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Die beklagte Arbeitgeberin hatte die Ausnahmen vom Grundsatz des Equal-Pay nicht hinreichend dargelegt, so das LAG Baden-Württemberg (Foto: Anna Iluschenko / stock.adobe.com)
Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz

LAG Baden-Württemberg: Klägerin dringt mit Equal-Pay-Klage weitgehend durch

ESV-Redaktion Recht
29.07.2024
Spricht der Umstand, dass eine Frau weniger Gehalt erhält als ihr männlicher Kollege in vergleichbarer Position, für die Vermutung, dass sie aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt wird? Und wenn ja, was muss der Arbeitgeber tun, um diese Vermutung zu widerlegen? Mit diesen Fragen hat sich das LAG Baden-Württemberg in einem kürzlich veröffentlichten Teilurteil befasst.
In dem Streitfall leitete die Klägerin seit Ende 2015 den „Bereich Projekt- und Prozessmanagement“ der Beklagten. Anfang 2018 wurde sie dann – gegen ihren Willen – auf eine Stelle versetzt, die die Leitung des „Projekts Business Information Security Officer MS“ zum Gegenstand hatte.
 
Für ihre Tätigkeiten erhielt sie neben einem Grundgehalt noch so genannte „Phantom Shares“. Dabei handelte es sich um aktienorientierte Vergütungsbestandteile auf der Grundlage eines „Phantom-Share-Plans“.
 

Klägerin: Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt

 
Weil sie nach ihrer Auffassung gegenüber ihren männlichen Kollegen auf Leitungsebene schlechter vergütet wurde, zog sie mit einer Klage vor das ArbG Stuttgart. Mit dieser wendete sie sich auch gegen ihre Versetzung. Im Rahmen ihrer Klage trug sie unter anderem vor, dass ihre männlichen Kollegen ein höheres Grundgehalt sowie mehr „Phantom Shares“ erhalten. Neben der Zuteilung weiterer „Phantom Shares“ für die Jahre 2021 und 2022 forderte sie noch Schadenersatz wegen einer zu niedrigen Zuteilung von Phantom Shares im Jahr 2018 sowie eine Vergütungsnachzahlung für 2021.
 

Beklagte: Ungleiche Behandlung gerechtfertigt

 
Die Beklagte begründete die geringere Vergütung damit, dass ihre beiden männlichen Kollegen in vergleichbarer Situation älter wären als die Klägerin und mehr Berufserfahrung hätten. Darüber hinaus habe die Klägerin eine schlechtere Leistung gezeigt. Die Sache landete schließlich vor dem LAG Baden-Württemberg.

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LAG Baden-Württemberg: Ausnahmen vom Equal-Pay nicht hinreichend dargelegt

 
Vor der 4. Kammer des LAG war die Klägerin in weiten Teilen erfolgreich. Nach Auffassung der Kammer hatte sie Anspruch auf Zuteilung von „Phantom Shares“ im Wert von (vorläufig) 13.500 EUR. Zudem verurteilte die Kammer die Beklagte zu einer Zahlung von 9.293,48 EUR brutto an die Klägerin.
 
Die Grundlage hierfür sah die Kammer im arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Kammer konnte nicht erkennen, warum der Klägerin weniger „Phantom Shares“ zustehen sollten als ihren männlichen Kollegen in Leitungspositionen. Darüber hinaus meinte die Kammer, dass die Klägerin einen Nachzahlungsanspruch bezüglich der monatlichen Vergütung für 2021 hat. Im Wesentlichen begründete die Kammer Ihre Ansichten wie folgt:
 
  • Grundsätzlich keine unterschiedliche Entlohnung für vergleichbare Arbeit: Beschäftigte dürfen nach dem Entgelttransparenzgesetz bei gleicher Arbeit nicht wegen ihres Geschlechts unterschiedlich entlohnt werden. Gleiches, so die Kammer ergebe sich aus dem EU-Recht.
  • Nachvollziehbar begründete Ausnahmen zwar möglich: Allerdings sind der Kammer zufolge geschlechtsneutrale Differenzierungen möglich – etwa nach der Qualität der Arbeit, nach Berufserfahrung oder nach dem Dienstalter. Die Unterschiede müssen aber nachvollziehbar sein, so die Kammer,
  • Aber – keine substantiierte Darlegung von Ausnahmen: Um Ausnahmen von den obigen Grundsätzen belegen zu können, hätte die Beklagte die Vermutung einer Diskriminierung wegen Geschlechts entkräften müssen. Voraussetzung hierfür ist der Kammer zufolge, dass der Arbeitgeber darlegt und beweist, dass ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht die schlechtere Behandlung der Klägerin rechtfertigen. Eine pauschale Berufung auf mehr Berufserfahrung, eine längere Betriebszugehörigkeit oder eine höhere Arbeitsqualität reicht dem Senat zufolge ohne Darlegung der betreffenden Kriterien und deren Bewertung nicht aus.
Auch bezüglich der umstrittenen Versetzung hat das LAG die Beklagte dazu verurteilt, die Klägerin als Leiterin des Bereichs „Projekt- und Prozessmanagement“ zu den Bedingungen des Arbeitsvertrags von November 2015 zu beschäftigen. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch war der Kammer zufolge aber verjährt.
 
Die Kammer hat sich bei seiner Entscheidung stark an dem Urteil der 7. Kammer des LAG Baden-Württemberg  vom 22.10.2021 (7 Sa 26/21) orientiert.
 
Quelle: Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 19.06.2024 – 4 Sa 26/23


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(ESV/bp)

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