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Pia Geisler (Foto: Geisler)
Nachgefragt bei: Pia Geisler, Absolventin Wirtschaftspsychologie an der International School of Management (ISM)

Geisler: „Positives Führungsverhalten begünstigt die Entwicklung von Mitarbeiter-Resilienz im Arbeitskontext“

ESV-Redaktion Arbeitsschutz
17.12.2020
Wie Führungskräfte das Resilienzerleben ihrer Mitarbeiter:innen stärken, erläutert Pia Geisler im Interview mit der ESV-Redaktion Arbeitsschutz.

Sie haben in Ihrer Abschlussarbeit den Zusammenhang zwischen Führungsqualität und Mitarbeiter-Resilienz untersucht. Was sind denn die Kriterien, anhand derer Sie von resilienten Mitarbeiter:innen sprechen?

Die Thesis baut auf dem Resilienz-Verständnis der jüngeren Resilienzforschung auf. Anders als zu Beginn der Resilienzforschung in den 1980er Jahren wird Resilienz heute nicht mehr als stabile intrapersonale Eigenschaft verstanden, sondern wird vielmehr als eine entwickelbare Fähigkeit angesehen. Zentral dabei ist, dass der individuelle Resilienzgrad nicht angeboren oder allein durch bestimmte in der Person liegende Faktoren bedingt wird, sondern sich auch durch Person-Umwelt-Interaktionen entwickelt.  Aus diesem Grund zeigt sich zuletzt auch im Arbeitskontext ein zunehmendes Interesse daran, wie Unternehmen das Resilienzerleben ihrer Mitarbeiter:innen stärken oder begünstigen können. In diesem Zusammenhang war es das Forschungsinteresse der Thesis zu untersuchen, ob Führung (im Speziellen sinnstiftende Führung) zur Gestaltung einer resilienzförderlichen Arbeitsumgebung beitragen kann.

Die Thesis basiert auf einer verhaltensnahen Konzeption von Resilienz. Die verhaltensbezogenen Ansätze argumentieren, dass die unterschiedlichen Definitionen in der Literatur Resilienz im Kern als die Fähigkeit beschreiben, sich an auftretende Widrigkeiten oder Herausforderungen positiv anzupassen und, im Idealfall, durch ihre erfolgreiche Bewältigung zu wachsen und sich weiterzuentwickeln. Daraus wird deutlich, dass bei Resilienz als eine adaptive Bewältigung konkrete Verhaltensweisen im Vordergrund stehen. Soucek et al. (2015) liefern eine verhaltensnahe Konzeption von Resilienz für den Arbeitskontext, die in der Thesis als Grundlage für die Operationalisierung von Mitarbeiter-Resilienz verwendet wurde. Nach Soucek et al. (2015) zeichnen sich resiliente Mitarbeiter neben personalen Ressourcen, wie Selbstwirksamkeit, Optimismus und Achtsamkeit, insbesondere durch die folgenden vier resilienten Verhaltensfacetten aus (Soucek et al., 2015, S. 10):
  1. Emotionale Bewältigung: Erfolgreicher Umgang mit den eigenen emotionalen Reaktionen (z.B. Ärger, Unruhe) auf Probleme, die bei der Arbeit auftreten.
  2. Umfassende Planung: Problemen bei der Arbeit wird mit einer umfassenden Planung und Abwägung verschiedener Lösungsmöglichkeiten begegnet.
  3. Positive Umdeutung: Auftretende Probleme bei der Arbeit werden als Möglichkeit begriffen, eigene Fähigkeiten einzubringen und weiterzuentwickeln.
  4. Fokussierte Umsetzung: Die Lösung von Problemen bei der Arbeit wird ausdauernd verfolgt und Ablenkungen wird widerstanden.

Pandemiebedingt ändern sich Arbeitsbedingungen und damit gezwungenermaßen auch Führungsrollen. Konnten Sie in Ihrer Befragung diesbezüglich coronabedingte Effekte ausmachen? Und wenn ja, welche Auswirkungen hatten diese?

Die Masterthesis hat keinen direkten Bezug zur Corona-Pandemie. Allerdings zeigt die Korrelationsanalyse, dass die sinnstiftenden Führungsverhaltensweisen am stärksten mit den resilienten Verhaltensweisen der Emotionalen Bewältigung und Positiven Umdeutung von Mitarbeitern am Arbeitsplatz positiv korrelieren. Ausgehend von diesem Ergebnis kann geschlussfolgert werden, dass die sinnstiftenden Führungsverhaltensweisen (s. Frage 3) im Kontext der Corona-Pandemie eine wichtige resilienzfördernde Wirkung haben können. Schließlich bedeutet die Corona-Pandemie für viele Mitarbeiter eine Intensivierung von emotionalen Belastungen und Unsicherheiten im Arbeitsalltag, weshalb die Emotionale Bewältigung und Positive Umdeutung bedeutsame Mitarbeiterverhaltensweisen darstellen dürften.

Was empfanden die Befragten Ihrer Untersuchung als gutes, unterstützendes Führungsverhalten? Welches Führungsverhalten fördert eine resiliente Entwicklung?

Die Thesis hat mittels einer quantitativen Fragebogenstudie gemessen, wie Mitarbeiter die sinnstiftende Führungsqualität ihrer direkten Führungskraft und zugleich ihre eigenen resilienten Verhaltensweisen am Arbeitsplatz wahrnehmen und bewerten.

Die verwendeten Instrumente:

Die resilienten Verhaltensweisen wurden durch den Fragebogen zur Erfassung resilienten Verhaltens bei der Arbeit von Soucek et al. (2015) erfasst. Die sinnstiftenden Führungsverhaltensweisen wurden durch den KAARMA-Fragebogen von Rose & Steger (2017) erfasst.

Das KAARMA-Akronym definiert sechs Führungsverhaltensweisen mit denen Führungskräfte das Sinnerleben ihrer Mitarbeiter begünstigen können:
  1. Klarheit: Die Führungskraft verdeutlicht ihren Mitarbeitern regelmäßig die Ziele ihres Tuns und die Ziele der Organisation.
  2.  Authentizität: Die Führungskraft verhält sich authentisch in ihrer Führungsrolle.
  3. Aktualisierung: Die Führungskraft kennt die Stärken ihrer Mitarbeiter und gestaltet die Aufgabenbereiche entsprechend.
  4. Respekt: Die Führungskraft behandelt ihre Mitarbeiter respektvoll.
  5. Mehrwert: Die Führungskraft verdeutlicht ihren Mitarbeitern, wie ihre Arbeit zum Erfolg des Gesamtsystems beiträgt.
  6. Autonomie: Die Führungskraft delegiert möglichst viele Entscheidungen an ihre Mitarbeiter.
Das Ergebnis der Korrelationsanalyse zeigt, dass der KAARMA-Index der Führungskraft signifikant positiv mit den vier resilienten Mitarbeiterverhaltensweisen (Emotionale Bewältigung, Umfassende Planung, Positive Umdeutung, Fokussierte Umsetzung) korreliert. Konkret bedeutet dies, dass je höher die Mitarbeiter die sinnstiftende KAARMA-Führungsqualität ihrer Führungskraft einstufen, desto höher bewerten sie auch ihre eigenen resilienten Verhaltensweisen am Arbeitsplatz. Ergänzend wurde durch eine einfaktorielle Varianzanalyse deutlich, dass es in Bezug auf den Grad der resilienten Mitarbeiterverhaltensweisen einen signifikanten Unterschied macht, ob die Führungskraft eine niedrige, durchschnittliche oder hohe sinnstiftende Führungsqualität leistet. Im Vergleich zu Mitarbeitern, die eine schwache oder durchschnittliche sinnstiftende Führungsqualität wahrnehmen, stufen die Mitarbeiter, die über eine hohe sinnstiftende Führungsqualität berichten, ihre eigenen resilienten Verhaltensweisen signifikant besser ein. Demzufolge kann geschlussfolgert werden, dass eine hohe sinnstiftende Führungsqualität wichtig ist, um eine positive resilienzfördernde Wirkung zu erzielen.

Ausgehend von diesen Ergebnissen können die sechs sinnstiftenden Führungsverhaltensweisen des KAARMA-Akronyms Klarheit, Authentizität, Aktualisierung, Respekt, Mehrwert und Autonomie insgesamt als ein positives Führungsverhalten zusammengefasst werden, das die Entwicklung von Mitarbeiter-Resilienz im Arbeitskontext begünstigt.

Was sind denn mögliche Maßnahmen, um Führungskräften durch den Rollenwechsel zu helfen?

Das KAARMA-Akronym definiert Führung mittels der sechs sinnstiftenden Führungsverhaltensweisen. Der Vorteil dabei ist, dass die Verhaltensebene konkrete Ansatzpunkte für Führungskräfteentwicklungsprogramme bietet. Schließlich kann Verhalten angeeignet, trainiert und gezielt weiterentwickelt werden. Dabei sollten die sechs Führungsverhaltensweisen Klarheit, Authentizität, Aktualisierung, Respekt, Mehrwert und Autonomie einen wichtigen Fokus bilden. Die regelmäßige Anwendung der beiden Fragebögen kann begleitend dabei helfen, die Fortschritte im Bereich der Führungsqualität und Mitarbeiter-Resilienz festzustellen und die Maßnahmen entsprechend anzupassen.

Ebenfalls können die sechs Führungsverhaltensweisen in Führungsleitlinien verankert werden und bieten somit das Potenzial, in kurzer prägnanter Form auf wichtige Führungseigenschaften hinzuweisen und regelmäßig in Erinnerung zu rufen.

Vielen Dank!

Quellen:
Rose, N., & Steger, M. F. (2017). Führung, die Sinn macht: Manager brauchen gutes KAARMA. OrganisationsEntwicklung, 4, 41-45.
Soucek, R., Pauls, N., Ziegler, M., & Schlett, C. (2015). Entwicklung eines Fragebogens zur Erfassung resilienten Verhaltens bei der Arbeit. Wirtschaftspsychologie, 17, 13-22.

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