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In Anwaltsschriftsätzen, die in Schleswig-Holstein elektronisch an die Arbeitsgerichte übermittelt werden, müssen schon jetzt die zugehörigen Schriftarten eingebettet sein (Foto: studio v-zwoelf / stock.adobe.com)
Elektronische Übermittlung von anwaltlichen Dokumenten im Arbeitsgerichtsprozess

LAG Schleswig-Holstein zur Verfristung einer Kündigungsschutzklage wegen nicht eingebetteter Schriftart in elektronischem Dokument

ESV-Redaktion Recht
08.10.2021
Wahrt eine an das ArbG elektronisch übermittelte Kündigungsschutzklage die Formvorgaben nach § 46c ArbGG, wenn in dem übersendeten Dokument nicht alle verwendeten Schriftarten eingebettet sind? Für die Rechtslage in Schleswig-Holstein, die ab dem 01.01.2022 auch bundesweit gelten wird, hat sich das LAG Kiel in einem kürzlich veröffentlichten Urteil geäußert. 
In dem Streitfall hatte eine anwaltlich vertretene Klägerin mit Schriftsatz vom 14.04.2020 eine Kündigungsschutzklage erhoben. Ihr Prozessbevollmächtigter reichte die Klageschrift über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) beim ArbG Elmshorn ein. Bei diesem Vorgang wurde die Klageschrift als PDF-Dokument übermittelt, in dem allerdings die Schriftart „Helvetica“ nicht eingebettet war. Daraufhin teilte das ArbG in seiner Verfügung vom 20.04.2020 mit, dass die elektronisch eingegangene Klage aufgrund der fehlenden Schriftart wohl unzulässig wäre.
 
Am 29.04.2020 reichte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Klagschrift dann auf dem Postweg ein. Auch dies hielt das ArbG für unzulässig und wies die Klägerin mit Verfügung vom 30.04.2020 darauf hin. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin reichte die Klageschrift am 05.05.2020 erneut über das beA ein – jedoch waren die Schriftarten wieder nicht eingebettet, was der Vorsitzende Richter dem Klägervertreter telefonisch mitteilte. Daraufhin übermittelte der Klägervertreter die Klage ein weiteres Mal über das beA, wobei der Inhalt aber nicht texterkannt bzw. durchsuchbar war.
 
Am 06.06.2021 übersendete der klägerische Prozessbevollmächtigte die Klage schließlich dann nochmals über das beA an das ArbG. Hierbei erfolgte die Übermittlung in nicht beanstandeter Form. Der Prozessvertreter hatte aber nicht anwaltlich glaubhaft gemacht, dass das betreffende elektronische Dokument mit der ursprünglich am 14.04.2020 elektronisch eingereichten Klage inhaltlich übereinstimmt.

ArbG Elmshorn: Klage wirksam eingereicht

Die Ausgangsinstanz – das ArbG Elmshorn – hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Demnach hatte die Klägerin ihre Klage mit Schriftsatz vom 14.04.2020 innerhalb der Frist von § 4 KSchG wirksam erhoben. Dem stehe nicht entgegen, dass in dem betreffenden Dokument nicht alle Schriftarten eingebettet waren, wie es die „Bekanntmachung zu § 5 der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVB 2019)“ fordert, so die Ausgangsinstanz weiter. Nach deren Auffassung ist die ERVB 2019 nämlich unwirksam. Der Grund: § 5 ERVV – der die Rechtsgrundlage zur Einführung der ERVB 2019 bildet – fordert eine Mindestgültigkeitsdauer, die in der ERVB 2019 nicht enthalten ist.

Darüber hinaus geht Nr. 1 ERVB 2019 unzulässig über den Inhalt der Ermächtigungsgrundlage von § 5 Nr. 1 ERVV hinaus, meint das ArbG Elmshorn weiter. Nach dieser Norm wären nur die zugelassenen Versionen des Dateiformats bekanntzumachen – nicht dagegen die Vorgabe, nach der sämtliche Schriftarten eingebettet sein müssten. Die fehlende Einbettung einer Schriftart verhindert die wirksame Klageerhebung demnach also nicht. Weil die Vorinstanz die Klage auch für begründet hielt, gab sie dieser statt. Daraufhin zog die beklagte Arbeitgeberin mit einer Berufung vor das LArbG Schleswig-Holstein.

