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Corinna Koch: Professorin für Romanistische Fachdidaktik an der WWU Münster (Foto: WWU Janna Knieriemen)
Nachgefragt bei: Professorin Dr. Corinna Koch

Koch: „Fachdidaktik ist eine angewandte Wissenschaft“

ESV-Redaktion Philologie
21.02.2020
Spanisch ist neben Englisch die am meisten gesprochene Sprache in der internationalen Kommunikation. Da verwundert es nicht, dass immer mehr Schülerinnen und Schüler an deutschen Gymnasien Spanisch als zweite Fremdsprache wählen.
Doch aufgepasst: Wer denkt, Spanisch könne man nebenbei lernen, wird schnell das Nachsehen haben. Um Spaß beim Erlernen einer modernen und lebendigen Fremdsprache zu haben, muss man auch hier Vokabeln büffeln und die Grammatik beherrschen – und natürlich muss der Unterricht gut sein. Im Interview antwortet Frau Professorin Dr. Corinna Koch, Autorin des Buches „Einführung in die Fachdidaktik Spanisch“, auf Fragen rund um wissenschaftliche Sichtweisen auf den Spanischunterricht.

Liebe Frau Koch, was macht aus Ihrer Sicht das Spanische zu einer leicht oder vielleicht doch nicht so leicht – wie viele denken – zu lernenden Sprache?


Corinna Koch: Auf den ersten Blick scheint Spanisch eine leichtere Sprache zu sein als beispielweise Französisch, weil man Spanisch eher so spricht, wie man es schreibt. Auch das Spanische hält jedoch in Sachen Aussprache einige Herausforderungen für deutsche Lernende bereit! Zudem stellen Lernende anhand des komplexen Zeitensystems sowie der ungewohnten Bildung und Verwendung von subjuntivo und imperativo meist zügig fest, dass es auch das Spanische in sich hat. Das sind keine Hürden, die nicht überwunden werden können, aber Werbung für Spanisch als ‚einfache‘ Sprache zu machen, halte ich für irreführend. Da ist Enttäuschung vorprogrammiert.

Was sind die wichtigsten Aufgaben der Fachdidaktik? Wie sehen Sie das Verhältnis von Fachdidaktik und Unterricht?

Corinna Koch
: Die wissenschaftliche Disziplin der Fachdidaktik hat im Prinzip eine dreifache Funktion: Sie analysiert, wie Fachunterricht tatsächlich erfolgt, sie begründet, wie er ablaufen sollte, und sie macht konkrete Vorschläge zur entsprechenden Umsetzung. Diese drei Felder zeigen bereits, dass die Fachdidaktik breit aufgestellt sein muss. Daher halte ich sowohl empirische Forschung als auch das Unterbreiten neuer Konzepte und Modelle für essentiell. Ebenso ist es wichtig, einerseits die klare Abgrenzung zur alltäglichen Schulpraxis durch den wissenschaftlichen Anspruch zu berücksichtigen, andererseits aber nicht zu vergessen, dass Fachdidaktik eine angewandte Wissenschaft ist, die stets im engen Kontakt zum tatsächlichen Unterricht stehen sollte.

Profitiert die gegenwärtige Unterrichtspraxis bereits von neueren theoretischen bzw. wissenschaftlichen Erkenntnissen oder besteht dort Ihres Erachtens noch Nachholbedarf?

Corinna Koch
: Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es immer Dinge, die man in der Unterrichtspraxis gerne anders sehen würde. Das wird auch nie anders sein und liegt in der Natur der Sache, dass die Wissenschaft – im Idealfall – immer bereits einen Schritt weiterdenkt. Meinem Empfinden nach wird aber teilweise zu ‚schwarz gemalt‘. Viele neue Entwicklungen kommen in heutiger Zeit vergleichsweise zügig in der Schulpraxis an, indem sie z. B. in Bildungsstandards und Lehrpläne eingehen, deren Umsetzung dann verpflichtend ist.
Nichtsdestotrotz gebe ich zu, dass bezüglich der fremdsprachenbezogenen Bildungsstandards für die Sekundarstufe I von 2003/2004 in der Tat ‚so langsam‘ eine Aktualisierung wünschenswert wäre. Hier sind die länderspezifischen Lehrplanerneuerungen meist schneller – so auch jetzt in Nordrhein-Westfalen. Auch die immer schneller neu erscheinenden Lehrbuchgenerationen bilden hierbei einen wichtigen Impuls, denn sie ‚zwingen‘ Lehrkräfte, sich mit neuen Trends zu beschäftigen.

