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An Universitäten wird eine bestimmte Sprache genutzt (Foto: WavebreakmediaMicro/stock.adobe.com)
Nachgefragt bei: Sandra Drumm, Ute Henning, Britta Hufeisen

„Ein Hang zur Verkomplizierung“

ESV-Redaktion Philologie
28.11.2019
Deutschland ist ein wichtiger Wissenschaftsstandort. Was ist das Besondere an Deutsch als Wissenschaftssprache? Lesen Sie ein Interview mit den Autorinnen unserer Neuauflage „Einführung in die deutsche Sprache der Wissenschaften“.
Liebe Autorinnen, was ist das Besondere an der deutschen Sprache der Wissenschaften?
Ute Henning: Die deutsche Wissenschaftssprache zeichnet sich durch einen Hang zur Verkomplizierung aus, die vielen wissenschaftlich Tätigen lieb und teuer ist. Um sich angemessen ausdrücken und eben auch so wahrgenommen zu werden, muss man diese Normen der Komplexität beherrschen lernen.

Unterscheidet sie sich von anderen Sprachen der Wissenschaft, z. B. Englisch?
Sandra Drumm:
Der größte Unterschied zum Englischen ist aus meiner Sicht die Trockenheit und Abstraktheit. Während das Englische durchaus Pointen und Sprachspiele im wissenschaftlichen Diskurs zulässt und Verständlichkeit an erster Stelle steht, ist für deutsche Wissenschaftssprachen die Unterscheidung der Disziplinen bedeutsamer. Pädagoginnen und Pädagogen drücken sich anders aus als Physikerinnen und Physiker und darauf wird Wert gelegt.

Wie gut sollten Deutschkenntnisse von z. B. Studierenden mindestens sein, damit ein Studium an einer deutschsprachigen Hochschule realistisch ist?

Sandra Drumm:
Das kommt auf das Fach und die Fachkultur an. In stark diskursiven Fächern ist es sinnvoll Zusatzkurse für C1 zu besuchen. Generell sind Fachsprachenkurse Deutsch immer eine gute Ergänzung.

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Welche sprachlichen Aspekte fallen Deutschlernenden erfahrungsgemäß besonders leicht, welche eher schwer?

Britta Hufeisen:
Das kann man nicht generell sagen, denn einfach oder schwierig sind sehr subjektive Kategorien. Oft meinen Deutschlernende, dass die drei Artikel mit all den Folgen für die Deklination (von Nomen und Adjektiven) das Schwierigste seien. Andere halten die Aussprache für sehr schwierig. Gut und spannend finden viele Lernende die schier unendlichen Möglichkeiten der Wortbildung im Deutschen (Mark Twain hat dazu auch eine heitere Geschichte geschrieben).

Was macht einen wissenschaftlichen Text aus?

Sandra Drumm:
Wissenschaftlichkeit ist in Deutschland sehr stark von der Fachtradition abhängig.
Britta Hufeisen: Generell geht es darum, die Konventionen des eigenen Faches zu kennenzulernen, damit man sie erkennen und dechiffrieren und später auch selbst produzieren kann.

Wie hat sich die Wissenschaftssprache über die letzten Jahre verändert?

Sandra Drumm:
Trotz der Liebe zur Komplexität wird auch in Deutschland die Sprache einfacher, besonders in Fächern, die mit Bildung zu tun haben. Das bedeutet, dass der Einfluss von Latein und Griechisch als gelernte Bildungssprachen stark zurückgegangen ist. Weniger Wortneuschöpfungen aus diesen Sprachen sind zu verzeichnen, und die Syntax ist straffer, klarer.

Britta Hufeisen:
Trotzdem kann es durchaus helfen, Lateinkenntnisse zu haben, weil sich weiterhin viele Termini über das Lateinische erschließen lassen.

