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Nicht nur ein Schriftsteller, sondern auch Jurist, Komponist, Musikkritiker und Zeichner: E.T.A. Hoffmann (Bleistiftzeichnung von Wilhelm Hensel, 1821. Copyright: bpk / Kupferstichkabinett, SMB, Fotograf: Jörg P. Anders)
Neues aus der E.T.A.-Hoffmann-Forschung

E.T.A. Hoffmanns Leben und Werk im 200. Jubiläumsjahr

ESV-Redaktion Philologie
14.11.2022
Mit der Zeitumstellung Ende Oktober hat die Winterzeit Einzug gehalten, kürzere Tage und kühlere Nächte laden zwischen den goldenen Herbsttagen und der besinnlichen Weihnachtszeit zum Lesen ein. Geschichten, die Unheimliches und Fantastisches thematisieren, haben in dieser Jahreszeit Saison. Kaum ein literarisches Werk eignet sich hierfür als Lektüre besser als das E.T.A. Hoffmanns, dessen Tod sich in diesem Jahr zum 200. Mal jährt.
Geschichten wie Der Sandmann, Nussknacker und Mausekönig oder auch Der goldene Topf begeistern auch heute noch zahlreiche Leserinnen und Leser. Das Werk E.T.A. Hoffmans, das immer wieder den Einbruch des Unheimlichen im Alltag thematisiert, ist nach wie vor aktuell. In seine Erzählungen eingewoben sind künstliche Automaten, menschliche Tiere, Doppelgänger, Hypnose, magnetische Kräfte oder auch Zauberei – typische Elemente der Schauerliteratur.

Das E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch, das unser Verlag nun schon im 30. Jahrgang in vetrauensvoller Zusammenarbeit mit der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft publiziert, erscheint in diesem Monat. Auch wir feiern also ein Jubiläum. Lesen Sie hier einen Einblick in Hoffmanns Leben, Arbeit und sein erzählerisches Erbe:


Hoffmanns Leben: Die Wochentage Jurist, Autor bis in die späte Nacht

Der 1776 im heutigen Kaliningrad, damals Königsberg, geborene Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann (später Ernst Theodor Amadeus nach Mozart) ist bereits zu seinen Lebzeiten ein einflussreicher Musikkritiker, Jurist und nicht zuletzt auch Schriftsteller: Nach einem abgeschlossenen Jura-Studium ist Hoffmann zunächst als preußischer Staatsdiener und Beamter in Posen und später Warschau tätig. Nach Napoleons Sieg über Preußen erfolgt gezwungenermaßen ein Berufswechsel und E.T.A. Hoffmann findet eine Stelle als Kapellmeister, Theaterkomponist und Musiklehrer in Bamberg, später dann in Leipzig und Dresden. Nach Kriegsende kehrt er 1814 in den Staatsdienst zurück und wird in Berlin Kammergerichtsrat. Sein erstes Sammelwerk, die Fantasiestücke in Callots Manier, erscheint zur selben Zeit und ist der Beginn der literarischen Karriere Hoffmanns. Es folgen im Laufe der nächsten Jahre weitere Einzelerzählungen und Erzählsammlungen, unter anderem Die Serapionsbrüder 1819/20. Im Alter von 46 Jahren stirbt Hoffmann 1822 in Berlin an einer Atemlähmung.

Bereits in diesem kurzen Überblick über das Leben Hoffmanns zeigt sich, dass dieser sich keineswegs bloß als Schriftsteller betätigte, sondern seine künstlerischen Tätigkeiten stets neben seiner ‚Tagesarbeit‘, der Juristerei, existierte. So schreibt Hoffmann 1796 über sein enormes Arbeitspensum in einem Brief an Theodor Gottlieb Hippe: „Im Ernste geredet, die Wochentage bin ich Jurist, und höchstens etwas Musiker, sonntags, am Tage wird gezeichnet, und Abends bin ich ein sehr witziger Autor bis in die späte Nacht.“ Vielfalt, sowohl beruflich als auch in seinen Geschichten, durchzieht E.T.A. Hoffmanns Leben und Arbeit. Die von Hoffmann in seinen Erzählungen bearbeiteten Themen wie Ethik in der Wissenschaft oder die Beziehung von Mensch und Maschine bleiben dabei bis heute aktuell.

Hoffmanns Arbeit: International prägend bis heute

„Wie sehr E.T.A. Hoffmann […] auch heute noch international inspiriert, zeigen Kulturschaffende und Forscher•innen unterschiedlicher Disziplinen weltweit.“, schreibt Christine Schmitz in ihrer Einführung des Begleitbands zu der Unheimlich Fantastisch-Ausstellung (Unheimlich Fantastisch – E. T. A. Hoffmann 2022. Begleitbuch zur Ausstellung, S. 17) anlässlich des 200. Todestages Hoffmanns in diesem Jahr, die ebenfalls in Zusammenarbeit mit der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft zustande kam. Die seit Juli zunächst in Bamberg und Berlin, dann in Frankfurt laufende Ausstellung über Leben und Werk des ‚Grenzgängers‘ Hoffmann, wie Benjamin Schlodder ihn im Begleitband bezeichnet, bietet nicht nur einen Überblick über die diversen Tätigkeiten Hoffmanns in den Bereichen Musik, Literatur und Rechtswesen, sondern hebt auch dessen Bedeutung für die Romantik hervor: Figuren wie der Sandmann oder der Nussknacker prägen international die romantische Epoche und spätere, sich aus den fantastischen Vorstellungen der Romantik entwickelnde Werke. „Seine Art, mit Wahn und Wirklichkeit zu spielen, beeinflusste maßgeblich die Genres der Horror-, Psycho- und Science-Fiction-Filme von Alfred Hitchcook über David Lynch bis Tim Burton.“, so Schmitz weiter (ebd.). Typische Merkmale der Schwarzen Romantik durchziehen Hoffmanns Erzählungen: Elemente wie Nacht, Traum und Wahn sind charakteristisch; Hoffmann taucht ein in die Psyche seiner Figuren und nutzt, in der Vorwegnahme von Sigmund Freud, die unsichtbaren Kräfte zwischen Bewusstem und Unbewusstem als Ursprung des Unheimlichen für seine Erzählungen.


