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OVG Münster: RWE darf den Hambacher Forst vorerst nicht roden (Foto: Kruwt/Fotolia.com)
Umweltrecht

Hambacher Forst: Auf Basis welcher Argumente stoppte das OVG Münster die Rodung?

ESV-Redaktion Recht
08.10.2018
Am Hambacher Forst scheiden sich die Geister. Während der Energiekonzern RWE dort den Braunkohleabbau ausbauen möchte, leisten Gegner der Rodung heftigen Widerstand. Nun hat sich das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hierzu geäußert. Läutet die Entscheidung den Ausstieg aus der Kohleverstromung ein?
Die RWE Power AG – kurz RWE  – beabsichtigt,  den Hambacher Forst zu roden, um das Gebiet für ihren Braunkohletagebau zu erweitern. Hierzu wollte RWE in den kommenden Monaten mehr als die Hälfte des verbliebenen Waldes roden. Als zuständige Bergbehörde hatte die Bezirksregierung Arnsberg die sofortige Vollziehung des sogenannten Hauptbetriebsplans angeordnet. Dieser gilt vom 01.04.2018 bis zum 31.12.2020 und bildet für RWE die Grundlage, den Hambacher Forst roden zu dürfen.

BUND: Wald hat Qualitäten eines europäischen FFH-Schutzgebietes

Um dies zu verhindern, erhob der BUND NRW – kurz BUND – Klage gegen den Hauptbetriebsplan und beantragte in diesem Rahmen auch Eilrechtsschutz. Diesen Eilantrag lehnte das Verwaltungsgericht (VG) Köln ab. Gegen die Kölner Entscheidung wendete sich der BUND mit einer Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen, auch als OVG Münster bezeichnet. Die Beschwerde hatte das Ziel, die aufschiebende Wirkung der anhängigen Hauptsacheklage vor dem VG Köln wiederherzustellen. Der Kläger meint, dass der zu rodende Teil des Hambacher Forstes die Qualität eines sogenannten FFH-Schutzgebietes hat – unter anderem, weil dort die Bechsteinfledermaus vorkommt und wegen seines Lebensraumtyps.

FFH-Gebiete nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-RL)
  • Nach der FFH-RL (RL 92/43, ABl. 1992 Nr. L 206/7) soll ein ökologisches Netz von Schutzräumen geschaffen werden, in denen alles Erforderliche zur Erhaltung der Lebensräume und zur Vermeidung ihrer Verschlechterung getan werden muss.
  • Mehr zum FFH-Hintergrund finden Sie bei Rehbinder/Schink, Grundzüge des Umweltrechts, erschienen im Erich Schmidt Verlag, 5. Auflage 2018, Kapitel 2, Randnummer 146, sowie in den Kapiteln 5,6 und 11.

RWE: Rodung zwingend notwendig

Der Energieriese meint, dass die Rodungen „zwingend erforderlich“ seien. Eine zeitweise Aussetzung der Abholzung würde die Stromerzeugung in den Kraftwerken gefährden. Da der Konzern im vergangenen Jahr freiwillig verzichtet hatte, gebe es nun keinen zeitlichen Puffer mehr.

OVG Münster: Ausgang der Hauptsache völlig offen

Das OVG Münster hat die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt, „soweit der Hauptbetriebsplan in seinem südöstlichen bzw. südlichen Geltungsbereich Abgrabungen und die Anlegung einer ersten Sohle unter Inanspruchnahme des Hambacher Forstes zulässt", so das OVG. Im Klartext: 
  • RWE darf den Hambacher Forst solange nicht roden, bis das VG Köln über die Klage des BUND gegen den Hauptbetriebsplan entschieden hat.
  • Solange RWE die Waldflächen des Hambacher Forstes nicht in Anspruch nimmt, darf das Unternehmen im Tagebau Hambach weiter Braunkohle fördern.
Die Richter aus Münster stützen ihre Auffassung vor allem auf folgende Gründe:

Keine vollendeten Tatsachen durch Eilentscheidung

Das Hauptsacheverfahren, in dem die Rechtmäßigkeit des Hauptbetriebsplans nicht nur summarisch geprüft werden muss, ist vollkommen offen. Dem Richterspruch aus Münster zufolge ist vor allem zu klären, ob der Hambacher Forst als „potentielles FFH-Gebiet“ geschützt ist.

