Sie haben folgende Möglichkeiten:
  1. zum Login.
  2. zur Navigation.
  3. zum Inhalt der Seite.

Für die Vermittlung bildungssprachlicher Kompetenz ist die Bestimmung der fachübergreifenden Lexik von großer Bedeutung (Foto: angelo.gi – stock.adobe.com).
Auszug aus: Deutsch als Fremdsprache

Die Vermittlung bildungssprachlicher Kompetenzen

ESV-Redaktion Philologie
27.01.2021
In welchem Verhältnis steht der Wortschatz der Bildungs- und Wissenschaftssprache zu demjenigen, der auf den verschiedenen Niveaustufen des GER vermittelt wird? Wie kann bei der Vermittlung bildungssprachlicher Kompetenzen an allgemeinsprachliche Wortschatzkenntnisse angeknüpft werden?
In ihrem Aufsatz mit dem Titel „Die fachübergreifende Lexik in den Niveaustufen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER). Ansatzpunkte für die Vermittlung bildungssprachlicher Kompetenzen“, der in der der Ausgabe 04/2020 der Zeitschrift Deutsch als Fremdsprache – Zeitschrift zur Theorie und Praxis des Faches Deutsch als Fremdsprache erschienen ist, stellen Cordula Meißner und Franziska Wallner eine Studie vor, die u. a. diesen Fragen nachgeht. Dieser Aufsatz schließt an ihre 2019 im ESV erschienene Publikation Das gemeinsame sprachliche Inventar der Geisteswissenschaften. Lexikalische Grundlagen für die wissenschaftspropädeutische Sprachvermittlung (StDaF/DaZ 6) an.

Die Zeitschrift Deutsch als Fremdsprache erscheint viermal im Jahr und wird herausgegeben vom Herder-Institut, Universität Leipzig und von interDaF e.V. am Herder-Institut. Die Zeitschrift gibt es bereits seit 1964, damit ist sie die älteste und traditionsreichste deutschsprachige Zeitschrift zum Fach Deutsch als Fremdsprache und hat sich außerdem zum wichtigsten Publikationsorgan dieses Faches entwickelt.
Im Folgenden finden Sie einen Auszug aus dem Beitrag von Frau Meißner und Frau Wallner:

Fachübergreifende Lexik

Zur fachübergreifenden Lexik werden sprachliche Mittel gezählt, die disziplinenübergreifend gebraucht werden. Mit ihnen werden die Zusammenhänge zwischen fachterminologisch ausgedrückten Sachverhalten hergestellt. Sie umfassen etwa Formen des Voraussetzens, des Begründens, des Folgerns, des Vergleichens, des Übertragens usw. und zeichnen sich durch eine besondere Nähe zur Gemeinsprache aus. So existieren viele dieser sprachlichen Mittel auch in der Gemeinsprache, besitzen aber in fachlichen Kontexten noch darüber hinausgehende spezifische Bedeutungen bzw. Funktionen.

Die fachübergreifende Lexik geriet zunächst im Kontext der Wissenschaftspropädeutik in den Blick, wo sie unter den Begriffen ‚allgemeine‘ (Schepping 1976) bzw. ‚alltägliche‘ Wissenschaftssprache (Ehlich 1993) gefasst wurde. Man erkannte in diesem Wortschatz einen wichtigen Bereich für die wissenschaftspropädeutische Sprachvermittlung, da die hier zugeordneten Ausdrucksmittel im Gegensatz zur Terminologie nicht Gegenstand der Fachausbildung sind und ihre Beherrschung im Studium bereits vorausgesetzt wird. Die fachübergreifende Lexik stellt für Lernende jedoch eine besondere Herausforderung dar, da diese Ausdrucksmittel oft über zahlreiche Bedeutungsvarianten verfügen bzw. eine inhaltliche Unschärfe aufweisen, die eine Flexibilität für den Gebrauch in verschiedenen fachlichen und textuellen Kontexten ermöglicht (vgl. Ehlich 2007: 104 f.). Eine weitere häufig mit Schwierigkeiten einhergehende Eigenschaft dieser Lexik besteht in ihrer spezifischen Kombinatorik (vgl. Graefen 2004). So sind die Ausdrucksmittel der fachübergreifenden Lexik in konventionalisierte Ausdrucksroutinen eingebunden, mit denen unterschiedliche wissenschaftssprachliche Handlungen realisiert werden (vgl. Feilke 2014). Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass die Beherrschung dieser Ausdrucksmittel ein wesentliches Kennzeichen wissenschaftlicher Textkompetenz ist (vgl. etwa Steinhoff 2007).

Nachgefragt bei: Prof. Dr. Ulf Abraham und Dr. Tristan Lay 30.11.2020
„Es ist wichtig, auch im Kontext des Lehrens und Lernens fremder Sprachen populäre Textsorten zu behandeln“
Geschichten lassen sich auf viele Weisen erzählen. Wer sprachlich noch nicht so geübt ist, freut sich über eine Unterstützung des Textes in Form von Bildern – wie sie zum Beispiel die Graphic Novel bietet. mehr …

Auch in Bezug auf die sprachlichen Anforderungen in schulischen Bildungskontexten wurde die Bedeutung der fachübergreifenden Lexik erkannt (u. a. Townsend et al. 2012; Ahrenholz 2013; Haag et al. 2013; Köhne et al. 2015). Hier wird dieser Lexikbereich als allgemeiner bildungssprachlicher Wortschatz bezeichnet. Dazu zählt v. a. Lexik, die für die sprachliche Vermittlung von Wissen in Bildungsinstitutionen charakteristisch ist – etwa Ausdrücke zur Beschreibung und Erklärung von zu vermittelnden Fachinhalten sowie in Aufgabenstellungen vorkommende Instruktionsausdrücke (vgl. Heppt 2016: 33, Köhne et al. 2015: 70). Im Unterschied zum fachspezifischen bildungssprachlichen Wortschatz wird die fachübergreifende Lexik bislang kaum als relevanter Vermittlungsgegenstand wahrgenommen (vgl. Wallner 2019). Empirischen Studien zufolge besteht jedoch ein Zusammenhang zwischen der Kenntnis von fachübergreifender Lexik und dem schulischen Bildungserfolg. Dies zeigen etwa Townsend et al. (2012) für Schülerinnen und Schüler (SuS) der 7. und 8. Jahrgangsstufe an amerikanischen Mittelschulen oder auch Haag et al. (2013) sowie Schuth et al. (2017) für SuS der Primarstufe im deutschsprachigen Kontext. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen belegen, dass die Beherrschung der fachübergreifenden Lexik eine sprachliche Kompetenz darstellt, die für den schulischen Bildungserfolg von zentraler Bedeutung ist. Dies betrifft sowohl rezeptiv den Erwerb von Wissen als auch produktiv den Nachweis von Wissen (vgl. Berendes et al. 2013: 25).

Es zeigt sich damit sowohl im Hinblick auf den akademischen als auch auf den schulischen Kontext ein analoges Problem: In beiden Bereichen konzentriert sich die Vermittlung v. a. auf Fachbegriffe. Demgegenüber bleiben die sprachlichen Mittel, welche die Zusammenhänge zwischen fachterminologisch ausgedrückten Sachverhalten herstellen, weitgehend unberücksichtigt. Da diese Lexik aber auch im Rahmen der allgemeinen (Fremd-)Sprachenausbildung nicht vermittelt wird, fehlt Lernenden eine wesentliche sprachliche Grundlage für die Teilhabe an schulischen bzw. akademischen Bildungsangeboten. Darauf weisen etwa Beese et al. (2014: 86) oder Frank / Gürsoy (2014) für den schulischen sowie Ehlich (1995; 1999) für den universitären Kontext hin.
Vor diesem Hintergrund ist für die Vermittlung bildungssprachlicher Kompetenz eine empirisch basierte Bestimmung der fachübergreifenden Lexik von großer Wichtigkeit. Mit dem Projekt GeSIG wurde eine solche Bestimmung vorgenommen.

Möchten Sie weiterlesen? Hier geht's zur digitalen Ausgabe von Deutsch als Fremdsprache: https://dafdigital.de/


Das gemeinsame sprachliche Inventar der Geisteswissenschaften
von Dr. Cordula Meißner und Dr. Franziska Wallner


Es gibt derzeit keine lexikografischen Informationsressourcen für die fachübergreifende Wissenschaftssprache geisteswissenschaftlicher Disziplinen. Dies stellt einerseits eine Forschungslücke dar, denn damit ist der wichtige Bereich der übergreifend in dieser Fächergruppe gebrauchten sprachlichen Erkenntniswerkzeuge durch die linguistische Sprachbeschreibung noch nicht erschlossen. Daneben stellt es jedoch ein dringendes Praxisdesiderat dar, denn es fehlt damit in Bezug auf die geisteswissenschaftlichen Disziplinen eine wesentliche Grundlage für die wissenschaftspropädeutische Sprachvermittlung.

Mit diesem Band wird erstmals der fachübergreifende Wortschatz, das ‚gemeinsame sprachliche Inventar der Geisteswissenschaften‘, empirisch bestimmt und in seiner lexikologischen Struktur systematisch beschrieben. Es wird anschaulich gezeigt, wie das Inventar für eine systematische Vermittlung der allgemeinen Wissenschaftssprache der Geisteswissenschaften genutzt werden kann. Damit bietet der Band eine wichtige Basis für die sprachsensible Wissenschaftspropädeutik.

(ESV/KE)

Programmbereich: Deutsch als Fremdsprache