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Mit dem Dritten Anti-Corona-Paket will der Gesetzgeber konkrete Regelbeispiele zum Schutz der Bevölkerung in das IfSG einbauen, wie etwa die Maskenpflicht, zum Beispiel in Supermärkten (Foto: Kadmy / stock.adobe.com)
Infektionsschutzrechtliche Generalklausel und Regelbeispiele

Drittes Anti-Corona-Paket im Deutschen Bundestag beraten

ESV-Redaktion Recht
10.11.2020
Die Regierungsfraktionen von Union und SPD haben zur Bewältigung der Coronakrise einen Gesetzentwurf zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite das Dritte Bevölkerungsschutzpaket vorgestellt. Über den Entwurf hat der Deutsche Bundestag bereits in erster Lesung beraten. Zudem fand eine Anhörung von Experten statt. Der Hauptkritikpunkt dabei ist die Konkretisierung der infektionsschutzrechtlichen Generalklausel durch Regelbeispiele.
Das Paket beinhaltet eine Vorlage zur gesetzlichen Präzisierung von Eingriffen in grundrechtliche Freiheiten. Die Fraktionen halten eine gesetzliche Präzisierung im Hinblick auf die Dauer, die Reichweite und die Intensität möglicher Maßnahmen für notwendig, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Parlamentsvorbehalts zu entsprechen.


Neuer § 28 a im IfSG soll die Reichweite für das Handeln der Exekutive vorgeben

Vor allem vor diesem Hintergrund benennt der Entwurf nicht abschließende Regelbeispiele für etwaige Schutzmaßnahmen. Damit würde der Gesetzgeber der Exekutiven die Reichweite und Grenzen ihres Handelns vorgeben. Die nicht abschließenden Regelbeispiele finden sich in Art. 1 des Entwurfs, der weitgehende Änderungen des IfSG vorsieht. Demnach soll dieses Gesetz – neben zahleichen anderen Änderungen – um einen § 28 a erweitert werden. Dieser enthält die unten aufgeführten besonderen Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung von Corona. 

Regelbeispiele für besondere Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung von SARS-CoV-2 
  1. Ausgangs- oder Kontaktbeschränkungen im privaten sowie im öffentlichen Raum, 
  2. Anordnung eines Abstandsgebots im öffentlichen Raum,
  3. Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Maskenpflicht),
  4. Untersagung oder Beschränkung des Betriebs von Einrichtungen, die der Kultur- oder Freizeitgestaltung zuzurechnen sind,
  5. Untersagung oder Beschränkung von Freizeit-, Kultur- und ähnlichen Veranstaltungen,
  6. Untersagung oder Beschränkung von Sportveranstaltungen,
  7. Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne von § 33 oder ähnlicher Einrichtungen sowie Erteilung von Auflagen für die Fortführung ihres Betriebs,
  8. Untersagung oder Beschränkung von Übernachtungsangeboten,
  9. Betriebs- oder Gewerbeuntersagungen oder Schließung von Einzel- oder Großhandel oder Beschränkungen und Auflagen für Betriebe, Gewerbe, Einzel- und Großhandel,
  10. Untersagung oder Erteilung von Auflagen für das Abhalten von Veranstaltungen,
  11. Untersagung sowie dies zwingend erforderlich ist oder Erteilung von Auflagen für das Abhalten von Versammlungen oder religiösen Zusammenkünften,
  12. Verbot der Alkoholabgabe oder des Alkoholkonsums auf bestimmten öffentlichen Plätzen oder zu bestimmten Zeiten,
  13. Untersagung oder Beschränkung des Betriebs von gastronomischen Einrichtungen,
  14. Anordnung der Verarbeitung der Kontaktdaten von Kunden, Gästen oder Veranstaltungsteilnehmern, um nach Auftreten eines Infektionsfalls mögliche Infektionsketten nachverfolgen und unterbrechen zu können,
  15. Reisebeschränkungen.
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Einschränkung von Grundrechten

Artikel 7 des Entwurfs stellt klar, dass durch Artikel 1 Nummer 16 und 17 die Grundrechte der Freiheit der Person, der Versammlungsfreiheit der Freizügigkeit und der Unverletzlichkeit der Wohnung eingeschränkt werden können.
 