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Hambacher Forst als FFH-Gebiet?
  • In Bezug auf ein etwaiges FFH-Gebiet bezieht sich das OVG auf das Vorkommen der Bechsteinfledermaus bzw. des großen Mausohrs oder auf den Lebensraumtyps des dortigen Waldes – und dies, obwohl das Gebiet bisher nicht nach der FFH-RL an die EU-Kommission gemeldet wurde.
  • Die in diesem Rahmen stehenden überdurchschnittlich komplexen Tatsachen- und Rechtsfragen könnten im Eilverfahren nicht beantwortet werden. Dies machten die Richter aus Münster auch an dem Umfang der gewechselten Schriftsätze und Anlagen von mehreren hundert Seiten aus. Hinzu kämen noch einige Dutzend Kisten von Verwaltungsvorgängen.
Die sofortige Rodung der streitgegenständlichen Waldflächen würde somit vollendete Tatsachen schaffen, die nicht rückgängig gemacht werden könnten. Damit, so das OVG weiter, würde dem Kläger der Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren abgeschnitten.

Keine Darlegung einer konkreten Gefahr durch RWE und Bezirksregierung

Demgegenüber haben dem OVG zufolge weder die Bezirksregierung Arnsberg noch RWE substantiiert dargelegt, dass die sofortige Abholzung die Stromerzeugung gefährdet hätte oder auf sonstige Weise im Interesse des Gemeinwohls notwendig sei. Der Beschluss des OVG ist unanfechtbar.

Weitere Hinweise des Gerichts
  • Das aktuelle Klage- oder Hauptsacheverfahren des BUND, das beim VG Köln anhängig ist – AZ: 14 K 3037/18 – betrifft nur den Hauptbetriebsplan 01.04.2018 bis 31.12.2020.
  • Gegen den Hauptbetriebsplan 2015 bis 2017, der bis zum 31.03.2018 verlängert wurde, sowie gegen den 3. Rahmenbetriebsplan 2020 bis 2030 hatte der BUND ebenfalls geklagt. Diese Klage hatte das VG Köln abgewiesen.
  • Gegen diese Abweisung hat der BUND beim OVG Münster die Zulassung der Berufung beantragt. Darüber hinaus hat der BUND beim OVG beantragt, die aufschiebende Wirkung auch dieser Klage wiederherzustellen. Beide Anträge sind noch offen.

Quelle: PM des OVG Münster vom 05.10.2018 zum Bewchluss vom selben Tag – AZ: 11 B 1129/18.

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Was der Beschluss des OVG Münster bedeutet – von Assessor jur. Bernd Preiß, ESV-Redaktion Recht
  • Etappensieg für Rodungsgegner: Das OVG hat die Sache nur summarisch geprüft, weil es sich um ein Eilverfahren gehandelt hat. In der Hauptsache muss nun wieder das VG Köln entscheiden. Sachlich betraf die Entscheidung auch nur den Hauptbetriebsplan für den 01.04.2018 bis 31.12.2020. Bezüglich des Hauptbetriebsplans 2015 bis 2017 und des 3. Rahmenbetriebsplans 2020 bis 2030 hatte der BUND vor dem VG Köln verloren. Insoweit hat die Umweltorganisation allerdings die Zulassung der Berufung beantragt.  
  • FFH-Gebiet? Allerdings hat das OVG angedeutet, dass es sich bei dem Gelände um ein FFH-Gebiet handeln könnte. Sollte die EU-Kommission das Gebiet also in die entsprechende Liste aufnehmen, würde dies Erfolgsaussichten der Umweltschützer erheblich steigern. Ein entsprechender Antrag scheint der Kommission aber noch nicht vorzuliegen. 
  • Dennoch – kein guter Tag für RWE: Trotzdem kann die Entscheidung das Aus für die Rodung einleiten. Hierfür spricht vor allem der Zeitfaktor. Zwar geht der Konzern nach Medienberichten davon aus, dass er noch etwa ein Jahr weiter Braunkohle fördern kann, weil die aktuelle Abbruchkante des Tagebaus noch einige Hundert Meter vom Waldrand weg liegt. Auch hat das OVG Münster weitere Rodungen nur so lange untersagt, bis das VG Köln darüber entschieden hat, ob der Hambacher Forst abgeholzt werden darf. Eine endgültige erstinstanzliche Entscheidung kann sich aber bis Ende 2020 hinziehen und auch hier sind weitere Rechtsmittel – ggf. bis zum Bundesverwaltungsgericht – möglich. RWE plant daher, den Braunkohleabbau zunächst zu drosseln. 
  • Im Widerspruch – Klimaziele und Braukohleabbau: Zudem ist kaum nachzuvollziehen, warum angesichts des Umstandes, dass Deutschland seine Klimaziele wohl deutlich verfehlen wird, zum jetzigen Zeitpunkt noch weitere Braunkohlegebiete erschlossen werden sollen, zumal Braunkohle nicht als besonders energieeffizient gilt. 
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(ESV/bp)

Programmbereich: Umweltrecht und Umweltschutz