
Erste Gerichtsentscheidungen zum Teil-Lockdown
OVG Magdeburg: Touristisches Beherbergungsverbot in Sachsen-Anhalt ist nicht offensichtlich rechtswidrig
- Ermessenspielraum des Verordnungsgebers: Dabei dürfe der Verordnungsgeber aufgrund seines Ermessensspielraums auch die Gefährdung der Gesundheit der gesamten Bevölkerung in Deutschland erfassen und muss sich nicht auf Risikogruppen beschränken.
- Ansteckungsumstände unklar: Zwar zähle das RKI das Beherbergungsgewerbe nicht zum Treiber der Pandemie. Allerdings bleiben die Gründe der Ansteckungsumstände auch nach den Statistiken des Robert-Koch-Institutes in mehr als 75% der Fälle unklar, so das OVG. Deshalb wäre nicht ausgeschlossen, dass auch Beherbergungsbetriebe zu den Virusübertragungen beitagen.
- Hauptziel ist Reduzierung des gesamten Infektionsgeschehens: Ebenso wenig ist nach Auffassung des Gerichts nicht das Hauptziel, Infektionen gerade in den jeweiligen Unterkünften zu verhindern. Vielmehr soll es durch Reduzierung der Kontakte in der Bevölkerung das Infektionsgeschehen insgesamt auf und die Zahl der Neuinfektionen wieder in die nachverfolgbare Größenordnung von unter 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche senken.
- Reiseströme unterbinden: Dieses Ziel erreicht die Maßnahme, weil sie touristische Beherbergungen und die daraus resultierenden Bewegungsströme der Gäste massiv unterbindet, indem sie die Zahl der touristischen Aufenthalte und die damit im Zusammenhang stehenden Sozialkontakte reduziert und damit auch der besseren Nachverfolgbarkeit von Infektionsketten dient.
- Hygienekonzepte allein reichen nicht aus: Den Risiken, die von touristischen Aufenthalten ausgehen, könne nicht allein durch die Einhaltung von Abstands- und Hygieneregeln innerhalb der Beherbergungsbetriebe wirksam begegnet werden.
- Eingriffe durch Entschädigungszahlungen gemildert: Zudem würden die Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit und in das Eigentumsrecht der Betreiber von Beherbergungsbetrieben durch die neuen Corona-Hilfen für betroffene Unternehmen deutlich gemildert, so das OVG Magdeburg abschließend.
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VGH München hält Schließung von Gastronomiebetrieben sowie das touristische Beherbergungsverbot in Bayern für rechtmäßig
Ebenso ließ der VGH München die Untersagung des Gastronomiebetriebs und die Einschränkung des Beherbergungsbetriebs durch die 8. BayIfSMV unbeanstandet. Auch die Münchner Richter ließen offen, ob die Bestimmungen des IfSG eine hinreichende Grundlage der angegriffenen Bestimmungen sind und diese dem Parlamentsvorbehalt genügen. Nach Auffassung des OVG München sind diese bei summarischer Prüfung jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig.
Dabei berücksichtigte das OVG München – ebenso wie die Richterkollegen aus Magdeburg – im Rahmen einer Folgenabwägung aufgrund des Parlamentsvorbehalts die neuen staatlichen Entschädigungsleistungen für den Umsatzausfall aufgrund der vorübergehenden Schließung der jeweiligen Betriebe. Vor dem Hintergrund der stark steigenden Infektionszahlen überwog dabei das Leben und die Gesundheit der Bevölkerung.
Quelle: PM des VGH München vom 5.11.2020 zum Beschluss vom selben Tag – 20 NE 20.2468
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VGH Mannheim: Neuer Lockdown voraussichtlich verhältnismäßig
Der VGH Mannheim ließ diese Argumente nicht gelten. Nach Meinung der Mannheimer Richter kann es wegen der Pandemielage mit diffusem Infektionsgeschehen sachliche Gründe für Ungleichbehandlungen geben, um einen vollständigen Lockdown zu vermeiden.
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Auch das OVG Schleswig lässt das touristsiche Beherbergungsverbot in Schleswig-Holstein im Rahmen einer Folgenabwägung unbeanstandet
Diesen Argumenten folgte das OVG Schleswig nicht. Auch die Richter aus Schleswig sahen sich nicht in der Lage, die Rechtmäßigkeit von § 17 der Corona-Bekämpfungsverordnung vom 01.11.2020 eingehend zu prüfen und nahmen daher eine Folgenabwägung vor. Das OVG meinte, dass das Vertrauen auf einen ungestörten Urlaub wenig schutzwürdig wäre. Demnach hätte das Ehepaar schon bei der Anreise mit Verschärfungen der Pandemie rechnen können. Auch das Risiko, dass ein selbstgewählter Wohnsitz in Hochgebirgslage im Winterhalbjahr erreicht werden kann, dürfte nicht von der Allgemeinheit getragen werden. Zudem nahm das OVG an, dass in Österreich ein etwaiger Notbedarf aufgefangen werde.
In einem weiteren Verfahren hatte sich die Betreiberin einer Ferienwohnungsanlage auf einen Verstoß gegen Art. 12 GG berufen. Auch deren Eilantrag hatte das OVG Schleswig abgelehnt. Insoweit liegt das OVG in etwa auf einer Linie mit dem VGH Mannheim, dem VGH München und dem OVG Magdeburg.
Quelle: PM des OVG Schleswig vom 5.11.2020 zum Beschluss vom selben Tag – 3 MR 72/20, 3 MR 56/20
OVG Greifswald: Touristen müssen aus Mecklenburg-Vorpommern ausreisen
Quelle: PM des OVG Greifswald vom 5.11.2020 zu den Beschlüssen vom selben Tag – 2 KM 770/20 OVG, 2 KM 774/20 OVG
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Corona und Entschädigungen für Betriebsschließungen | |
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Vor allem Gastronomen versuchen zurzeit Ihre Verluste aufgrund von temporären Betriebsschließungen durch Entschädigungen zu kompensieren. Dabei sehen einige Wirte eine Haftung der Bundesländer aufgrund des IfSG. Andere versuchen es über ihre Betriebsschließungsversicherung – mit unterschiedlichem Erfolg. In einem Fall sprach das LG München dem Gastwirt eine Entschädigung von über 1 Mio. Euro zu. Aufgrund der Maßnahmen, die Bund und Länder am 28.10.2020 beschlossen hatten, sind für betroffene Betriebe nun Entschädungen geplant. mehr … |
Die Entwicklung bis Ende Oktober 2020 | 15.10.2020 |
Aufregung um Beherbergungsverbote | |
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Urlauber aus innerdeutschen Corona-Risikogebieten dürfen in zahlreichen Bundesländern aufgrund eines Bund-Länder-Beschlusses von Anfang Oktober ohne negativen Corona-Test nicht mehr in Hotels, Pensionen oder Ferienwohnungen übernachten. Einige Länder wehren sich allerdings dagegen. Doch auch in den Ländern, die das Papier umsetzen wollen, bestehen zum Teil große Unterschiede – und das trotz eines erneuten Treffens von Kanzlerin und Ministerpräsidenten am 14.10.2020. Inzwischen haben zahlreiche Gerichte das Beherbergungsverbot gekippt. Allerding hat das BVerfG hat einen Eilantrag gegen das Verbot als unzulässig abgelehnt. In Bayern und Sachsen gilt das Verbot seit dem 17.10.2020 nicht mehr. mehr … |
(ESV/bp)
Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht