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EuGH: Auch die Sperrung von Stränden kann Pauschalreisende zur Minderung des Reisepreises berechtigen (Foto: kebox / stock.adobe.com)
Reiseeinschränkungen nach staatlichen Coronamaßnahmen

EuGH stärkt Rechte von Pauschalreisenden

ESV-Redaktion Recht
30.01.2023
Wann haben Kunden, deren Pauschalreise durch staatliche Corona-Maßnahmen beeinträchtigt wurde, einen Anspruch auf Minderung des Reisepreises? Hierzu hat das LG München I den EuGH befragt, der aufschlussreiche Antworten lieferte.
 
In dem Streitfall hatten Personen bei dem Reiseveranstalter FTI eine zweiwöchige Pauschalreise nach Gran Canaria gebucht, die am 13.03.2020 beginnen sollte. Am 15.03.2023 erließen die spanischen Behörden dann für das ganze Land unter anderem folgende Maßnahmen zur Bekämpfung von Corona:  

  • Sperrung der Strände auf Gran Canaria
  • Ausgangssperre auf der Insel
  • Untersagung des Zugangs zu Pools und Liegen
  • Einstellung des Animationsprogramms
  • Aufenthalt nur im Hotelzimmer: Gäste durften dieses nur zu den Mahlzeiten verlassen.
Zudem erhielten die Kläger am 18. März 2020 eine Mitteilung, nach der sie sich bereithalten sollten, um ihr Urlaubsziel jederzeit verlassen zu können. Am übernächsten Tag mussten sie schließlich nach Deutschland zurückkehren. Nach ihrer Rückkehr machten die Kläger bei ihrer Reiseveranstalterin dann eine Reisepreisminderung von 70 % geltend.

Beklagte: Corona-Einschränkungen gehören zum allgemeinen Lebensrisiko

Die Beklagte lehnte die Minderung ab. Ihre Begründung: Die Einschränkungen der spanischen Behörden gehören zum allgemeinen Lebensrisiko. Hierfür habe ein Reiseveranstalter nicht einzustehen.

Daraufhin erhoben beiden Reisenden Klage vor dem AG München. Die Ausgangsinstanz schloss sich der Meinung der Beklagten an und wies die Klage ab. Hiergegen zogen die Kläger mit einer Berufung zum LG München I.

LG München I ruft EuGH an

Die Berufungsinstanz legte die Sache dem EuGH vor. Das LG bat den EuGH insbesondere um die Auslegung von Art. 14 Absatz 1 der Pauschalreiserichtlinie (EU-Richtlinie 2015/2302). Das Luxemburger Gericht sollte klären, ob ein Reisender den Preis auch dann mindern kann, wenn die Reiseleistungen durch staatliche Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung beeinträchtigt werden, auf die der Reiseveranstalter keinen Einfluss hat.

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EuGH: Reiseveranstalter haftet unabhängig von seinem eigenen Verschulden

Die Zweite Kammer des EuGH hat die Frage des Münchner Gerichts bejaht und damit die Rechte der Reisenden gestärkt. Die tragenden Erwägungen der Kammer:

  • Zur Haftung des Reiseveranstalters: Die benannte Richtlinie sieht bezüglich des Anspruchs auf die Preisminderung grundsätzlich eine verschuldensunabhängige Haftung des Reiseveranstalters vor.
  • Ausnahme: Etwas anderes gilt nur, wenn die Beeinträchtigung dem Reisenden zuzurechnen ist.
  • Einschränkungen am Wohnort unerheblich: Es kommt der Kammer zufolge auch nicht darauf an, ob am Wohnort des Reisenden vergleichbare Einschränkungen vorlagen.
  • Auch mittelbare Verpflichtungen werden erfasst: Minderungsansprüche sind aber nicht nur an den Leistungen zu messen, die sich ausdrücklich und unmittelbar aus dem Reisevertrag ergeben. Zum Fehlermaßstab gehören auch Reisezwecke, die nur mittelbar mit dem Vertrag zusammenhängen – indem diese sich zum Beispiel aus dem Reiseziel ergeben und nach Sinn und Zweck der Reise konkludent vorausgesetzt werden dürfen. Der Zweiten Kammer des EuGH zufolge sind insoweit auch Einschränkungen, wie die Sperrungen der Pools oder der Zugänge zu den Stränden zu berücksichtigen. Ebenso zählen hierzu ausgefallene Animationsprogramme oder nicht vorhandene Möglichkeiten zur Besichtigung der Insel.


Was die Entscheidung bedeutet

Das LG München I muss nun bewerten, ob die Minderung von 70 % des Reisepreises angesichts der oben benannten Einschränkungen angemessen ist. Auch für zahlreiche weitere vergleichbarer Verfahren, die vor den deutschen Gerichten noch anhängig sind, hat die EuGH-Entscheidung eine erhebliche Bedeutung.




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(ESV/bp)

Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht