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Die Prosodie beeinflusst unsere Gespräche (Foto: Valenty/Fotolia.com)
Prosodie im DaF-Unterricht

Ein konkretes didaktisches Modell der Prosodie fehlt

ESV-Redaktion Philologie
13.05.2019
Wie wir ein Wort betonen oder auf welchen Teil eines Satzes wir beim Sprechen den Schwerpunkt setzen, beeinflusst, was unser Gegenüber hört und versteht. Wort- und Satzakzent, Intonation, Melodie, Tempo und Rhythmus gehören zum Bereich der Prosodie. Wie beeinflusst diese unser Sprachenlernen?
Lesen Sie hier einen Ausschnitt aus unserer Neuerscheinung Grammatik der Prosodie für Deutsch als Fremdsprache von Gianluca Cosentino.

Der Terminus Prosodie leitet sich vom Altgriechischen pros-odía ab und bedeutet „Hinzusingen, Hinzutönen“.

In der altgriechischen Vers- und Deklamationslehre bezeichnete Prosodie die Lehre vom zeitlichen Rhythmus und vom Silbentypus. Dies bezog sich vor allem auf das korrekte Vorlesen und Vortragen von Dichtung, damit die wesentlichen sprachlichen Informationen, die in der Schrift enkodiert sind, in die gesprochene Sprache umgesetzt werden. Das Fach Prosodie stand also für einen Teilbereich der Wissenschaft, der sich mit dem musikalischen Akzent und den Quantitäten der Silben befasste.

Die moderne Phonetik und Phonologie unterscheidet zwischen sogenannten segmentalen und suprasegmentalen Ebenen der Lautsprache. Die segmentale Ebene betrifft die Eigenschaften von Einzellauten, etwa von Silben- oder Wortsegmenten (z.B. Stimmhaftigkeit, Aspiriertheit, Konsonanti-zität). Die suprasegmentale Phonologie untersucht die größeren Einheiten der Lautstruktur, auch Suprasegmentalia genannt (z.B. die Silben).

Dabei werden alle Eigenschaften betrachtet, die über das Einzelsegment hinausgehen. Dies ist der Geltungsbereich der Prosodie.

Prosodie im Fremdsprachenunterricht

In der Theorie und Praxis des Fremdsprachenunterrichts wird Prosodie gemeinhin als Begleiterscheinung der gesprochenen Sprache angesehen und gesprochene Sprache, ihrerseits, als ein „sperriger, schwer zu handhabender Gegenstand“ (Fiehler 2012).

Gesprochene Sprache hat in der allgemeinen Fremdsprachendidaktik lange Zeit eine geringe Rolle gespielt. Erst mit dem Erscheinen des kommunikativen Ansatzes der 1970er Jahre – bei dem im Gegensatz zu früheren Unterrichtsmethoden ein größerer Wert auf die mündliche Kommunikation gelegt wurde – hat man erkannt, dass die Förderung orthoepischer und mündlicher Kompetenzen im Unterricht unentbehrlich ist und auch Phonetik genauso wie Grammatik, Lexik oder Orthographie behandelt werden muss. Das Ergebnis war allerdings eine „Verlautlichung“ der Schriftsprache: Auf der Anfängerstufe lernte man, wie einzelne Buchstaben oder Buchstaben-kombinationen ausgesprochen werden und nur mit dieser Erkenntnis begann man den Fremdspracherwerb; man ging also weitestgehend vom Schriftbild aus, was zwar einen wichtigen Anhaltspunkt zur richtigen Aussprache gab, aber in vielen Fällen von den weiteren phonetischen Phänomenen, wie Akzent und Intonation, überhaupt keine Notiz nahm.

Nach der prosodischen Wende

Erst in jüngerer Zeit, nach der sogenannten prosodischen Wende, sind prosodische Überlegungen stärker in den Fremdsprachenunterricht eingebunden worden. Dabei gelang in einigen wissenschaftlichen Studien der Nachweis, dass viele Schwierigkeiten im phonetischen Bereich nicht primär auf mangelhafte Realisierung der einzelnen Phoneme, sondern auf ungenügende Kompetenz im suprasegmentalen Bereich zurückzuführen sind und dass sich eine systematische, gesteuerte Einübung prosodischer Merkmale für die Abschaffung von Fehlern auf segmentaler Ebene als besonders fruchtbar erweisen kann. Nichtsdestoweniger scheint Prosodie im heutigen Fremdsprachenunterricht immer noch eine Randstellung einzunehmen.

Die wenigen Ausspracheschulungen, die betrieben werden, zielen stark auf die Lautebene ab und bestehen ausschließlich in der Erkennung und imitativen Produktion von Einzellauten, Phonemen und Phonemkombinationen, wohingegen allein implizites und ungesteuertes Lernen bzw. lange Auslandsaufenthalte für die Entwicklung der „prosodischen Kompetenz“ zuständig gemacht werden. Außerdem wird Prosodie in den meisten Fremdsprachendidaktiken zwar behandelt, ihr Anteil ist aber relativ gering. Bei vielen dieser Werke werden Suprasegmentalia fast ausschließlich mit der emotionalen Ebene assoziiert und meist am Beispiel imitativer und reproduktiver Übungsformen präsentiert.

Ein konkretes didaktisches Modell zur Förderung der prosodischen Kompetenz im Fremdsprachenunterricht fehlt noch immer. Aus diesem Grund ist es wenig erstaunlich, dass selbst bei weit fortgeschrittenen Fremdsprachenlernenden die Ausgangssprache den Sprechfluss zu überschatten scheint, sodass ihre Nicht-Zugehörigkeit zu einer Sprachgemeinschaft erkennbar bleibt und sehr häufig eine große Diskrepanz zwischen einer fast fehlerfreien Aussprache auf der Lautebene und markanten prosodischen Fehlern anzutreffen ist. Diese Beobachtung gilt sowohl für den DaF- als auch für den allgemeinen fremdsprachendidaktischen Bereich, wie auch Gilbert (2008) betont.

Grammatik der Prosodie für Deutsch als Fremdsprache
von Dr. Gianluca Cosentino

Ziel des Buches ist es, eine umfassende formale und funktionale Analyse relevanter Aspekte der deutschen Prosodie vorzunehmen und Anknüpfungspunkte für eine Didaktisierung im DaF-Bereich herzustellen.

Im deutschen Sprachsystem ist die Prosodie das Hauptkodierungsmittel der Informationsstruktur und erfüllt zahlreiche sprachliche Funktionen, die als Teilbereich der Grammatik anzusehen sind. Nach einem Überblick über die Gebiete der Prosodieforschung und die grammatische Funktion der Prosodie als Hauptkodierungsmittel der Informationsstruktur wird ein praktisch erprobtes Unterrichtsmodul zur Grammatik des Akzents vorgestellt. Die Inhalte des Unterrichtsmoduls werden schrittweise präsentiert und in Unterrichtseinheiten zusammengestellt. Im Anschluss wird der Ablauf und Erfolg des Prosodie-Moduls dargestellt. Als empirische Basis für die Dokumentation dient die auditive und akustische Analyse eines Datenkorpus, das aus von italophonen DaF-Studierenden vorgelesenen Texten besteht.

(ESV/lp)

Programmbereich: Deutsch als Fremdsprache