfer-Ausgleich gemäß § 49 StGB – der Meister zahlte EUR 4.500,-.
·      Der Meister habe „gegenüber der Landesunfallkasse in Ansehung an ihn gerichtete Ersatzansprüche in fünfstelliger Höhe eingeräumt“ – das sind Regressansprüche des Unfallversicherungsträgers.

Das Gericht bewertete strafmildernd, dass der Angeklagte „alles ihm Mögliche unternahm, den Schaden wiedergutzumachen“ – und auch,
·      dass „sich der Angeklagte bereits kurz nach dem Vorfall um Informationen zum Gesundheitszustand des geschädigten Mädchens bemühte“,
·      dass „er sich von Anbeginn seiner Verantwortung stellte“ und
·      dass er „sich mehrfach – auch in der Gerichtsverhandlung – entschuldigte“.

Was lehrt uns das Urteil?

1. Schon vor 45 Jahren stellte das OLG Zweibrücken klar, dass „jeder Handwerker seine Aufgaben so erfüllen muss, dass weder aus der Ausführungstätigkeit noch aus dem hergestellten Werk Gefahren für Dritte entstehen“ [2]. Die unzureichende Befestigung einer Uhr ist eine Pflichtverletzung. Das Amtsgericht Ulm bewertet straferhöhend, „dass der Angeklagte im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit gehandelt hat“.

2. Eine Haftung folgt aus einer Pflichtverletzung nur bei Fahrlässigkeit. Fahrlässig handelt, wer den Unfall bzw. Schaden vorhersehen und vermeiden kann. Diese Erkennbarkeit und Vermeidbarkeit stellen Gerichte in einfachen Fällen – wie hier – auch einfach nur fest.

3. Eine Verurteilung setzt weiter die Kausalität voraus – dass also die Fahrlässigkeit die Körperverletzung verursacht hat. Das Gericht stellte fest, dass die Pflichtverletzungen die „Folge“ hatten, dass die Plastiköse riss. Man kann es auch so sagen wie – laut Zeitungsartikel – der Sprecher der Staatsanwaltschaft: „Hätte man die Uhr richtig befestigt, wäre sie nicht heruntergefallen.“

4. Im Zeitungsartikel heißt es noch: „Laut Hersteller hätte eine Lochvorrichtung an der Rückseite der Uhr genutzt werden muss, um sie anzubringen.“ Dass bei Installationsarbeiten Herstellervorgaben zu berücksichtigen sind, ist selbstverständlich. Das schreibt etwa § 10 Abs. 1 Satz 2 BetrSichV für den Bereich der Instandhaltung von Arbeitsmitteln ausdrücklich vor [3].

5. Strafrechtliche Verurteilungen sind häufig nur ein Symbol [4]. Nachdem ein 8-jähriger Junge unter einem herunterkrachenden Heizkörper in einer Turnhalle verstarb, verhängte das Amtsgericht Bad Mergentheim 9 Monate auf Bewährung gegen einen Heizungsbauer [5].

6. Zivilrechtliche Schmerzensgeldverpflichtungen und Regressforderungen der Versicherungen können – je nach Unfall – sehr hoch sein. Man kann sie abfedern durch eine Betriebshaftpflichtversicherung [6].


[1] https://www.swp.de/suedwesten/staedte/ulm/unfall-in-schule_-strafbefehl-fuer-elektromeister-22594235.html.
[2] OLG Zweibrücken, Urteil v. 16.09.1976 (Az. 6 U 31/76).
[3] Ausführlich Wilrich, Praxisleitfaden Betriebssicherheitsverordnung, 2. Aufl. 2020.
[4] Siehe Wilrich, Arbeitsschutz-Strafrecht – Haftung für fahrlässige Arbeitsunfälle: Sicherheitsverantwortung, Sorgfaltspflichten und Schuld (2020).
[5] Siehe die Besprechung von Wilrich, Strafurteil nach tödlichen Unfall wegen DIN-Norm-widriger Heizungsmontage, in: sicher ist sicher (sis) Heft 11/2021.
[6] Zu ihrer Wichtigkeit bei Sicherheitsfachkräften siehe Wilrich, Verantwortung und Haftung der Sicherheitsingenieure: Unterstützungs-, Beratungs-, Berichts-, Prüfungs-, Warn- und Sorgfaltspflichten der Fachkräfte für Arbeitssicherheit als Stabsstelle und Unternehmerpflichten in der Linie – mit 15 Gerichtsurteilen und Strafverfahren zu Fahrlässigkeit und Schuld nach Arbeitsunfällen (2021).




Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich ist tätig rund um die Themen Produktsicherheit, Produkthaftung und Arbeitsschutz einschließlich Betriebsorganisation, Führungskräftehaftung, Vertragsgestaltung und Strafverteidigung. Er ist an der Hochschule München zuständig für Wirtschafts-, Arbeits-, Technik- und Unternehmensorganisationsrecht und Autor von Fachbüchern: Sicherheitsverantwortung (Erich Schmidt Verlag), Arbeitsschutz-Strafrecht (Erich Schmidt Verlag), Produktsicherheitsgesetz (ProdSG), Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), Rechtliche Bedeutung technischer Normen.

 


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