Sie haben folgende Möglichkeiten:
  1. zum Login.
  2. zur Navigation.
  3. zum Inhalt der Seite.

Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit aus der römischen Mythologie (Foto: Bits and Splits – Adobe Stock)
Auszug aus: Strafverteidigung und Liberalismus

Ein Blick über den Tellerrand hinaus

ESV-Redaktion Philologie
04.05.2020
Oft helfen Vergleiche mit anderen Ordnungen, das eigene System besser einzuschätzen. Das gilt auch für Rechtssysteme. Dass es für ähnliche Voraussetzungen unterschiedliche Lösungen gibt, schärft den Blick für Besonderheiten. Welche Eigenheiten gibt es etwa in Bezug auf die Verteidigerstellung in einem Rechtssystem? Wie kann man gute Anwältinnen oder Anwälte in einem Strafverteidigungsprozess auf Grundlage der Rechtsordnung einsetzen? Steht unsere Rechtsordnung überhaupt in Einklang mit einem liberalen Staat?
Diesen Fragen geht Dr. Anna Richter in ihrem Buch „Strafverteidigung und Liberalismus“ nach, indem sie das Strafverteidigungssystem zweier Staaten mit ähnlicher Rechtsordnung, aber auch einigen Unterschieden – nämlich Deutschland und Argentinien – vergleicht und auf ihre Übereinstimmung mit bestimmten politischen Theorien untersucht.
 
Lesen Sie hier einen Ausschnitt aus dem Buch:

„Will man eine Rechtsordnung, oder im vorliegenden Fall die Stellung des Strafverteidigers kritisch betrachten, ist ein Blick über den Tellerrand oft hilfreich. So kann der Vergleich mit anderen Rechtssystemen auf die besonderen Eigenheiten des eigenen Systems aufmerksam machen, die ohne eine solche Gegenüberstellung oft als „normal“ und nicht bemerkenswert angesehen werden. Die Einsicht, dass es auch andere Lösungen für eine bestimmte Situation geben kann, schärft den Blick für die (Un-)Zweckmäßigkeit der Vorgehensweisen in der nationalen Rechtsordnung. Der hier zwischen der argentinischen und der deutschen Verteidigerstellung vorgenommene Rechtsvergleich hat die Besonderheiten beider Systeme klar zutage treten lassen und hat es ermöglicht, diese unterschiedlichen Herangehensweisen auf ihre interne Kohärenz hin zu überprüfen. Jedoch liefert dieser rechtsvergleichende Ansatz noch kein Wertungskriterium, das es ermöglicht, über die Vorzugswürdigkeit des einen oder anderen Systems zu urteilen.

Hier soll der Versuch unternommen werden, verschiedene politische Theorien als Richtschnur zu benutzen und die Verteidigerstellung im argentinischen und deutschen Strafverfahren an ihnen zu messen. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf den liberalen Theorien, da die meisten rechtsstaatlich geprägten Rechtsordnungen sich auf den Liberalismus als Grundlage berufen. Auch in den beiden hier interessierenden Rechtssystemen finden sich Verweise auf eine liberale Struktur. Zum Beispiel legt das Grundgesetz in mehreren seiner Artikel (Art. 10 II; 11 II; 18; 21 II; 87a IV; 73; 91 I GG) eine „freiheitlich demokratische Grundordnung“ als Grundlage und Struktur fest. Das BVerfG definiert diese freiheitlich demokratische Grundordnung als Grundlage der deutschen Rechtsordnung mit eindeutig liberalen Werten. (498 BVerfG NJW 1952, S. 774; BVerfGE 2, 1, 12.) Damit kann dieser in dem Grundgesetz enthaltene Begriff als Ausdruck einer liberalen Denkweise angesehen werden, die das Fundament des deutschen Rechts- und Sozialsystems darstellt und somit schlussendlich als dessen Maßstab zu fungieren hat.

In der argentinischen Rechtsordnung findet sich kein so ausdrücklicher Hinweis auf den Liberalismus als zugrundeliegende Theorie. Dennoch sind auch in der argentinischen Verfassung Ideen verankert, die als Ausdruck liberalen Denkens verstanden werden können, wie zum Beispiel der Art. 19 CN oder der Hinweis auf „politisch liberale und demokratische Verfassungen“ (Zaffaroni, Palabras preliminares, S. 24) in der Veröffentlichung zum zweihundertjährigen Bestehen der argentinischen Verfassung.

