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Digitale Medien gehören zu unserem Alltag – auch im Unterricht (Foto: Prostock-studio – Adobe Stock)
Nachgefragt bei: Angelika Braun und Petra Klimaszyk

„Digitale Medien bringen den Unterricht näher an die Lebenswirklichkeit der Lernenden“

ESV-Redaktion Philologie
29.04.2022
Alle Lehrkräfte wünschen sich motivierte Lernende, die aktiv am Unterrichtsgeschehen teilnehmen. Wie kann dies gelingen? Gerade in der heutigen Zeit, wo unser ganzes Leben und auch Unterricht digital geprägt sind? Lesen Sie hierzu ein Interview mit Angelika Braun und Petra Klimaszyk.
Liebe Angelika, liebe Petra, wie beeinflussen digitale Medien den Unterricht heute?

Angelika Braun / Petra Klimaszyk: Sie bereichern ihn eindeutig.
Mit den digitalen Geräten haben Werkzeuge in den Unterricht Einzug gehalten, die unsere Lernenden auch außerhalb des Unterrichts selbstverständlich nutzen. Das bringt den Unterricht näher an ihre Lebenswirklichkeit. Insbesondere Kinder und Jugendliche schätzen z. B. die Möglichkeit, mithilfe von Apps spielerisch zu lernen oder ihre sprachlichen Produkte zu verfremden bzw. multimodal zu gestalten.

Aber auch die Unterrichtsinhalte wurden dadurch lebensnaher. Denken wir nur an die Leichtigkeit, mit der heute Videos, 360°-Ansichten oder sogar virtuelle Welten in Lehrwerke und Unterrichtsszenarien integriert werden können, die die Verwendung der Zielsprache in authentischen Kontexten zeigen und ermöglichen. Neuere technische Entwicklungen wie Augmented Reality (AR) oder Virtual Reality (VR) bieten ganz neue Lernerfahrungen und damit ein zusätzliches Lernpotential.

Animierte Clips zu Grammatik und Phonetik oder auch Wortwolken visualisieren sprachliche Inhalte und erleichtern so das Lernen. Im Internet findet sich eine Vielzahl von Erklärvideos, die bei sorgfältiger Auswahl durch die Lehrkraft das selbstständige Lernen, etwa in Blended Learning- oder Flipped Classroom-Szenarien, fördern.

Wer selbst gerne (digital) kreativ wird, kann solche Erklärvideos oder 360°-Ansichten mit einfachen Mitteln für seine Lernenden erstellen oder die Schülerinnen und Schüler selbst aktiv werden lassen. Da kommt dann das Konzept „Lernen durch Lehren“ (LdL) ins Spiel, bei dem die Lernenden sich aktiv grammatische Strukturen, Wortbildungsmuster oder kulturelle und fachübergreifende Inhalte aneignen, um sie ihren Mitlernenden erklären zu können. Besonders gelungene Beispiele kann man dann sogar anderen im Netz zur Verfügung stellen.

In unserem Heft fokussieren wir das interaktive Potenzial digitaler Medien. Sie ermöglichen eine stärkere Vernetzung innerhalb der Lerngruppe und mit Menschen außerhalb des Klassenraums.

Während der Pandemie wurde der Unterricht digitaler – hat das funktioniert?

Angelika Braun / Petra Klimaszyk:
Die Frage ist sehr weit gefasst und lässt sich so nicht eindeutig beantworten.

Offensichtlich ist, dass in vielen Kontexten Unterricht überhaupt nur digital möglich war. Dabei hat dieser zahlreiche Lernende nicht erreicht. Dafür hat vielfach schlicht die technische Ausstattung nicht ausgereicht. Außerdem sahen sich Lehrende und Lernende durch das digitale Szenario vor große methodische Herausforderungen gestellt. Wenn sie vor der Pandemie noch keine Erfahrungen damit gesammelt hatten, waren sie diesen, vor allem zu Beginn der Pandemie, oft nicht gewachsen. Durch den Sprung ins kalte Wasser, aber auch durch vielfältige digitale Fortbildungsangebote oder durch Wissen und Fähigkeiten, die erfahrene Kolleginnen und Kollegen mit anderen teilten, haben sich Beispiele und Prinzipien guter Praxis schnell verbreitet. So konnten die anfänglichen Schwierigkeiten zunehmend gemeistert werden.

Gezeigt hat sich dabei jedenfalls wieder, dass digitale Medien alleine keinen Lernerfolg bewirken. Entscheidend ist, dass ihr Einsatz didaktisch-methodisch sinnvoll gestaltet ist.

Vermutlich werden positive Erfahrungen auch in Zukunft zu einer stärkeren Präsenz der digitalen Medien im Sprachunterricht führen. Zu denken ist dabei sowohl an reine Online-Angebote, die für bestimmte Zielgruppen aufgrund der Unabhängigkeit von Lernort und -zeit reizvoll sind, aber auch an vielfältige Kombinationen mit konventionellem Präsenzunterricht oder an den regelmäßigen Einsatz digitaler Komponenten. Dazu wird natürlich auch beitragen, dass moderne Lehrwerke diese strukturell in ihr Angebot eingebunden haben und die digitale Ausstattung von Unterrichtsräumen im Zuge der Pandemie oftmals verbessert wurde.

Fremdsprache Deutsch 66: Interaktion – digital und vernetzt 21.04.2022
Aktivierung und Interaktion durch digitale Medien
Bereits seit längerer Zeit sind digitale Medien nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken. Aber auch im Unterricht werden Laptops und Tablets, Apps und Erklärvideos zu einem immer festeren Bestandteil. Doch wie können die Chancen der digitalen Medien sowie die Medienkompetenz der Lernenden didaktisch sinnvoll ausgeschöpft werden? mehr …

Welche Tipps habt ihr für Lehrkräfte, die auch heute noch keine oder nur wenig Erfahrung mit digitalen Medien im Unterricht haben?

Angelika Braun / Petra Klimaszyk:
Klein anfangen. Es gibt viele niedrigschwellige Angebote, die intuitiv zu bedienen sind – sowohl auf Seiten der Lehrenden als auch der Lernenden. Exemplarisch seien hier gängige Apps zur Erstellung digitaler Pinnwände, Quizzes, MindMaps, Umfragen oder multimodaler Bücher genannt. Eine Übersicht der in den Heftbeiträgen erwähnten Tools und deren Einsatzmöglichkeiten haben wir online gestellt. Sie ist sowohl für Einsteiger gedacht als auch für diejenigen, die bereits mit einigen Tools vertraut sind, gerne aber mal etwas Neues ausprobieren möchten, z. B. im Zusammenhang mit der Erstellung von Podcasts oder interaktiven Videos.

Außerdem verfügen moderne Lehrwerke, wie bereits erwähnt, durchgängig über digitale Komponenten. Die Verlage unterstützen Lehrkräfte in Handreichungen, in Webinaren und auf ihren Internetseiten dabei, diese in den Unterricht zu integrieren. Es ist außerordentlich hilfreich, sich mit diesen Angeboten auseinanderzusetzen, zumal sie häufig auch lehrwerkübergreifend genutzt werden können. Zu nennen sind hier auch Fachkonferenzen und längere Fort- und Weiterbildungsangebote, an denen man heutzutage meist sowohl in Präsenz als auch online teilnehmen kann. Eine Übersicht ausgewählter Angebote stellen wir den Leserinnen und Lesern auf der Webseite der Zeitschrift digital zur Verfügung. Ein weiterer Tipp wäre, den kollegialen Austausch zu suchen und Erfahrungen miteinander zu teilen.

Last but not least sei auf die Schülerinnen und Schüler verwiesen, deren Kompetenzen Lehrende nutzen können und sollten. Als sogenannte digital natives sind sie im Umgang mit der digitalen Technik oft versierter als die Lehrkräfte und machen ihr Wissen sehr gerne für den Unterricht fruchtbar. Man kann ihnen auch die Möglichkeit geben, selbst Anwendungen vorzuschlagen, die sich zur Lösung einer Aufgabe gut eignen. Wenn sie sich als Expertinnen und Experten wahrnehmen, erfahren sie Selbstwirksamkeit, also das Gefühl, eine Aufgabe (selbstständig) meistern zu können. Das stärkt ihr Selbstbewusstsein und wirkt sich nach der Motivationstheorie positiv auf den Lernprozess aus. Warum also diese Möglichkeit ungenutzt lassen?

Natürlich sollte man als Lehrkraft wissen, welche Medien man den Lernenden zur Lösung einer Aufgabe empfehlen kann und deren Grundfunktionen kennen. Dafür muss man aber weder ein Technikfreak sein noch das gesamte Spektrum möglicher Anwendungen kennen. Eine erste Orientierung gibt unsere bereits erwähnte Tool-Übersicht im Internet.

Viele Lehrkräfte sehen Handys im Unterricht als Störung. Ihr unterrichtet ja selbst. Wie geht ihr damit um?

Angelika Braun / Petra Klimaszyk: Wenn die Medienausstattung der Institution perfekt ist, wenn wir Laptop- oder Tabletklassen haben, ungehinderten Zugang zu Computerräumen o. ä., dann können wir auf Handys problemlos verzichten. Andernfalls stellen sie meist die einzige Möglichkeit dar, digitale Medien im Unterricht zu nutzen.

