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Theodor Storm und George Westermann in den 1870er Jahren (Foto: Westermann Unternehmensarchiv (WUA) in Braunschweig)
Theodor Storm – George Westermann: Der Briefwechsel

Eine lebenslange Autor-Verleger-Beziehung: Theodor Storm und George Westermann

ESV-Redation Philologie
09.08.2019
Welchen Verlag ein Autor oder eine Autorin wählt, ist eine sehr wichtige Entscheidung. Denn für sie sind die literarische Umgebung und das individuelle Engagement und die Ausstrahlung eines Verlegers sehr wichtig. Bücher sind flüchtiges Kapital – das war auch im 19. Jahrhundert schon so.
Theodor Storms Beziehung zu seinem Hauptverlagshaus George Westermann beispielsweise dauerte 25 Jahre und begann ganz unscheinbar mit der brieflichen Bitte um einen Beitrag für das illustrierte Monatsheft. Die sonderbare Beziehung zwischen Autor und Verleger, der Blick des wirtschaftenden Künstlers und des künstlerischen Wirtschafters, jenes so vertraute, weil von Abhängigkeit und Unabhängigkeitsstreben geprägte Flechtwerk ist eine vertiefte Betrachtung wert. Besonders dann, wenn es um Theodor Storm und George bzw. Friedrich Westermann geht.
Anne Petersen hat nun eine Edition des Briefwechsels von Theodor Storm und George Westermann in der Reihe „Storm – Briefwechsel“ (Bd. 20) herausgegeben. Lesen Sie hier Auszüge über Beginn und Ende der Autor-Verleger-Beziehung und über die Position des Verlegers als Vermittler zwischen Kunst und Wirtschaft.

Der Beginn einer Beziehung (der erste Brief)

George Westermann an Theodor Storm, Braunschweig, Dienstag, 1. November 1864 – Abdruck nach HF

Braunschweig 1 Nov 1864
Herrn Th. Storm in Husum
Ich erlaube mir hiermit, Sie zu Beiträgen für meine illustrirten deutschen Monatshefte einzuladen, u würde mich freuen, wenn Sie für die nächste Januar Nummer Etwas einsenden möchten. Ueber die äußeren Bedingungen würden wir uns ohne Zweifel leicht verständigen.
Ich habe inzwischen die Ehre, Sie zu begrüßen<.>
Hochachtend
Geehrter Herr,
Ihr Ergebenster
George Westermann 

Der Verleger als Vermittler zwischen Kunst und Wirtschaft

Theodor Storm an George Westermann, Husum, Dienstag, 19. März 1878 – Abdruck nach H

Husum, 19 März 1878.
Herrn George Westermann.
Außer dem „Carsten Curator“ in dem Aprilheft Ihrer Monatshefte, wird gleichzeitig in dem Aprilheft der Rundschau die beifolgende Novelle „Renate“ von mir erscheinen. Beide Novellen offerire ich Ihnen hiedurch zur Separatausgabe unter dem Titel „Zwei neue Novellen“ oder „Carsten Curator. – Renate“ (nach Ihrem Belieben) gegen ein Honorar von 1500 M für 2000 Exl., zahlbar mit 400 M. am 1 Mai, 700 M am 1 August d. J. und 400 M am 1 Febr. 1879; im Übrigen unter unseren gewöhnlichen Bedingungen. Hübsch wäre es, wenn Sie Hans Speckter in Hamburg ein Titelbild übertragen wollten.
In Erwartung Ihrer gef<ä>lligen Antwort
Hochachtgsvoll
ThStorm.
[...]

George Westermann an Theodor Storm, Braunschweig, Mittwoch, 27. März 1878 . Antwort auf Nr. 213 – Abdruck nach H

Braunschweig 27. März 1878.
Herrn Oberamtsrichter Th. Storm
in Husum.
Geehrter Herr!
Ich bedaure, bei Ihren abermals sich steigernden Honoraransprüchen auf den Verlag weiterer Separat-Ausgaben verzichten zu müssen. – Diese Bändchen werden mit je-dem Jahre weniger gekauft, und werden daher, sofern sie schon Gelesenes nur noch in weitere sehr beschränkte Kreise tragen, überflüssig, wie es scheint. Zumal in jetzigen sehr mislichen Zeitverhältnissen sind solche Honorare keinem Calcul anzupassen, und daher unmöglich. Ich habe mit 3 Ihrer Separatausgaben meinen guten Willen gezeigt, aber eine Menge Geld an jede verloren – zusammen gegen 7000 Mark. – An der Ausstattung ist nichts zu sparen: im Gegentheil sie schien Ihnen noch nicht elegant genug! – Sie täuschen sich also in Ihrer Abschätzung der Honorarwerthe sehr! Ich, für mein Theil, sehe mich genöthigt, sie abzulehnen.
Mit vorzüglicher Hochachtung
ergebenst
George Westermann

2000 Aufl. – 1500 gehören zur Kostendeckung – 5–600 werden abgesetzt!

Das Ende einer Beziehung (der letzte Brief)

Theodor Storm an den Verlag Westermann, Hademarschen, Donnerstag, 21. Juni 1888 . Antwort auf Nr. *410 – Abdruck nach H

Hademarschen, 21 Juni 1888
Herrn
George Westermann.
Meinen Dank, sehr geehrter Herr, für die freundliche Acceptation meiner Wünsche, daß das Erscheinen der neuen Bände erst zum Herbste bevorsteht, hatte ich nicht anders erwartet. An Paetel habe ich heute geschrieben, Ihnen zum Abdruck des Vorworts u. Titels der 3 qu. Märchen 1 Exl. der „Geschichten aus der Tonne“ zu senden. Die einzelnen Märchen müßten dann wohl ihren Separat-Titel, wie jetzt, behalten nur:
I
Die Regentrude.
II
Der Spiegel des Cyprianus.
III
Bulemanns Haus.

Ich darf dann wohl um Correctur des Vorworts bitten.
Mit vorzüglicher Hochachtung
und freundlichem Gruß
ThStorm.


Theodor Storm – George Westermann
Briefwechsel

Herausgegeben von Dr. Anne Petersen

Der wahre Facettenreichtum des Briefwechsels zwischen Theodor Storm und dem Verlagshaus des Braunschweiger Verlegers George Westermann ließ sich bislang nur erahnen. Mit diesem Band werden nun sämtliche überlieferten Dokumente dieses knapp ein Vierteljahrhundert währenden Briefgespräches erstmals geschlossen in einer textkritischen und ausführlich kommentierten Edition vorgelegt.

Indem er die Gesamtausgabe von Storms Schriften übernahm, bündelte Westermann das bislang in unterschiedlichen Verlagen verstreut erschienene Werk des Husumer Dichters in seiner Hand. Daher konzentrieren sich in dieser Dichter-Verleger-Korrespondenz zentrale literaturwissenschaftliche und medienhistorische Aspekte, die auch die Mechanismen des literarischen Marktes im Kaiserreich reflektieren. Obwohl es wiederholt Auseinandersetzungen um die Diskrepanz zwischen dem künstlerischen Stellenwert eines literarischen Textes und der Realität auf dem hart umkämpften Zeitschriften- bzw. Buchmarkt gab, fanden die Briefpartner immer wieder zu einem Dialog. Somit hinterließen sie reichhaltiges Material, das zu einer ausgewogenen Bewertung der Dichter-Verleger-Beziehung beiträgt.

Programmbereich: Germanistik und Komparatistik