Rechtsgeschichte meets Mediävistik 26.03.2020
Das Engagement des Dichters für das Recht ist unverkennbar
Wenn man von Hartmann von Aue und seinen Werken hört, dann denkt man zumeist an die Ritter der Tafelrunde, an Iwein und Erec, an Ritter auf Aventiure, die wegen der Vernachlässigung von gesellschaftlichen Pflichten in Konflikte mit ihren Ehefrauen und ihrem Umfeld geraten. Dass man seine Werke aber auch als zeitgeschichtliches Dokument lesen kann, in dem man der Rechtspraxis seiner Zeit auf die Spur kommen kann, das zeigt der folgende Artikel von Professorin Ruth Schmidt-Wiegand aus dem „Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte“, den wir hier für Sie bereitgestellt haben: mehr …

Ähnliche Voraussetzungen – unterschiedliche Lösungen

Wie im ersten Teil dieser Arbeit gezeigt wurde, enthalten die Rechtssysteme von Deutschland und Argentinien trotz dieser Berufung auf den Liberalismus ganz unterschiedliche Lösungen zur Verteidigertätigkeit im Strafverfahren. So ist in Deutschland die freiwillige Verteidigung die Regel, während in Argentinien völlig überwiegend die notwendige Verteidigung vorgeschrieben ist. Auch hinsichtlich der Pflichtverteidigung ergeben sich gravierende Unterschiede, da diese in Deutschland nur in wenigen Fällen anwendbar ist und von freien Rechtsanwälten ausgeübt wird, während in Argentinien eine Pflichtverteidigung in jedem Verfahren möglich ist und von staatlichen Institutionen durchgeführt wird. Schließlich ergeben sich auch hinsichtlich der Wahrnehmung von individuellen und öffentlichen Interessen Unterschiede, da das Bestehen öffentlicher Aufgaben für den Verteidiger von Literatur und Gesetzgebung beider Länder unterschiedlich beurteilt wird.

Ob und inwieweit die Regelungen zur formellen Verteidigung in beiden Ländern mit dem Liberalismus vereinbar sind, ob es sich also bei beiden Rechtsordnungen – zumindest in diesem beschränkten Bereich der Verteidigertätigkeit – um liberale Rechtsstaaten handelt, soll im Folgenden analysiert werden.

Dazu werden zum einen die in beiden Ländern vorgebrachten Prinzipien untersucht, mit denen versucht wird, die eben genannten Regelungen der Strafverteidigung zu fundamentieren. Zum anderen werden drei politische Theorien vorgestellt, der Nozicksche Libertarismus, der Rawlssche egalitäre Liberalismus und der Republikanismus nach Pettit. Für alle drei Theorien wird versucht, eine mögliche Ausgestaltung der formellen Verteidigung auszuarbeiten. Außerdem wird analysiert, auf welche Weise sie die in der deutschen und argentinischen Rechtsordnung zur Stützung ihrer Regelungen vorgebrachten Prinzipien auffassen und wie sie sie abwägen würden.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden dann mit den beiden Rechtssystemen verglichen, um eine Aussage darüber treffen zu können, ob ihre Verteidigungsregelungen mit einer liberalen Weltsicht – sei diese libertär oder egalitär – vereinbar sind, oder ob der Republikanismus eine bessere Grundlage für das deutsche und das argentinische Rechtssystem bieten kann.“

Wenn wir Sie neugierig gemacht haben, empfehlen wir Ihnen das Buch von Anna Richter zur Lektüre.

Strafverteidigung und Liberalismus
von Dr. Anna Richter

Sind unsere Rechtsordnungen tatsächlich mit dem Liberalismus in Einklang zu bringen, wie so oft behauptet wird? Wie müsste ein Rechtsstaat aussehen, der auf liberale Grundlagen gestützt wird? Diesen Fragen wird hier anhand der Institution der Strafverteidigung nachgegangen. 

In einem ersten Schritt stellt die Autorin die zu dieser Figur bestehenden Regelungen in Deutschland und Argentinien vor und vergleicht sie miteinander. Danach wird analysiert, inwieweit die in beiden Ländern vorgefundenen Argumentationswege und Prinzipien, auf die die jeweiligen Verteidigungseinrichtungen gestützt werden, mit liberalen Grundsätzen (Libertarismus nach Nozick, egalitärer Liberalismus nach Rawls, Republikanismus nach Pettit) in Einklang gebracht werden können.

Die Arbeit bietet einen einzigartigen Einblick in die Institution der Strafverteidigung in Argentinien und Deutschland. Auf der Grundlage von strafrechtsdogmatischen Einblicken und den im Rechtsvergleich analysierten Vorzügen und Nachteilen der Verteidigungslösungen beider Länder entwickelt die Autorin sodann eine Antwort auf die eingangs aufgeworfene Frage, wie die unterschiedlichen Ausgestaltungen der Strafverteidigung mit verschiedenen Ausprägungen des Liberalismus vereinbar sind.

(ESV/RZ)

Programmbereich: Rechtsgeschichte