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KG Berlin: Auch für Strom, der durch die Manipulation von Messeinrichtungen entnommen wird, muss der Stromlieferant ein Nutzungsentgelt an den Netzbetreiber zahlen (Foto: Ilia Shcherbakov / stock.adobe.com)
Stromdiebstahl bei all-inclusive-Stromlieferungsvertrag

KG Berlin: Anspruch auf Netzentgelt auch bei „Stromdiebstahl“

ESV-Redaktion Recht
11.08.2021
Wer einen Stromzähler manipuliert, um Strom zu entnehmen, macht sich strafbar. Selbstverständlich muss der Kunde das Entgelt für den „geklauten“ Strom an den Stromlieferanten bezahlen. Kann aber auch der Netzbetreiber vom Stromlieferanten bei illegaler Entnahme durch Dritte ein Nutzungsentgelt verlangen? Mit dieser Frage musste sich das KG in Berlin jüngst beschäftigen.

Wenn schon, denn schon: Stromdiebstahl zum Betreiben einer Cannabis-Plantage

Um beim Anbau von Cannabis Kosten zu sparen, die beim Betrieb von Beleuchtungs-, Belüftungs- und Bewässerungseinrichtungen anfallen, baute der Kunde eines „all-inclusive-Stromlieferungsvertrags“ eine Vorrichtung, mit der er den Strom entnehmen konnte, ohne dass der Verbrauch erfasst wurde.
 
Den all-inclusive-Stromlieferungsvertrag hatte der Kunde mit der Beklagten, einer Stromlieferantin aus Süddeutschland, geschlossen, die ihn vom 1. April 2014 bis zum 7.Juli 2015 mit Strom belieferte. Den Strom bezog die Beklagte wiederum auf Grundlage eines Lieferantenrahmenvertrags mit der Klägerin, einer Versorgungsnetzbetreiberin in Berlin.

Umstritten war nun, ob die Klägerin als Versorgungsnetzbetreiberin von der Beklagten ein Netznutzungsentgelt im Umfang des Stromdiebstahls verlangen kann.
 

Klägerin: Zahlungsanspruch gegen Stromlieferanten auf Netzentgelt trotz Manipulation der Anlage

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die beklagte Stromlieferantin auch die Netznutzungsentgelte zahlen muss, die in der Zeit angefallen sind, in der die Anlage manipuliert war. Demnach steht der Stromdiebstahl durch den Kunden dem Zahlungsanspruch nicht entgegen, weil die Netzbetreiberin ihre vertraglichen Pflichten erfüllt hat. Diese habe insbesondere die erforderlichen Messeinrichtungen zur Verfügung gestellt und diese betrieben, so die weitere Argumentation der Klägerin. Dass der Kunde der Beklagten die Messeinrichtung durch Manipulation der Zähleranlage umgangen hat, habe sie nicht zu verantworten.
 

Beklagte: „Stromdiebstahl“ schließt Zahlungsanspruch aus

Demgegenüber ist die Belagte der Ansicht, dass sie für die angefallenen Netzentgelte nicht einstehen muss. Die tatsächlichen Stromverbräuche für den Betrieb der Cannabis-Plantage seien nicht mehr dem Bereich zuzuordnen, den die Klägerin der Beklagten eröffnet hat. Durch die Manipulation der Zähleranlage wurde vielmehr eine neue, separate Stromversorgung geschaffen, die sich nicht mehr im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen mit der Klägerin bewegt, so die Beklagte.
 
Hilfsweise macht sie Schadensersatz gegen die Klägerin wegen der Verletzung einer Nebenpflicht geltend. Nach Ansicht der Beklagten hätte die Klägerin die Manipulation der Anlage bei einem Zählerwechsel im September 2014 erkennen können und müssen.

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KG Berlin: Netzentgelte auch bei „Stromdiebstahl“

Nachdem die Klägerin in der ersten Instanz vor dem LG Berlin unterlag, gab die Berufungsinstanz – das KG in Berlin – der Klägerin Recht und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von Netznutzungsentgelten in Höhe von knapp 100.000 Euro. Die wesentlichen Überlegungen des KG: 

  • Netzbetreiberin hat vertragliche Pflichten gegenüber Stromlieferantin erfüllt: Auch im Umfang eines „Stromdiebstahl“ stehen der Klägerin die geltend gemachten Netzentgelte zu. Denn die Klägerin hat den Kunden der Beklagten – den Betreiber der Cannabis-Plantage – an dessen Entnahmestelle trotz der Manipulation der Anlage mit Strom beliefert. Sie hat einen Netzzugang im Sinne des § 20 EnWG gewährt und somit ihre vertraglichen Pflichten gegenüber der Beklagten erfüllt.
  • Stromdiebstahl außerhalb des Verantwortungsbereichs der Netzbetreiberin: Entscheidend ist nach Ansicht des Gerichts, dass die Manipulation der Anlage außerhalb des Eigentumsbereichs der Klägerin stattgefunden hat. Die manipulierte Leitung, mit der die Cannabis-Plantage versorgt wurde, gehörte daher gerade nicht mehr zum Verteilernetz der Klägerin, sondern ist der Entnahmestelle zuzurechnen, die die Beklagte beliefert hat. Die Folge: Auch für die rechtswidrig entnommenen Strommengen fallen Netzentgelte an, weil auch die illegale Entnahme im Verhältnis der Netzbetreiberin zur Lieferantin als vertragliche Leistung anzusehen ist, so die Berliner Richter hierzu.
  • Höhe der Entgelte durch Schätzung: Die Höhe des zu zahlenden Netznutzungsentgeltes bestimmt sich dabei nach dem maßgeblichen Verbrauch des Kunden, den das KG durch eine Schätzung ermittelt hat.
  • Keine Nebenpflichtverletzung der Klägerin: Auch der von der Beklagten geltend gemachte Schadensersatzanspruch steht dem nicht entgegen, wie das Gericht abschließend meint. Eine Nebenpflichtverletzung der Klägerin in der Gestalt, dass sie die Manipulation bereits bei einer Kontrolle des Zählerstandes hätte erkennen können, war dem KG zufolge nicht nachweisbar.
Quelle: Urteil des KG Berlin vom 12.07.2021 - 2 U 48/18.EnWG



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(ESV/mb/bp)

Programmbereich: Energierecht