In der Tat sind Handys aber auch aus unserer Erfahrung durchaus problematisch. Die Lernenden chatten z. B. nebenbei mit Freunden, schlagen ungezügelt unbekannte Wörter nach oder lassen sich ganze Passagen übersetzen. Das lenkt sie natürlich ab bzw. konterkariert das Training von Lese- und Produktionsstrategien. Gleichzeitig sind sie einfach ein nützliches Instrument, dessen positive Rolle für das Sprachenlernen wir anerkennen und nutzen sollten. Zu Fuß zu gehen ist nicht die Lösung angesichts von Verkehrstoten und Umweltverschmutzung. Gute digitale Wörterbücher z. B. klären Wortschatzfragen viel schneller als Print-Wörterbücher und besser als viele Ad-hoc-Semantisierungen von Lehrkräften oder Mitlernenden. Sie bieten Gebrauchskontexte und auditive Unterstützung. Auch hier sollten wir uns deshalb um das Wie kümmern und nicht auf das Ob kaprizieren.

Gute Erfahrungen haben wir beispielsweise damit gemacht, mit den Lernenden Phasen zu vereinbaren, in denen das Handy genutzt werden kann, und andere, in denen es tabu ist und umgedreht auf dem Tisch liegt oder in der Tasche verschwindet. Ähnliche Vereinbarungen schließen wir ja auch zu anderen Punkten, z. B. zum Gebrauch der Herkunftssprache. Wenn wir den Lernenden unsere Beweggründe vermitteln können, respektieren sie solche Regelungen normalerweise.

Handys und Computer werden von Jugendlichen wie von Erwachsenen häufig zum Spielen genutzt. Kann das auch für das Sprachenlernen genutzt werden?

Angelika Braun / Petra Klimaszyk:
Selbstverständlich. Spielerisches Lernen hat ja aus guten Gründen nicht erst mit den digitalen Medien Einzug in den Fremdsprachenunterricht gehalten und steht bei Jugendlichen, aber auch bei Erwachsenen hoch im Kurs. Digitale Medien bieten nun neue Formate.

Quizzes, die mit Kahoot etwa oder Quizlet schnell entworfen sind und auch von den Lernenden für ihre Partner und Partnerinnen erstellt werden können, sind einfache Beispiele dafür. Aber auch beliebte Online-Spiele wie Minecraft lassen sich im DaF-Unterricht einsetzen, wie Laura Pihkala-Posti in ihrem Beitrag zeigt. Darüber hinaus haben Institutionen wie das Goethe-Institut digitale Spiele entwickelt, die im Unterricht oder unterrichtsbegleitend genutzt werden können.

Es ist faszinierend zu beobachten, wie aktiv die Lernenden in einem solchen Unterrichtssetting bei der Sache sind.

Aktive Lernende sind euch besonders wichtig. Was also ist euer persönlicher Tipp für aktivierenden, interaktiven Unterricht?

Angelika Braun / Petra Klimaszyk:
Genau. Aktivierung und Interaktion fördern das Lernen. Das ist nicht nur durch digitale Medien möglich, diese bieten dafür aber neue und sehr effiziente Werkzeuge. Unsere Verantwortung ist es, herauszufinden, mit welchen Werkzeugen unsere Lerngruppen gerne und gut arbeiten und zu prüfen, für welche Aufgaben diese geeignet sind.

Unser Tipp wäre deshalb, sich von dem einen oder anderen Beitrag unseres Heftes in diesem Sinne inspirieren zu lassen.
Die Herausgeberinnen
Angelika Braun ist freiberufliche Kursleiterin und Fortbildnerin. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind aufgabenund projektorientierter Unterricht, berufsorientiertes Sprachenlernen, kulturelles Lernen sowie die Förderung von Lernprozessen durch digitale Komponenten.
Petra Klimaszyk ist Lektorin für DaF am University College Absalon in Roskilde, Dänemark. Sie bildet Deutschlehrende für die Sekundarstufe I aus und fort. Aktuelle Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte: Mehrsprachigkeit, CLIL, ästhetische Lernprozesse, aufgaben- und projektorientierter Unterricht sowie digitale Medien.

Fremdsprache Deutsch Heft 66 (2022): Interaktion – digital und vernetzt

Heftherausgeberinnen: Angelika Braun und Petra Klimaszyk
Wir kennen ihn alle – den Ruf nach dem Einsatz digitaler Medien im Unterricht.
Diese sind – genauso wie andere Medien auch – längst ein integraler Bestandteil unseres Alltags und ihre Nutzung ist für Jugendliche heutzutage ganz selbstverständlich. Soll Fremdsprachenunterricht nah an der Lebenswelt der Lernenden und somit auch motivierend sein, gehören digitale Medien einfach dazu. Im vorliegende Heft fragen wir deshalb nicht nach ihrem didaktischen Mehrwert. Uns interessiert vielmehr, wie mithilfe digitaler Medien die Aktivierung der Lernenden sowie ihre Interaktion gestaltet werden können. Hierzu kommen Lehrende aus unterschiedlichen Lernkontexten zu Wort, die dies in der Praxis erprobt und kritisch hinterfragt haben. Die Beiträge entsprechen reflektierter Praxis und möchten den Blick für unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten digitaler Medien erweitern, zur Reflexion und zum kollegialem Austausch anregen sowie dazu ermutigen, Anregungen aufzugreifen und selbst auszuprobieren.

Programmbereich: Deutsch als Fremdsprache