Lesen Sie für einen Überblick über die Fantastik auch:
Fantastik in Literatur und Film

von Ulf Abraham

Das Buch stellt erstmals in einer medien- und rezeptionsorientierten Perspektive Geschichte und Gegenwart des Fantastischen in der abendländischen Literatur dar.
Es bietet damit auf überschaubarem Raum eine Einführung, die im Unterschied zu vorliegenden Spezialstudien über einzelne fantastische Genres die Herkunft und Entwicklung fantastischer Motive und Traditionsstränge an breit gestreuten Schlüsseltexten vieler Genres umfasst. Der Schwerpunkt liegt auf Texten und Adaptionen, die im Unterricht sowie in der Lehrer/-innenausbildung vorkommen.

„Ein besonders vielschichtiges und informatives Buch!“ (In: www.derlehrerclub.de, 8.5.2015)


Neues aus der Hoffmann-Forschung

Am 2. November hat nun zwar die Ausstellung der Staatsbibliothek zum Leben und Werk des ‚Grenzgängers‘ geendet, sie ist aber vom 24. November bis zum 12. Februar 2023 noch im Deutschen Romantik-Museum in Frankfurt am Main zu besichtigen. Wir empfehlen Ihnen den Besuch dieser eindrücklichen Ausstellung.
 
Ans Herz legen möchten wir Ihnen auch das im Erich Schmidt Verlag erscheinende E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch, das herausgegeben wird von Claudia Liebrand, Harald Neumeyer und Thomas Wortmann. Im E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch erscheinen nun schon im 30. Jahrgang Untersuchungen und Arbeiten zu dessen literarischem Werk. Ein erster Einblick in den Artikel „Poetik des Unheimlichen in E.T.A. Hoffmanns Roman Die Elixiere des Teufels im Kontext des psychoanalytischen Diskurses“ von Irina Sergeeva-Chernykh, den sie hier finden, verspricht spannende Überlegungen und neue Ansätze.

Ob aus Interesse an Hoffmanns Autorschaft und dessen Werk oder der Lust auf eine tiefere Auseinandersetzung mit den Aspekten rund um das Unheimliche: Nehmen Sie gern das Jubiläums-Jahrbuch 30 der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft zur Hand.


Zu den Herausgebenden

Claudia Liebrand, Professorin an der Universität zu Köln am Institut für Deutsche Sprache und Literatur. Habilitation 1995 über E.T.A. Hoffmann. Publikationen zur europäischen Literatur des 18. bis 20. Jahrhunderts, zu Geschlechterdifferenz, Psychoanalyse und Film.

Harald Neumeyer, Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Universität Erlangen-Nürnberg. Lehr- und Forschungsschwerpunkte zu Franz Kafka, E.T.A. Hoffmann, Literatur und Wissenschaft zwischen 1700 und 2000.

Thomas Wortmann, Professor für neuere deutsche Literatur und qualitative Medienanalyse an der Universität Mannheim. Lehr- und Forschungsschwerpunkte zu Annette von Droste-Hülshoff, E.T.A. Hoffmann, Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts, Drama und Theater der Gegenwart, Gender Studies und zum Film.

E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch 2022

Herausgegeben von Claudia Liebrand, Harald Neumeyer, Thomas Wortmann

Der 30. Band des E.T.A. Hoffmann-Jahrbuchs beginnt mit einem Beitrag zum „Fräulein von Scuderi“, der eine innovative Perspektivierung auf die Cardillac’sche Urszene vorschlägt. Hoffmanns juristische Schriften und Streitvorgänge sowie deren Literarisierungen im „Meister Floh“ und den „Lebens-Ansichten des Katers Murr“ erschließt der folgende Beitrag unter Einbezug literar-juristischer Aspekte.
Weitere Aufsätze widmen sich der Rezeption E.T.A. Hoffmanns in China sowie einer psychoanalytischen Untersuchung der Poetik des Unheimlichen in den „Elixieren des Teufels“. Die „Elixiere des Teufels“ und der „Kater Murr“ geraten darüber hinaus in Bezug auf Handschriftlichkeit und deren Materialität in den Blick. Um frühromantische Einflüsse in Form des triadischen Geschichtsmodells von Novalis auf Hoffmanns Kindermärchen „Das fremde Kind“ geht es in einem weiteren Aufsatz. Es folgt ein Blick auf die Umschlagillustrationen der Erstausgabe des „Meister Floh“, der Text-Bild-Verhältnisse genau wie medienästhetische Elemente hervorhebt. Eine Untersuchung von Hoffmanns Rezeption und musikästhetischer Kritik des „Ismene“-Liedes, das im „Kater Murr“ Erwähnung findet, beschließt den Band.
Der Gesellschaftsteil dokumentiert Neuigkeiten aus der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft. Neben einem Überblick wichtiger Neuerscheinungen stehen Besprechungen rezenter Titel der Hoffmann- und Romantikforschung.

Programmbereich: Germanistik und Komparatistik