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Gebäude wie die Klosterkirche Neuzelle sind kaum zu bewerten. (Foto: imohn/stock.adobe.com)
Gastbeitrag von Claus Koss (Regensburg)

Immobilienbewertung bei Stiftungen: Betriebswirtschaftliche, stiftungsrechtliche und gemeinnützigkeitsrechtliche Aspekte

Prof. Dr. Claus Koss, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in Regensburg
19.05.2020
Für rechtsfähige Stiftungen nach deutschem Recht bestimmt der Wert einer Immobilie in der Regel auch die Pflicht zur Kapitalerhaltung der Höhe nach. Bei steuerbegünstigten Stiftungen stellt sich die Frage, wie unentgeltlich erhaltene Immobilien zu bewerten sind?

Bei Immobilien, die schon sehr lange im Eigentum einer Stiftung stehen, ergibt sich zudem das Problem, dass die traditionellen Wertmaßstäbe für die Bewertung im 21. Jahrhundert unzureichend sind.

Immobilienkategorien für Stiftungen

In Anlehnung an R 4.2 Abs. 4 EStR und IAS 40.5 können die von Stiftungen gehaltenen Immobilien in drei Kategorien unterteilt werden:

  • Eigenbetrieblich genutzte Gebäudeteile werden von der Stiftung für eigene Zwecke genutzt. Hierzu gehören bei Stiftungen der Wohlfahrtspflege beispielsweise das Krankenhaus oder das Alten- und Pflegeheim. Aber auch Räume für die Verwaltung zählen zu den eigenbetrieblich genutzten Gebäudeteilen.
  • Fremdbetrieblich genutzte Gebäudeteile stehen zwar im (zivilrechtlichen) Eigentum der Stiftung, werden aber anderen Personen oder Körperschaften zur Nutzung überlassen. Zu denken ist hierbei beispielsweise an den Kindergarten, der in der Betriebsträgerschaft einer anderen gemeinnützigen Organisation steht. Gemeinnützigkeitsrechtlich wird es sich hierbei um die in § 58 Nr. 1 AO geregelten Fälle der Mittelüberlassung handeln.
  • Zu den als Finanzinvestition gehaltenen Immobilien (Investment Property, IAS 40) zählen Objekte, die (zu Marktpreisen) vermietet sind.

Bedeutung hat die Einordnung in eine der drei Kategorien für die (entsprechende) Anwendung der nachfolgend dargestellten betriebswirtschaftlichen Bewertungsmethoden. Während sich als Finanzinvestition gehaltene Immobilien in der Regel nach allgemeinen betriebswirtschaftlichen Grundsätzen bewerten lassen, werden bei eigenbetrieblich genutzten Gebäudeteilen die ideellen Zwecke bei der Bewertung einzubeziehen sein. 

Zu beachten ist, dass die Betriebswirtschaftslehre und dem folgend das Rechnungswesen Immobilien differenzierter betrachten als das Zivilrecht (vgl. § 905 Abs. 1 BGB).

Zum einen wird entsprechend der Nutzung und Funktion eines Gebäudes dieses in verschiedene Gebäudeteile als eigenständige Wirtschaftsgüter aufgeteilt (vgl. R.4.2 Abs. 2 EStR). Bedeutung hat diese Differenzierung für steuerbegünstigte Stiftungen insbesondere beim Wechsel zwischen den einzelnen Sphären. Beispiel: Die bisher als Gastwirtschaft genutzten Gebäudeteile (Betriebsvermögen beim wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb) werden umgebaut und als Wohnraum vermietet (Vermögensverwaltung). Durch die andere Nutzung werden diese Gebäudeteile dem Betriebsvermögen entnommen und in das ertragsbringende Vermögen eingelegt. Dadurch kann es zu einer Aufdeckung stiller Reserven kommen, da Entnahmen aus dem Betriebsvermögen mit dem Teilwert zu bewerten sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 2 KStG).

Autor
Prof. Dr. Claus Koss ist Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in Regensburg. Die von ihm als Gesellschafter-Geschäftsführer geführte Numera GmbH Steuerberatungsgesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist auf die Prüfung und Beratung steuerbegünstigter Körperschaften spezialisiert. Dr. Koss ist Mitglied im Arbeitskreis „Rechnungslegung und Prüfung von Non-Profit-Unternehmen“ des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW).

