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Wo sind hier die Ähnlichkeiten? (Foto: Anna/Fotolia.com)
Bezeichnungen im Frankokreol

Eine Feige ist eine Banane ist eine Feige?

ESV-Redaktion Philologie
18.02.2019
Alles Banane? Für die meisten Europäer ist diese Frucht hauptsächlich als Obstbanane bekannt. In der Karibik jedoch herrscht eine unglaubliche Artenvielfalt, die zu unterschiedlichsten Bezeichnungen für die Banane führte. Unter anderem taucht im Frankokreol für sie der Begriff ‚figue‘ auf, der normalerweise die Feige meint.
Lesen Sie hier einen Ausschnitt aus „Das Kreuz mit der Feige – Zur Etymologie von frankokreolisch fig ‚Banane‘“ von Ulrike Scholz aus dem Sammelband Sprach- und Kulturkontaktphänomene in der Romania – Phénomènes de contact linguistique et culturel dans la Romania.

Fig und bannann in den amerikanischen Frankokreols

Die in Europa unbekannte Sortenvielfalt führt in der Karibik zu einer beträchtlichen Benennungsvielfalt. Zentral ist dabei die Unterscheidung zwischen der süßen Obstbanane und der Kochbanane, die in rohem Zustand ungenießbar ist. Sie schlägt sich in einigen Frankokreols auch in einer lexikalischen Differenzierung nieder: haï. ant. gua. M-G mart. StLuc. fig bezeichnet die Obstbanane, haï. gua. StLuc. guy. Bannann dagegen die Kochbanane.

Entsprechend der großen Bedeutung der Banane für die karibische Kultur und Küche werden etliche Sorten unterschieden und benannt, nicht ohne Grund vergleicht Andreas Blank diese Vielfalt mit „unserer Kenntnis verschiedener Apfel- oder Birnensorten“.

Paradiesische Zustände: figue d’Adam

Figue ‚Banane‘ lässt sich als neue Bedeutung auf der Grundlage einer Similaritätsrelation interpretieren, wie es explizit auch Léry tut, auch wenn sie für die Annahme einer kohyponymischen Übertragung nicht stark genug ausgeprägt war. Die Similarität, die für die Interpretation des Simplex figue wichtig ist, hat bei der syntaktischen Fügung figue d’Adam allerdings höchstens eine untergeordnete Rolle gespielt, denn dafür müsste sie ja in einem mit Adam in Verbindung stehenden Rahmen perzeptuell erfasst worden sein – was nun nicht möglich ist. In d’Adam eine differentia specifica für figue ‚Banane‘ zu sehen, weil dieser Beleg jünger ist als der für das Simplex, ist wenig überzeugend, denn welcher Unterschied sollte das sein, der so versprachlicht wird? Bei der Suche nach einem Benennungsmotiv kann figue d’Adam also unabhängig von figue betrachtet werden. Die beste Quelle für Informationen über Adam ist zweifellos die Vulgata.

Die Feige in der Bibel

Von Bananen ist hier augenscheinlich nicht die Rede, vielmehr ist die Feige die erste Pflanze, die in der Bibel namentlich erwähnt wird und so spricht der biblische Text von „folia ficus“. In der christlichen Kunst verweist der Feigenbaum auf Maria und Josef als die neuen Stammeltern, die christliche Symbolik kennt aber noch eine weitere Lesart. Danach verweist der Feigenbaum auf das Kreuz Christi und die Sünde des Menschen, von der Jesus ihn durch sein Opfer befreite. Das spricht nun allerdings gerade für die Banane, womit sich die Frage nach dem Ursprung der Verwechselung stellt.

Der Feigenbaum wurde auch gelegentlich mit dem – im biblischen Text ja nicht spezifizierten – Baum der Erkenntnis gleichgesetzt, häufiger wird hier allerdings der Apfelbaum genannt. […] Tatsächlich handelt es sich wohl um eine in ganz Europa weit verbreitete Vorstellung, die bei Linschoten (1599) bzw. dem Kommentar von Paludanus aufscheint, die auch die deutsche Bezeichnung Adamsfeige widerspiegelt und die in den Statuen aus der Kapelle des Friedhofs in Genua sichtbar ist.

Passepartout-Wort

Ein schwaches Echo des Sündenfalls lässt sich auch in der Botanik feststellen, denn die Diskussion über den Pflanzenbestand im Garten Eden hat ihre Spuren in der Taxonomie hinterlassen. Gerade während der botanischen Anfänge, also vor Linnés epochaler Systematisierungsleistung, im Zuge derer das Artepitheton paradisiacus in die Taxonomie eingeführt wird, ist diese noch weit vom Ideal der Ein(ein)deutigkeit entfernt. Ficus dient in der Folge, vor allem im 16. und 17. Jh., zur Bezeichnung ganz unterschiedlicher Familien […] es wird so etwas wie ein „Passepartout-Wort“ in der sich gerade konstituierenden Botanik, die ja noch darum rang, nach welchen Kriterien Pflanzen zu beschreiben und zu ordnen waren. Die jahrhundertelange Präsenz von ficus im gelehrten Diskurs und der ebenso prestigereiche wie referentiell vage Kontext haben diese Karriere sicherlich befördert.

Sprach- und Kulturkontaktphänomene in der Romania – Phénomènes de contact linguistique et culturel dans la Romania
Festschrift für Ingrid Neumann-Holzschuh zum 65. Geburtstag


Herausgegeben von Dr. Edith Szlezák, Dr. Klara Stephanie Szlezák

Dieses Buch widmet sich sowohl den Herausforderungen als auch den Chancen, die sich in sprachlichen und kulturellen Kontaktsituationen ergeben. Der Band versammelt eine große Vielfalt an Beiträgen, die eben diese Phänomene unter den unterschiedlichsten Gesichtspunkten in diversen Sprachgebieten der Romania beleuchten.

Nicht nur werden darin Brücken in die Vergangenheit geschlagen, die dabei helfen, heutige sprachinterne sowie sprachexterne Phänomene zu verstehen. Es werden ferner phonetische, lexikalische, morphosyntaktische, pragmatische und soziolinguistische Spezifika sowohl der frankokanadischen Varietäten in Kanada und den USA als auch verschiedener Kreolsprachen näher betrachtet.

(ESV/lp)

Programmbereich: Romanistik