Ute Henning:
Der Einfluss der englischen Sprache auf das Deutsche nimmt zu, auch in der Wissenschaftssprache. Das Deutsche entwickelt sich vor allem und am deutlichsten spürbar im Wortschatz, aber teilweise auch in der Grammatik dynamisch weiter.

Die Einführung in die deutsche Sprache der Wissenschaften liegt inzwischen in komplett überarbeiteter, 14. Auflage vor. Welche wichtigen Punkte haben sich seit der Erstauflage 1967 verändert?

Sandra Drumm:
Generell haben wir das Buch um kommunikative Aspekte erweitert. Wie gesagt gehört zur Sprache der Wissenschaft auch immer die Kommunikationssituation – wo wird mit wem warum wissenschaftlich gehandelt? Diese Aspekte haben wir ergänzt, um ein Verständnis für wissenschaftssprachliches Handeln zu schaffen.

Britta Hufeisen: Außerdem haben wir Erklärungen und zahlreiche Beispiele modernisiert und an derzeit gültige didaktische Standards angepasst.

Vielen Dank für das Interview!

Die Verfassenden
Dr. Günter Schade war Studiendirektor am Studienkolleg für Ausländer der FU Berlin. Während seiner dortigen Tätigkeit entwickelte er das vorliegende Lehrbuch für ausländische Studierende, die sich auf ein Studium in Deutschland vorbereiten.
Dr. Sandra Drumm arbeitet zur Fachsprache der Biologie in der Schule und befasst sich seit einiger Zeit mit dem Zusammenhang zwischen Fachlichkeit und Sprachlichkeit. Durch die Mitarbeit in internationalen Forschungsprojekten kennt sie die Herausforderungen der deutschen Wissenschaftssprache für Studierende und Lehrende aus nicht-deutschsprachigen Ländern.
Ute Henning unterrichtet Deutsch als Fremdsprache für internationale Studierende. Sie arbeitet außerdem an einem Schreibzentrum, wo sie Schreibberatung durchführt und sich mit den sprachlichen Anforderungen wissenschaftlichen Schreibens beschäftigt.
Prof. Dr. Britta Hufeisen forscht und lehrt zu Fragen des Lernens von Sprachen, insbesondere Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, hat Forschungs- und Lehrerfahrungen im nichtdeutschsprachigen Ausland und kennt die Anforderungen, die das Lernen der deutschen Wissenschaftssprache bedeuten.

Einführung in die deutsche Sprache der Wissenschaften
Von Günter Schade, Britta Hufeisen, Sandra Drumm und Ute Henning

Das Buch wendet sich in erster Linie an diejenigen, die an Hochschulen im deutschsprachigen Raum studieren oder wissenschaftlich arbeiten wollen und deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Es setzt Grundkenntnisse des Deutschen voraus und ebnet fächerübergreifend den Weg in die Sprache der Wissenschaften. Auf diese Weise erarbeiten die Lernenden die Grundlagen, die für das Studium eines jeden gewählten Faches notwendig sind.

Die für die Wissenschaftssprache relevanten sprachlichen Phänomene werden dabei im syntaktischen Zusammenhang gezeigt und in ihrer Funktion erläutert. Jeder Abschnitt beschreibt zunächst die thematisierte sprachliche Erscheinung, es folgen Übungen und ausgewählte Texte. Die einzelnen Kapitel sind voneinander unabhängig und nicht progressiv geordnet.

Die 14. Auflage dieses erfolgreichen Lehrbuchs wurde grundlegend überarbeitet, zahlreiche Übungen und Texte wurden aufgrund der rasanten wissenschaftlichen Entwicklung erneuert. Außerdem geht die Neuauflage auf die Bedeutung der wissenschaftlichen Sprache für die Arbeit in wissenschaftlichen Zusammenhängen ein und vertieft dies an Beispielen aus unterschiedlichen Disziplinen.
Zur Kontrolle des Gelernten können die Studierenden online auf einen Lösungsschlüssel für die Übungen zugreifen.
(ESV/LP)

Programmbereich: Germanistik und Komparatistik