Betriebswirtschaftlich anerkannte Verfahren zur Immobilienbewertung

Zu den betriebswirtschaftlich anerkannten Verfahren zur Immobilienbewertung gehören:

  • Beim Vergleichswertverfahren (§§ 15,16 Immobilienwertermittlungsverordnung [ImmowertV] sowie Vergleichswertrichtlinie) wird der Wert der zu bewertenden Immobilie mit Werten vergleichbarer Immobilien verglichen. Voraussetzung ist, dass Lage und aufstehende Gebäude relativ homogen sind und genügend Vergleichspreise zur Verfügung stehen. Lehrbuchbeispiel für die Anwendung des Vergleichsverfahrens ist die Bewertung von Reihenhäusern. Hierbei werden die Werte mit denen vorausgegangener Veräußerungen verglichen.
  • Das Sachwertverfahren (§§ 21-23 Immobilienwertermittlungsverordnung [ImmoWertV] und Sachwertrichtlinie) wird für Objekte angewendet, bei denen die Eigennutzung im Vordergrund steht. Hierzu gehören etwa Burgen, Schlösser und Museen. Der Wert des Objekts wird dabei aus den Herstellungskosten ggf. abzüglich einer Alterswertminderung und einer pauschalierten Anpassung an Marktpreise sowie unter Berücksichtigung besonderer objektspezifischer Grundstücksmerkmale bewertet.
  • Das Ertragswertverfahren (§§ 17-20 Immobilienwertermittlungsverordnung [ImmoWertV] und Sachwertrichtlinie) ist bei Grundstücken anzuwenden, bei denen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr der dauerhaft erzielbare Ertrag für die Werteinschätzung am Markt im Vordergrund steht. Lehrbuchbeispiel hierfür sind Mietwohngrundstücke (Mehrfamilienhäuser). Der Ertragswert ergibt sich aus dem Barwert der Einzahlungsüberschüsse (im Wesentlichen Mieteinnahmen abzüglich Ausgaben). Für die im Zweckbetrieb steuerbegünstigter Stiftungen oft vorhandenen eigenbetrieblich genutzten Spezialimmobilien, etwa Krankenhäuser und stationäre Einrichtungen, ergibt sich regelmäßig die Problematik der Aufteilung der Einzahlungsüberschüsse aus dem operativen Geschäft und der eigengenutzten Immobilie.

Bei sehr alten Stiftungen besteht das Problem, dass sich Anschaffungs- und Herstellungskosten schon aufgrund des langen Zeitraums nicht oder nicht zuverlässig ermitteln bzw. hochrechnen lassen. So wurde die Kirche des Klosters Neuzelle in der Niederlausitz am 12. Oktober 1268 von Markgraf Heinrich dem Erlauchten gestiftet. Neben der Schwierigkeit der Ermittlung der ursprünglichen Kosten stellt sich die Frage, welche Kosten der Renovierung und Sanierung als Herstellungskosten zu berücksichtigen sind? Aufgrund der kirchlichen Widmung scheidet ein wie auch immer geartetes Ertragswertverfahren aus, da sich das Seelenheil einer betriebswirtschaftlichen Bewertung per definitionem entzieht. Bei den 1698 gegründeten Franckeschen Stiftungen in Halle (Saale) könnte für einzelne Gebäude möglicherweise eine Bewertung auf Grundlage der historischen Kosten erfolgen. Es stellt sich aber die Frage, ob diese aufgrund der historischen Entwicklung zu DDR-Zeiten noch Relevanz haben? Bei der Stiftung Bürgerspital zum Heiligen Geist in Würzburg (gegründet 1316) ließen sich Vergleichswerte anderer Spezial-Immobilien oder vergleichbarer Objekte in der Würzburger Innenstadt finden. Nach hier vertretener Auffassung sind auch vorsichtig ermittelte Zeitwerte bei Aufstellung einer Eröffnungsbilanz nach einem betriebswirtschaftlich anerkannten Bewertungsverfahren zu schätzen. Allein die Schwierigkeiten bei der Wertermittlung rechtfertigen es nach hier vertretener Auffassung nicht, die Immobilie mit dem Erinnerungswert (Pro-Memoria-Wert) von einem Euro/einer D-Mark/einer Mark zu bewerten. Denn die Pflicht zur Kapitalerhaltung betrifft auch und gerade unentgeltlich erworbene Immobilien. Bei der Bewertung mit einer Geldeinheit lässt sich der Nachweis der Kapitalerhaltung nicht führen.

Programmbereich: Management und Wirtschaft