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LAG Schleswig-Holstein: Kündigungsschutzklage unzulässig wegen Verfristung

Die 5. Kammer des LAG Schleswig-Holstein folgte der Auffassung der Vorinstanz nicht. Die Kammer hat deren Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Demnach erfüllt eine als PDF-Dokument eingereichte Kündigungsschutzklage nicht die Formvorgaben nach § 46 c Absatz 2 Satz 2 ArbGG in Verbindung mit § 5 Absatz 1 Nr. 1 ERVV und Nr. 1 Satz 1 ERVB 2019, wenn in dem betreffenden elektronischen Dokument nicht alle betreffenden Schriftarten eingebettet sind. Die weiteren wesentlichen Erwägungen der Kammer:
 
  • Klagefrist endete am 30.04.2020: Nach § 4 Satz 1 KSchG sind die Gründe, die zu Unwirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung führen sollen, innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung klageweise geltend zu machen. Nach den weiteren Ausführungen der Berufungsinstanz hätte die Klage daher zwingend und beanstandungsfrei in elektronischer Form bis zum 30.04.2020 bei der Ausgangsinstanz eingehen müssen.
  • Frist nicht eingehalten: Die Klägerin hat die Klageschrift aber nicht innerhalb der obigen Frist formwahrend eingereicht, weil die bis dahin über das beA übermittelten PDF-Schriftsätze mangels Einbettung der entsprechenden Schriftarten nicht den technischen Anforderungen von § 5 Abs. 1 Nr. 1 ERVV in Verbindung mit Nr. 1 Satz 1 ERVB 2019 entsprachen. Beanstandungsfrei erfolgte die elektronische Übermittlung erst am 06.06.2020.
  • ERVB 2018 wirksam: Die ERVB 2019, die nach ihrer Nr. 1 die Einbettung der Schriftarten in das zu übermittelnde Dokument vorschreibt, ist – entgegen der Meinung der Ausgangsinstanz – von der Ermächtigungsgrundlage des § 5 Absatz 1 Nr. 1 ERVV gedeckt. Sie schränkt den Justizgewährleistungsanspruch nicht unangemessen ein und wurde von der Bundesregierung wirksam erlassen.
  • Mindestgültigkeitsdauer definiert: Die Bundesregierung hatte bereits in Nr. 1 der „Bekanntmachung zu § 5 ERVV (ERVB 2018)“ unter anderem die zulässigen PDF-Dateiversionen mit dem Mindestgültigkeitsdatum 31.12.2020 bekanntgegeben. Die später erlassene ERVB 2019 ist daher keine eigenständige Ermächtigungsgrundlage, die eine alte ERVB ablöst. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Ergänzung der bereits bestehenden ERVB 2018. Dies ist der Kammer zufolge dem Schluss-Satz der ERVB 2019 zu entnehmen. Somit gilt die in der ERVB 2018 festgelegte Mindestgültigkeitsdauer weiter.
  • Keine Heilung über eine Zustellungsfiktion: Der Formfehler kann auch nicht nach § 46 c Abs. 6 Satz 2 ArbGG rückwirkend geheilt werden. Eine solche heilende Zustellungsfiktion setzt nämlich voraus, dass der Absender das elektronische Dokument unverzüglich in einer Form nachreicht, die dem Gericht eine weitere Bearbeitung ermöglicht – also mit den eingebetteten Schriftarten. Darüber hinaus muss der betreffende Prozessbevollmächtige glaubhaft machen, dass dieses Dokument mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt. Beides ist unterblieben.
  • Auch keine Heilung über Einreichung der Klage per Post: Die per Post übermittelte Klageschrift entsprach nicht den Formvorgaben des § 46 g ArbGG, so die Kammer weiter.  Diese Norm – die über Artikel 3 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten (FördElRV) – eingeführt wird, regelt, dass anwaltliche Schriftsätze an Arbeitsgerichte ab dem 01.01.2022 nur noch über den elektronischen Rechtsverkehr eingereicht werden können. In Schleswig-Holstein gilt diese Regelung per Landesverordnung aber schon seit dem 01.01.2020. Die am 29.04.2020 per Post eingegangene Klageschrift vom 14.04.2020 erfüllte also nicht die zwingenden Formvorgabe der elektronischen Übermittlung nach § 46g Satz 1 ArbGG.
Damit war die Kündigungsschutzklage unzulässig wegen Verfristung. Über deren Begründetheit musste das LAG Schleswig-Holstein also nicht entscheiden. Noch gilt diese Rechtslage nicht bundesweit. Dies wird sich aber zum 01.01.2022 ändern, weil auch § 46 g ArbGG dann in allen Bundesländern in Kraft treten wird – und zwar unabhängig von der Frage, ob einzelne Länder diese Norm über eine Verordnung in Kraft gesetzt haben. 

Quelle: Urteil des LArbG Schleswig-Holstein vom 15.07.2021 – 5 Sa 8/21

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(ESV/bp)

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