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Führen im Homeoffice: Ergebnisse kontrollieren statt Mitarbeiter (Foto: Thought Catalog/Unsplash)
Betriebliche Organisation

Homeoffice bricht mit antiquierten Arbeitsstrukturen

ESV-Redaktion Arbeitsschutz/IESE
26.01.2021
“Der Zwang zum Home Office bricht mit antiquierten Arbeitsstrukturen und verbessert sie dauerhaft.” Sebastian Reiche, Professor an der IESE Business School mit Campus in München, sieht “die Krise als eine riesige Chance, herauszufinden, welche Aufgaben auch in Zukunft besser online erledigt werden sollten”.
Durch die Ausbreitung des Coronavirus hätten noch nie so viele Menschen auf allen Ebenen ortsunabhängig gearbeitet. Der unternehmerische Erfolg hänge daher mehr denn je von der Effektivität virtueller Teams ab. Manager seien physisch, operativ und emotional von ihrem virtuellen Team und der Arbeit, die es leistet, weit entfernt. “Die Aufgabe besteht darin, diese Distanz zu überwinden, damit das Team funktioniert”, so Reiche, Chef des Managing People in Organisations Department der IESE Business School.

Die größte Herausforderung sei der Mangel an “Tiefenwahrnehmung”. “Leiten Sie ein Team von Tauchern und befinden sich gerade im Wasser, haben Sie ein gutes Gefühl für die Tiefe des Ozeans. Sind Sie aber oben auf dem Boot, fehlt Ihnen die Wahrnehmung. Das Gleiche gilt für Manager von virtuellen Teams.”

Die geographische Entfernung dürfe nicht “aus den Augen, aus dem Sinn” bedeuten. Die Forschung zu sozialen Netzwerken zeige, dass mit zunehmender Entfernung die Bereitschaft zum Netzwerken abnehme. Sei ein Team über die Zeitzonen hinweg verstreut sollten Zeiten für wöchentliche Meetings rotieren, um alle Teammitglieder einzubinden. “Der Manager eines virtuellen Teams muss auch nach Feierabend für seine Mitarbeiter da sein”, so IESE-Profesor Reiche.

Manager empfänden oftmals eine Form von Kontrollverlust und befürchteten, ihre Mitarbeiter würden online nicht so effizient arbeiten wie im Büro. Dies könne dazu führen, dass Manager gegenüber der Leistung ihrer Mitarbeiter voreingenommen seien. Umgekehrt sähen sich auch Mitarbeiter einer völlig veränderten Situation gegenüber mit allen Problemen, die das Arbeiten von zuhause aus mit sich bringe. “Klären Sie den Kommunikationsstil im Team, Videokonferenzen für die täglichen Besprechungen, aber Instant Messaging bei dringenden Aufgaben”, so IESE-Professor Reiche.
“Vertrauen Sie Ihrem Team. Kontrollieren Sie Ergebnisse statt Mitarbeiter. Wichtig ist, dass jemand seine Arbeit macht, nicht wo. Die alte Arbeitswelt mit Stechuhr und Großraumbüro gibt es nicht mehr, wer das nicht kapiert, wird nicht überleben”, so IESE-Professor Sebastian Reiche:

Der Manager benötige Geduld, Einfühlungsvermögen und Verständnis, wenn Arbeit und Privatleben der Teammitglieder immer mehr verschwimmen. Anstatt Mitarbeiter und Arbeitsprozesse kontrollieren zu wollen, sollten sich Manager auf eine outputbasierte Kontrolle konzentrieren. “Ich möchte, dass Sie x bis z liefern", diese Vorgabe sei gleich, ob nun im Büro oder in Fernarbeit. Homeoffice dürfe keine negative Auswirkungen auf die Produktivität haben. “Mitarbeiter bringen, wenn sie mehr Flexibilität erhalten, mehr persönliche Opfer für das Unternehmen. Überwachen Sie Mitarbeiter zu sehr, geht dieses zusätzliche Engagement verloren”.

Die Forschung belege, dass physische Isolation oftmals dazu führe, dass sich Teammitglieder nicht genug respektiert fühlten. Insbesondere extrovertierte Menschen litten kurzfristig stärker unter erlebter Einsamkeit. Das Potenzial für Missverständnisse sei in einer virtuellen Umgebung viel höher, da nonverbale Hinweise fehlten. Die emotionale und soziale Distanz zu überwinden, setze voraus, die Alltagsrealität der Kollegen zu kennen. Führungskräften rät Sebastian Reiche zu Einzelgesprächen. “Als Chef müssen Sie herausfinden, wie es jedem einzelnen Mitarbeiter geht. Bitten Sie Teammitglieder um virtuelle Führungen durch ihre Arbeitsräume, interessieren Sie sich für die Welt ihrer Teamkollegen”. Ein persönliches Arbeitsklima im Homeoffice sei besser als die virtuelle Umgebung für Videoanrufe so steril wie möglich zu gestalten. “Eine unvorhergesehene Unterbrechung, wenn eines der Kinder auf der Suche nach Mama oder Papa ins Homeoffice stürmt, ist nichts Schlimmes. Es vermittelt einen Teil des persönlichen Lebens, das ist menschlich, nicht peinlich”, so Sebastian Reiche.

Prof. Sebastian Reiche ist Professor of Managing People in Organizations der IESE Business School. 


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