Auszug aus: „Einführung in die Fachdidaktik Spanisch“ 07.02.2020
Neues Studienbuch zur Fachdidaktik Spanisch
Die vielfältigen Elemente um den Sprachunterricht erscheinen anfangs mitunter unüberschaubar, insbesondere zu Beginn der Tätigkeit als Lehrkraft. Die „Einführung in die Fachdidaktik Spanisch“ bietet eine gute Hilfe für Berufsanfängerinnen und -anfänger, um bei der Vorbereitung des Unterrichts den Überblick zu behalten. mehr …

Die Lehreraus- und -fortbildung hat darüber hinaus eine zentrale Funktion. Angehende Lehrkräfte, die in ihrer fachdidaktischen Ausbildung an der Universität von dem Potenzial neuer Ansätze überzeugt worden sind, können diese als Multiplikatoren auch in die Unterrichtspraxis bringen. Lehrkräfte, die schon länger im Berufsleben stehen, können sich durch Fortbildungen auf dem Laufenden halten. Wichtig erscheint mir somit auch hier, ständig im Dialog zu bleiben und dabei auch zu sehen, dass die konkrete Schulpraxis uns auf der wissenschaftlichen Seite aufzeigt, was tatsächlich machbar und erfolgreich ist und was nicht.

Was halten Sie für die wichtigste Grundlage für gelingenden Spanischunterricht?

Corinna Koch
: Entscheidend ist es, die individuellen Lernenden genau im Blick zu haben, d. h. ständig zu schauen, wo sie gerade stehen, und nach Ursachen zu suchen, warum sie z. B. in bestimmten Bereichen noch Schwierigkeiten haben. Nur darauf kann eine sinnvolle individuelle Förderung aufbauen. Ob ein Spanischunterricht als ‚gelungen‘ bezeichnet werden kann, hängt zudem von den Lernzielen ab. Ich finde es wichtig, Lernenden zu vermitteln, dass die Ziele vielfältig sind: Es geht sowohl darum, sich mit seinen begrenzten sprachlichen Mitteln verständigen zu können, als auch das eigene Sprachniveau stetig zu verbessern und das fordert auch in Zeiten der Kommunikationsorientierung noch ‚harte‘ Wortschatz- und Grammatikarbeit.

Zudem geht es im Spanischunterricht immer auch um kulturelle Interaktion: Lernenden zu vermitteln, dass es nicht DIE eigene und DIE fremde Kultur gibt, ist dabei zentral. Nicht zuletzt ist Motivation für mich entscheidend. Lernende langfristig für den aufwändigen Lernprozess begeistern zu können, ist eine Grundvoraussetzung für erfolgreiches Sprachenlernen.

Zeichnen sich aktuelle Trends oder Herausforderungen in der Spanischdidaktik ab – vielleicht auch im Unterschied zur didaktischen Entwicklung in anderen Fächern?

Corinna Koch
: Zwei zentrale aktuelle Herausforderungen, die derzeit alle Fächer auf wissenschaftlicher wie schulpraktischer Ebene beschäftigen, sind sicherlich (nach wie vor) der Umgang mit Heterogenität und der Einsatz Neuer Medien. Lehrende des Faches Spanisch müssen die Bedeutung der fachrelevanten individuellen Vorkenntnisse, Fähigkeiten, Interessen etc. der einzelnen Lernenden stets im Bewusstsein haben, um zielgerichteten Spanischunterricht machen zu können. Inklusion im weitesten Sinne verstehe ich daher als ein Abschiednehmen von der Idee sogenannter ‚Regelschülerinnen und -schüler‘ und die Hinwendung zu einer Betrachtung, die alle Lernenden als Individuen begreift.
Bezüglich Neuer Medien gilt es nach wie vor auszuloten, was die einzelnen Fächer zum einen zur Ausbildung von Medienkompetenz sinnvoll beitragen können, weil es sich mit den fachlichen Zielen verbinden lässt, und zum anderen, aber damit eng verbunden, an welchen Stellen der Einsatz Neuer Medien den Fremdsprachenunterricht bereichern kann. Der Unterschiedlichkeit der Fächer entsprechend kann und sollte Sprachunterricht dabei etwas Anderes leisten und benötigt Anderes als beispielsweise der Mathematik- oder Informatikunterricht.

Spanisch: eine plurizentrische Sprache

Eine fachspezifische Herausforderung des Faches Spanisch liegt aus meiner Sicht im Umgang mit Varietäten. Immer wieder komme ich mit Lehrkräften und Studierenden ins Gespräch, die sich unsicher sind, ob sie im schulischen Spanischunterricht eine andere Standardvarietät als kastilisches Spanisch sprechen dürfen. Im Kontext einer plurizentrischen Sprache sollte dies eigentlich keine Frage sein, da es kein ‚Hochspanisch‘ gibt, wie wir es im Deutschen kennen. Neben der zum Teil noch fehlenden Akzeptanz an Schulen und/oder vonseiten der Ausbilder/innen fehlt es allerdings auch schlichtweg noch an Konzepten, wie man damit umgeht, wenn man als Lehrkraft z. B. eine andere Varietät spricht, als sie das Lehrwerk vermittelt. Ebenso steht es noch aus zu erörtern, wie man verhindern kann, dass die Schülerinnen und Schüler eine Mischung von Varietäten sprechen, statt sich – wie es sinnvoll und gewünscht ist – für eine Varietät zu entscheiden und diese konsequent zu sprechen. Hier besteht somit sowohl Forschungs- als auch Aufklärungsbedarf.

