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EuGH: Der Rat in der Kolumne einer Zeitung haftet dem Druckwerk nicht unmittelbar an (Foto: zinkevych / stock.adobe.com)
EU-Produkthaftung

EuGH: Falscher Rat in Zeitung führt nicht zur verschuldensunabhängigen Produkthaftung

ESV-Redaktion Recht
11.06.2021
Kann eine Tageszeitung für fehlerhafte Gesundheitsempfehlungen unter dem Gesichtspunkt der verschuldensunabhängigen EU-Produkthaftung in Anspruch genommen werden? Nachdem der Generalanwalt am EuGH, Gerard Hogan, diese Frage im April 2021 verneinte, hat sich nun die Erste Kammer des EuGH dem Votum des Generalanwalts angeschlossen.
In dem Streitfall empfahl ein Pfarrer in einer Kolumne der Kronenzeitung in Österreich, Rheumaschmerzen mit einer Auflage aus geriebenem Meerrettich zu lindern. Allerdings hatte die Kolumne die Dauer der Auflage falsch wiedergegeben. Laut Kolumne sollte diese zwei bis fünf Stunden dauern. Korrekt wäre jedoch eine Dauer von zwei bis fünf Minuten gewesen.

Eine Leserin, die den veröffentlichten Rat befolgte, erlitt durch die im Meerrettich enthaltenen Senföle eine toxische Kontaktreaktion und verlangte dementsprechend Schadensersatz und zog schließlich bis zum EuGH.

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EuGH: Fehlerhafter Rat haftet der gedruckten Zeitung nicht unmittelbar an

Die Erste Kammer des EuGH meint, dass eine gedruckte Zeitung aufgrund der unrichtigen Gesundheitstipps nicht zu einem fehlerhaften Produkt im Sinne der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 wird. Die wesentlichen Überlegungen der Kammer: 

  • Empfehlung in Kolumne hat Dienstleistungscharakter: Der Rat in der Kolumne hat den Charakter einer Dienstleistung, weil dieser dem gedruckten Werk nicht unmittelbar anhaftet. Damit gehört auch die Kolumne nicht zu den Faktoren, die der gedruckten Zeitung innewohnen.
  • Richtlinie bezieht sich nicht auf Dienstleistungen: Die obige Richtlinie benennt keine Fehler, die durch eine Dienstleistung verursacht wurden.
  • Unterschiedliche Haftung von Dienstleistern und Hersteller von Endprodukten: Darüber hinaus betont die Kammer, dass die Haftung von Dienstleistern nicht der Haftung von Herstellern von Endprodukten gleichzusetzen ist. Mit Blick auf die Besonderheiten der Dienstleistungen sollten deren Haftungsfragen gesondert geregelt werden. Insoweit verweist der EuGH auf den Vorschlag der Kommission vom 9. November 1990 für eine Richtlinie des Rates über die Haftung bei Dienstleistungen (ABl. 1991, C 12, S. 8, 1990 KOM(90) 482 endg).

Aber – Haftung aus anderen Rechtsinstituten möglich

Allerdings stellte die Kammer auch ausdrücklich klar, dass nur die EU-Regelungen der verschuldensunabhängigen Produkthaftung nicht auf den Streitfall anwendbar sind.

Andere Haftungsregelungen, die etwa auf vertraglichen oder außervertraglichen Grundlagen beruhen, sind damit nicht ausgeschlossen. Hierzu zählt die Kammer auch die vertragliche Haftung für verdeckte Mängel oder gesetzliche Haftungsnormen, die ein Verschulden voraussetzen. Damit schlossen sich Luxemburger Richter im Wesentlichen dem Votum des Generalanwaltes vom 19.04.2021 an.

Quelle: PM des EuGH vom 10.06.2021 zum Urteil vom selben Tag – C-65/20

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Haftung hat Grenzen

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(ESV/bp)

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