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Weitere Regelungspunkte 

  • Bessere Kontaktverfolgung im Reiseverkehr: Um die Kontaktnachverfolgung im Reiseverkehr zu verbessern, kann nach einem Aufenthalt in einem Risikogebiet eine digitale Einreiseanmeldung verordnet werden. 
  • Begriff des Risikogebiets definiert: Darüber hinaus enthält der Entwurf eine Legaldefinition des Begriffs des Risikogebiets.
  • Hilfen für berufstätige Eltern: Das Paket beinhaltet auch Hilfen für berufstätige Eltern. Dabei soll die im März 2020 geschaffene Entschädigungsregelung für Eltern fortgeführt werden, wenn nach einer behördlichen Schließung von Einrichtungen keine Betreuung der Kinder mehr möglich ist.
  • Entschädigungen für Kinder: Auch bei Kindern, die unter Quarantäne gestellt werden, sollen Entschädigungszahlungen möglich sein.
  • Entschädigungsausschluss bei Reisen in Risikogebiete: Bei vermeidbaren Reisen in Risikogebiete soll die Entschädigung wegen Verdienstausfalls ausgeschlossen werden.
  • Erweiterung der Laborkapazitäten: Die Laborkapazitäten für Corona-Tests sollen ausgeweitet werden. Hierzu wird der Arztvorbehalt modifiziert. Ggf. können auch Kapazitäten der veterinärmedizinischen Labore abgerufen werden können.
  • Bessere Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse: Das Robert-Koch-Institut (RKI) soll neue Überwachungs-Instrumente (Surveillance) erhalten, um weitere wissenschaftliche Erkenntnisse über den Verlauf der Pandemie zu gewinnen.


Vorbereitung von Impfprogrammen

Der Entwurf dient auch der Vorbereitung von künftigen Impfprogrammen. Demnach sollen auch Unversicherte einen Anspruch auf Schutzimpfungen und Testungen haben, wobei die zugrunde liegende Rechtsverordnung Regelungen zur Vergütung und Abrechnung vorsehen kann. 


Vor allem der geplante § 28 a IfSG in der Kritik

Am Donnerstag, den 12.11.2020, fand um 11 Uhr fim Bundestag eine Anhörung zu dem Entwurf statt. Zudem hat das Parlement über Anträge von weiteren Parteien zu diesem Thema beraten. 

Vor allem Dr. Andrea Kießling von der Ruhr Universität Bochum äußerte Kritik an den  geplanten Änderungen. Demnach erfüllt der neue  § 28a nicht die Vorgaben von Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgrundsatz. Kießling zufolge lässt die Vorschrift keine Abwägung der grundrechtlich betroffenen Interessen erkennen. Nach Ihrer Einschätzung werden die Gerichte die Vorschrift höchstwahrscheinlich nicht als ausreichende Rechtsgrundlage ansehen. Auch der Caritas-Verband äußerte Bedenken gegen die Ausgestaltung der neuen Norm. Weitere Kritik gab es von Wirtschaftsverbänden.

Demgegenüber begrüßte die Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) den Entwurf im Wesentlichen. Der Verband mahnte aber eine Strategie zur Gewährleistung der Versorgungs- und Patientensicherheit in den kommenden Monaten an.

Auch die Deutsche Ärztekammer (BÄK) sprach von überwiegend angemessenen Maßnahmen. Darüber hinaus regte der Verband die Schaffung eines nationalen Impfregisters an. Damit könnten Impfdaten zeitnah und umfassend zur Verfügung gestellt und ausgewertet werden.
 
Quellen: 

  • hib - heute im bundestag vom 5.11.2020, Nummer 1198
Auch der Deutsche Bundesrat muss dem gesetz noch zustimmen. 

Update

24.11.2020
Drittes Anti-Corona-Paket in Kraft
Am 19.11.2020 trat das Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite in Kraft. Ein wichtiger Bestandteil der Reform sind die Änderungen des Infektionsschutzgesetztes (IfSG). Die Neuregelungen sollen vor allem eine neue Rechtsgrundlage für Corona-Beschränkungen schaffen. Ebenso soll die Novelle die Regelungen zur epidemischen Lage von nationaler Tragweite präzisieren. mehr …

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(ESV/bp)

Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht