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Imposante Filmkulisse: Das Kolosseum in Rom (Foto: Scaliger/Fotolia.com)
Nachgefragt bei: Prof. Dr. Andrea Grewe

„Italien gehört zu den bedeutendsten Filmkulturen der Welt“

ESV-Redaktion
23.07.2015
Die hohe Vielfalt und Bedeutung italienischer Filme wird nun erstmals in deutscher Sprache in einem Band vorgestellt. Wie sieht die Herausgeberin Prof. Dr. Andrea Grewe Vergangenheit und Zukunft des italienischen Films?
Wir kennen Don Camillo und Peppone, wir lieben Cinema Paradiso und wir sind beeindruckt von Luchino Viscontis Werk. Spiegelt das die Bandbreite des italienischen Films?

Andrea Grewe: Nein, sicher nicht. Erwähnen sollte man auf jeden Fall zunächst den "Neorealismus", den wichtigsten filmästhetischen Beitrag Italiens zur internationalen Filmgeschichte; sodann die vielen Regisseure, die sich nicht eindeutigen Kategorien zuordnen lassen, also Fellini, Antonioni, Pasolini, Bertolucci, Olmi, Ferreri, Moretti und viele andere. Dann aber auch Genres wie die „commedia all’italiana“, die mit bitterböser Komik den italienischen Weg zur Modernisierung reflektiert, den „Western“ und den „Horrorfilm“, zu deren Entwicklung der italienische Film einen wichtigen Beitrag geleistet hat. Und auch der politische Film darf nicht unerwähnt bleiben, der sich heute, aber auch in der Vergangenheit, mit den jeweils aktuellen sozialen Problemen und heiklen politischen Fragen beschäftigt. Als Beispiele unter vielen seien nur genannt Le mani sulla città von Francesco Rosi und Gomorra von Matteo Garrone, die die Mafia thematisieren, oder Lamerica von Gianni Amelio, der das Problem der Migration behandelt.

Die Verfilmung der Geschichten von Don Camillo und Peppone, die Sie eingangs erwähnen und die für viele Generationen das Bild Italiens im Ausland geprägt hat, ist übrigens keine rein italienische Schöpfung gewesen. Die ersten beiden Filme der erfolgreichen Reihe wurden vom französischen Regisseur Jules Duvivier gedreht.

Dies alles liegt aber in der Vergangenheit. Geht es den italienischen Filmemachern wie den italienischen Autobauern: Sie werden nur noch am Rande wahrgenommen?

Andrea Grewe: 1999 hat Roberto Benigni für Das Leben ist schön nicht weniger als drei Oscars erhalten, und 2014 ist Paolo Sorrentino für seinen Film La grande bellezza mit dem Oscar für den besten ausländischen Film ausgezeichnet worden. 2008 hat Matteo Garrone für Gomorra in Cannes die Goldene Palme bekommen. 2012 wurde Cäsar muss sterben der Brüder Taviani in Berlin mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. Diese internationalen Auszeichnungen zeigen, dass der italienische Film auch in den vergangenen 15 Jahren im internationalen Kino mitspielt und keinesfalls nur eine Rolle am Rande hat.

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Wodurch haben Sie – ganz persönlich – zum italienischen Film gefunden?

Andrea Grewe: Italienische Filme bieten eine hervorragende Möglichkeit, Studierenden der Italianistik das Land, seine Kultur, Geschichte und Sprache näher zu bringen. Das war für mich der Anlass, mich systematisch mit dem italienischen Film zu beschäftigen.

Nach welchen Kriterien wurde das von Ihnen herausgegebene Buch "Italienische Filme des 20. Jahrhunderts in Einzeldarstellungen" zusammengestellt?

Andrea Grewe: Italien gehört zu den bedeutendsten Filmkulturen der Welt. Es war daher ungeheuer schwierig, aus der Vielfalt der Meisterwerke eine repräsentative Auswahl zu treffen. Wir haben versucht, die großen Regisseure des Neorealismus und des Autorenkinos vorzustellen, aber auch die für Italien charakteristischen Filmgattungen wie die „commedia all’italiana“ oder den „Spaghetti-Western“ zu berücksichtigen, und haben dabei besonderes Gewicht auf jene Filme gelegt, die auch international besonders rezipiert worden sind und Aufschluss über die gesellschaftliche Realität Italiens und seine nationale Identität geben.

Uns ist gleichwohl bewusst, dass jede Auswahl letztlich Ergebnis von Kompromissen ist und oft schmerzliche Auslassungen aufweist.

Können Sie bei solch enger Verbundenheit und Kenntnis einen italienischen Regisseur besonders hervorheben?

Andrea Grewe: Einer meiner Lieblingsregisseure ist und bleibt Luchino Visconti.

Glauben Sie an eine Renaissance des italienischen Kinos? Oder hat es bereits jetzt Stärken und Besonderheiten, die uns in Deutschland nicht so bewusst sind?

Andrea Grewe: Es gibt eine sehr interessante Generation jüngerer Filmemacher, die mittlerweile international anerkannt und auch in Deutschland durchaus erfolgreich sind, also Garrone, Sorrentino, Virzì. Aber es gibt auch noch immer viel zu entdecken, z. B. Autoren wie Giorgio Diritti, Alice Rohrwacher, Pierfrancesco Diliberto und viele andere. (ESV/lp,map)

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Zur Person
Dr. Andrea Grewe ist Professorin für italienische und französische Literatur- und Kulturwissenschaft an der Universität Osnabrück. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte liegen in der Frühen Neuzeit und im 20. Jahrhundert. Sie hat verschiedene Publikationen zum italienischen und französischen Film veröffentlicht.

Das Buch
Der Band „Italienische Filme des 20. Jahrhunderts in Einzeldarstellungen“, herausgegeben von Andrea Grewe und Giovanni di Stefano, ist Mitte Juli 2015 im Erich Schmidt Verlag erschienen.




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