Wenn wir richtig informiert sind, haben Sie Spanisch erst als Erweiterungs- bzw. Ergänzungsfach studiert. Wie gut konnten Sie bereits vorher Spanisch? Hatten Sie zu diesem Zeitpunkt bereits den Plan, sich in der Fachdidaktik zu spezialisieren?

Corinna Koch
: An dem Gymnasium, an dem ich Abitur gemacht habe, gab es damals leider aus organisatorischen Gründen keine Möglichkeit, mir neben meinen sprachlichen Leistungskursen (Französisch und Englisch) sowie Latein, das ich erst in der neunten Klasse begonnen hatte, in der Oberstufe zusätzlich noch die Teilnahme am Spanischunterricht zu ermöglichen. Ich habe dann parallel zur Oberstufe mit Privatunterricht etwas vorgebaut, im Prinzip aber erst mit dem ersten Studiensemester an der Universität intensiv mit dem Spracherwerb begonnen.

Synergieeffekte bei Lernen mehrerer Fremdsprachen

In universitären Sprachkursen ist die Progression jedoch sehr steil. Nach einem Jahr galt die Grammatik als vollständig durchgenommen. Bei einem Auslandsaufenthalt nach besagtem ersten Jahr musste ich mich in Málaga einem Einstufungssprachtest unterziehen, in dem auch die Zeitenfolge in der indirekten Rede im Spanischen abgefragt wurde. Die hatte ich für Spanisch noch nicht gelernt. Ich habe die Regeln aus dem Französischen angewendet und die volle Punktzahl in diesem Teil erreicht. Das hat mir noch einmal die Synergieeffekte bei Lernen mehrerer Fremdsprachen deutlich gemacht (Stichwort „Mehrsprachigkeit“): Ich habe Spanisch nicht von Null auf lernen müssen.
Als Schülerin und Studentin hatte ich immer ein festes Ziel vor Augen: Fremdsprachenlehrkraft am Gymnasium werden. Englisch und Französisch standen fest, Spanisch habe ich dazu genommen, weil ich mich für die Sprache interessiert habe und mich noch nicht ‚ausgelastet‘ fühlte und – ehrlich gesagt – auch, um meine späteren Einstellungschancen in der Schule zu erhöhen. Dass ich – mit einem ‚Schlenker‘ über das Referendariat – letztendlich an der Universität geblieben bin, ist meiner Doktormutter Lieselotte Steinbrügge zu verdanken, die mir gegen Ende des Masterstudiums eine Promotionsstelle angeboten hat – und mir bis heute vorwirft, dass ich damals zunächst gezögert habe. Bereut habe ich es nie und bin ihr somit bis heute dankbar, dass sie mir diesen anderen Weg aufgezeigt hat.

Zur Person
Dr. Corinna Koch ist Professorin für Romanistische Fachdidaktik an der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster. Nach ihrem Lehramtsstudium der Fächer Englisch, Französisch und Spanisch promovierte sie in der Fremdsprachendidaktik, bevor sie ihr Referendariat absolvierte und nach dem Zweiten Staatsexamen eine Juniorprofessur für die Didaktik der romanischen Sprachen an der Universität Paderborn antrat.

Einführung in die Fachdidaktik Spanisch

von Corinna Koch

Während des Studiums und zu Beginn der Tätigkeit als Spanischlehrkraft erscheinen die vielfältigen Elemente rund um die Vorbereitung und Durchführung des Spanischunterrichts bisweilen unüberschaubar, abstrakt und unstrukturiert.

Das vorliegende Werk bietet einen leicht verständlichen einführenden Überblick über die verschiedenen Bausteine der Spanischdidaktik und ihre Verknüpfungen untereinander. Dabei werden die theoretisch-wissenschaftlichen Hintergründe mit konkret-schulpraktischen Überlegungen verbunden.

Zusammenfassungen der wichtigsten Inhalte und ein umfängliches Register ermöglichen eine schnelle Orientierung über das Inhaltsverzeichnis hinaus. Literaturempfehlungen und eine Übersicht über die wichtigsten fachdidaktischen Zeitschriften bilden zudem den Ausgangspunkt zur individuellen Vertiefung der Themen.

(KE/MD)

Programmbereich: Romanistik