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LAG Schleswig-Holstein: Personen, die sich über die Chat-Funktion bei eBay-Kleinanzeigen bewerben, sind Bewerber im Sinne des AGG (Foto: Sven Bähren / stock.adobe.com)
Diskriminierendes Stelleninserat in eBay-Kleinanzeigen

LAG Schleswig-Holstein zur Entschädigung bei diskriminierender Stellenanzeige auf eBay-Kleinanzeigen

ESV-Redaktion Recht
10.08.2022
Stelleninserate bei eBay-Kleinanzeigen sind nichts Ungewöhnliches. Streit ist aber um die Frage ausgebrochen, ob Personen, die sich auf solche Anzeigen bewerben, einen Bewerberstatus im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) haben – und damit bei Diskriminierung auch erfolgreich Entschädigungsansprüche geltend machen können.
In dem Streitfall bewarb sich eine männliche Person auf die eBay-Kleinanzeige eines Unternehmens im Kreis Steinburg. Der Wortlaut der Anzeige im Auszug:

„Sekretärin gesucht! – Beschreibung: Wir suchen eine Sekretärin ab sofort“
 
Es folgte ein Dialog über die Chat-Funktion von eBay-Kleinanzeigen. Dort gab der Bewerber unter anderem an, dass er derzeit eine neue Wohnung in der Nähe des Unternehmens sucht und Interesse an der ausgeschriebenen Stelle hat. Zudem wies er auf seine Erfahrung im Büro hin und darauf, dass er sich mit Word, Excel und Gesetzen gut auskenne. Ebenso könne er Lieferscheine und Rechnungen schreiben sowie auch sonst typische Arbeiten einer Sekretärin erledigen, wie von dem Unternehmen gefordert. Er bekundete in dem Chat ausdrücklich, dass er sich auf die betreffende Stelle bewerben würde.
 
Der Chat endete mit der Ablehnung der Bewerbung. Die Begründung: Das Unternehmen suche ausschließlich eine Frau als Sekretärin. Später rief der Bewerber bei dem Unternehmen an und beschwerte sich wegen einer Diskriminierung. Auch dieses Anliegen blieb ohne Erfolg – mit dem Hinweis auf sein Geschlecht.
 

Kläger: Ablehnung ist Diskriminierung

Der abgelehnte Bewerber meinte, durch die Ablehnung in seinem Geschlecht diskriminiert zu sein. Daher verlangte er eine Entschädigung von drei Bruttomonatsgehältern in Höhe von jeweils 2.600 EUR also insgesamt also 7.800 EUR. 
 

Beklagte: Kläger hat sich nicht ernsthaft beworben

Die potenzielle Arbeitgeberin sah in der Bewerbung und der Geltendmachung eines Schadenersatzes einen Rechtsmissbrauch. Demzufolge hatte sich der Kläger nie ernsthaft bei ihr beworben. Insbesondere habe dieser keine üblichen Bewerbungsunterlagen vorgelegt.

Darüber hinaus wäre die Stelle unter Berücksichtigung der betrieblichen Struktur der Beklagten allenfalls mit höchstens 1.200 EUR brutto monatlich –  das heißt mit 120 Stunden zu je 10,00 EUR/Stunde dotiert.

Aufgrund der Ablehnung verklagte der Bewerber das Unternehmen vor dem ArbG Elmshorn auf Schadenersatz. Da die Ausgangsinstanz die Klage abgewiesen hatte, zog der Kläger mit einer Berufung vor das LAG Schleswig-Holstein.
 
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LAG Schleswig-Holstein: Kläger hat Bewerberstatus im Sinne des AGG

Das LAG Schleswig-Holstein änderte das Urteil der Ausgangsinstanz ab und verurteilte die Beklagte zu einer Entschädigungszahlung in Höhe von 7.800 EUR an den Kläger. Die tragenden Erwägungen des LAG:
 

Bewerberstatus

Personen, die sich auf die Stellenanzeige von eBay-Kleinanzeigen über die dortige Chat-Funktion bewerben, sind demnach Bewerber im Sinne von § 6 Abs. 2 AGG. Die weiteren Überlegungen des LAG hierzu:
 
  • Beklagte als Arbeitgeberin: Das LAG sah die Beklagte als Arbeitgeberin im Sinne von § 6 Abs. 2 AGG an. Demnach ist Arbeitgeber derjenige, der „um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis bittet“.
  • Bewerber als Beschäftigte: Als Beschäftigte in diesem Sinne gelten nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG auch Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis.
  • Keine weiteren Bewerbungsunterlagen notwendig: Die Einreichung weiterer Bewerbungsunterlagen waren dem Gericht zufolge nicht erforderlich. Demnach muss derjenige, der eine Stellenanzeige in eBay-Kleinanzeigen schaltet, damit rechnen, dass sich Personen über die Chatfunktion bewerben und dies nicht auf die klassische schriftliche Art unter Beifügung von Bewerbungsunterlagen. Zudem, so das LAG weiter, gebe es kein gesetzliches Mindestmaß für Angaben zur Person des Bewerbers. Dieser muss lediglich zu identifizieren sein. Dies sah das Gericht als gegeben an. 


Benachteiligung liegt vor

Die Benachteiligung erfolgte dann aus dem Anzeigentext im Zusammenspiel mit der Antwort der potenziellen Arbeitgeberin, die deutlich zum Ausdruck brachte, dass sie nur eine Frau einstellen wollte.  
 

Höhe der Entschädigung

Anspruchsgrundlage ist § 15 Abs. 2 AGG. Insoweit bewertete das LAG drei Bruttomonatsgehälter in Höhe von insgesamt 7.800 EUR als angemessen. Dabei betonte das Gericht, dass die Höhe der Entschädigung die Beklagte in Zukunft zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Pflichten nach dem AGG anhalten soll.
 

Kein Rechtsmissbrauch

Nach Ansicht des Gerichts war die Bewerbung auch nicht rechtsmissbräuchlich. Demzufolge müssen für einen Missbrauch besondere Umstände im Einzelfall vorliegen. Hierfür, so das LAG weiter, reicht der Vortrag der Beklagten nicht aus, denn in der Bewerbung war kein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen im Sinne eines Geschäftsmodells erkennbar. 
 
Auch in dem Hinweis des Klägers auf sein Studium des Wirtschaftsrechts und auf seine hohe kaufmännische Ausbildung erkannte das Gericht keine Gründe, die für einen Rechtsmissbrauch sprechen. So war der Kläger als Industriekaufmann für die ausgeschriebene Stelle qualifiziert. Die klägerischen Hinweise wären deshalb eher eine „Werbemaßnahme“ im eigenen Interesse und kein Verhalten, das eine Absage provozieren sollte, so die Kieler Richter, die eine Revision zum BAG nicht zuließen.
 


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(ESV/bp)

Programmbereich: Arbeitsrecht