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Kammergericht: Vermieter darf dem Mieter Räumungsverkauf nicht untersagen (Foto: Gina Sanders/Fotolia.com)
Gewerberaummietrecht

Kammergericht: Räumungsverkauf trotz Streit um Mietverhältnis zulässig

ESV-Redaktion Recht
06.11.2017
Darf die Mieterin von Einkaufsflächen einen Räumungsverkauf durchführen, wenn sie mit dem Vermieter um das Bestehen eines Mietvertrages streitet? Diese Frage hatte das Landgericht (LG) Berlin im August 2017 verneint. In einem aktuellen Urteil hat nun das Kammergericht (KG) Berlin hierüber entschieden.
In dem betreffenden Fall leitete die Vermieterin von Einkaufsflächen in einem Neuköllner Einkaufszentrum vor dem LG Berlin ein Eilverfahren gegen die Mieterin ein. Grund hierfür ist ein Streit darüber, ob ein wirksamer Mietvertrag zwischen den Parteien besteht. Nach Auffassung der Mieterin ist das Mietverhältnis beendet. Daher führt sie einen Räumungsverkauf auf der Mietfläche mit dem Hinweis „Wir schließen” durch.

Die Mieterin betreibt ihr Kaufhaus in dem Einkaufszentrum mit einer Mietfläche etwa 13.600 Quadratmetern seit Frühjahr 2000. Grundlage hierfür ist ein damals vereinbarter Mietvertrag. Dieser Vertrag sollte zum 01.05.2017 enden.

Aufgrund eines Nachtrags zu diesem Hauptmietvertrag sollte Vermieterin das Objekt dann umfangreich umbauen und den Flächen einen neuen Zuschnitt geben. Anschließend hätte die Mietfläche nur noch etwa 7.500 Quadratmeter betragen. Die Arbeiten hierzu sollten Anfang 2016 beginnen und höchstens zwölf Monate dauern. Für die restliche Teilfläche war die Vermietung an ein Bekleidungsgeschäft vorgesehen.

Darüber hinaus schlossen die Parteien einen neuen Mietvertrag ab. Dieser sollte aber erst nach Abschluss des Umbaus in Kraft treten und eine feste Laufzeit von zehn Jahren haben.

Die Teilfläche konnte die Vermieterin jedoch erst im April 2016 an das Bekleidungsfachgeschäft vermieten. Auch mit dem Umbau hatte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen. Im Mai 2017 fand noch eine Baubesprechung statt. An dieser hatte auch der Bevollmächtigte der Mieterin teilgenommen.

Die Vermieterin erstellte anschließend einen weiteren Nachtragsentwurf zum Hauptmietvertrag. Demzufolge sollte der Umbau erst zum 01.01.2017 beginnen und ungefähr 14,5 Monate dauern. Hiermit war Mieterin jedoch nicht einverstanden. Sie setzte der Vermieterin daher eine Frist, die Umbauarbeiten bis spätestens 30.06.2017 abzuschließen. Im Juli und August 2017 kündigte die Mieterin den Mietvertrag zudem mehrfach fristlos. Hierbei rügte sie auch verschiedene Beeinträchtigungen durch die Umbauarbeiten, die inzwischen begonnen hatten. Ab Juli 2017 führte die Mieterin ihren Räumungsverkauf durch.

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LG Berlin: Räumungsverkauf unzulässig

Das Landgericht Berlin war der Auffassung, dass der Mietvertrag zwischen den Parteien stillschweigend fortgesetzt worden wäre. Zudem habe die Mieterin auch noch an einer Baubesprechung teilgenommen. Gründe für eine fristlose Kündigung gab es dem LG zufolge daher nicht. Daher, so das LG, könne die Vermieterin der Mieterin den Räumungsverkauf untersagen.

KG: Räumungsverkauf darf nicht untersagt werden

Dieser Auffassung widersprach das Kammergericht (KG). Das KG geht davon aus, dass der Hauptmietvertrag unstreitig bereits zum 01.05.2017 beendet wurde. Zudem konnte das Verhalten der Mieterin nicht den Eindruck erwecken, dass sie den Hauptmietvertrag stillschweigend auf unbestimmte Zeit fortsetzen wollte.

Keine stillschweigende Verlängerung des Hauptmietvertrages
  • Zwar sei die Mieterin auch nach Ende des Hauptmietvertrages noch mindesten zwei Monate in dem Mietobjekt verblieben. Dieser Zeitraum ist dem KG zufolge aber zu kurz, um von einer stillschweigenden Verlängerung des Hauptmietvertrages auszugehen. Zudem habe die Mieterin die Vermieterin mehrfach aufgefordert, die Umbauarbeiten zum 30.06.2017 fertig zu stellen.
  • Auch aus dem Umstand, dass die Mieterin im Mai 2017 noch an Baubesprechungen teilgenommen und Arbeiten von Handwerkern auf ihren Mietflächen geduldet hat, hätte die Vermieterin nicht auf einen Willen schließen dürfen, den Vertrag fortzusetzen.
Entscheidung über Anschlussmietvertrag offen

Ob die Mieterin den Anschlussmietvertrag, der nach Abschluss der Umbauarbeiten in Kraft treten sollte, wirksam außerordentlich gekündigt hat, ließ das KG offen. Danach ist die Mieterin also nicht verpflichtet, die Einkaufsflächen dauerhaft offenzuhalten. Das Gericht hat die Revision nicht zugelassen.

Quellen:
  • PM des KG Berlin vom 16.10.2017 zum Urteil vom selben Tag – AZ: 8 U 135/17 
  • PM des LG Berlin vom 30.08.2017 zum Urteil vom 16.08.2017 – AZ: 104 O 60/17
Was aus der Entscheidung folgt
  • Offen bleibt der genaue Rechtsgrund, aus dem die Vermieterin die Untersagung des Räumungsverkaufs herleiten will. Grundsätzlich dürfte es dem nämlich dem Mieter überlassen bleiben, ob und wie er das Mietobjekt konkret nutzt, und zwar auch dann, wenn der Vertrag nicht gekündigt ist. 
  • Der Untersagungsanspruch kann aber ausdrücklich aus dem Mietvertrag ergeben.
  • Sollte diese Frage dort nicht konkret geregelt sein, kann sich ein solcher Anspruch auch aus einer vertraglichen Nebenpflicht in Form von besonderen Rücksichtnahmepflichten ergeben.
  • Trotz des KG-Urteils sollte der Mieter von Gewerbräumen also nicht voreilig derartige Räumungsverkäufe durchführen. Dies gilt zumindest bis zur Veröffentlichung der Entscheidung im Volltext.

Raum für rechtssichere Entscheidungen

Autor: Dr. Rainer Burbulla, Rechtsanwalt in Düsseldorf

Das Gewerberaummietrecht ist stark von der Rechtsprechung geprägt und hat sich in jüngerer Zeit zunehmend zu einer Spezialmaterie entwickelt. Für Praktiker ist es daher eine Herausforderung, sich schnell in die komplexe Materie einzuarbeiten und auf den aktuellen Stand zu bringen.

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  • Allgemeine Geschäftsbedingungen
  • Störung der Geschäftsgrundlage
  • Miete und Miethöhe
  • Neben- und Betriebskosten
  • Betriebspflichten
  • Beendigung und Abwicklung des Mietverhältnisses

(ESV/bp)

Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht